ger auf eine Person im Kreise, und diese, dadurch aufgefordert, sagt ihm ihr bisher geheim gehal- tenes Wort, das er nun in seine Erzählung, ohne alle Hemmung, verflechtet, auf eine Art, die ganz von der Fähigkeit seines Witzes abhängt. Jedermann sieht leicht ein, wie viel diess zur Be- lustigung der Gesellschaft, so wie zur Uebung des Erzählers beytragen müsse. Lasst uns an- nehmen, er sey in der Erzählung einer Reise bey einer Räubergeschichte; die Nacht war schauer- lich, das Geräusch in den Gipfeln des Waldes, die undurchdringliche Finsterniss und das Ge- brüll dieser vier Unmenschen, die uns Geld oder Leben abforderten, machte sie zu der schauder- vollsten meines Lebens. Da ergriff ich schnell -- hier zeigt er auf eine Person und diese nennt -- Perrücke -- ein Degen oder eine Pistole wäre freylich bequemer gewesen, allein es' ist nun ein- mal nur eine Perrücke -- meine Perrücke, nahm meinen ganzen Muth zusammen und stopfte sie dem ärgsten Brüller, der mir auf den Leib woll- te, beym Schimmer seiner Laterne, so tief in den Schlund, dass er aus Mangel an Athem zu Boden stürzte. Jezt, da die andern ihn von diesem tödtlichen Haarwulste befreyen wollten, drückten wir ganz bequem die Pistolen auf sie ab u. s. w.
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ger auf eine Perſon im Kreiſe, und dieſe, dadurch aufgefordert, ſagt ihm ihr bisher geheim gehal- tenes Wort, das er nun in ſeine Erzählung, ohne alle Hemmung, verflechtet, auf eine Art, die ganz von der Fähigkeit ſeines Witzes abhängt. Jedermann ſieht leicht ein, wie viel dieſs zur Be- luſtigung der Geſellſchaft, ſo wie zur Uebung des Erzählers beytragen müſſe. Laſst uns an- nehmen, er ſey in der Erzählung einer Reiſe bey einer Räubergeſchichte; die Nacht war ſchauer- lich, das Geräuſch in den Gipfeln des Waldes, die undurchdringliche Finſterniſs und das Ge- brüll dieſer vier Unmenſchen, die uns Geld oder Leben abforderten, machte ſie zu der ſchauder- vollſten meines Lebens. Da ergriff ich ſchnell — hier zeigt er auf eine Perſon und dieſe nennt — Perrücke — ein Degen oder eine Piſtole wäre freylich bequemer geweſen, allein es’ iſt nun ein- mal nur eine Perrücke — meine Perrücke, nahm meinen ganzen Muth zuſammen und ſtopfte ſie dem ärgſten Brüller, der mir auf den Leib woll- te, beym Schimmer ſeiner Laterne, ſo tief in den Schlund, daſs er aus Mangel an Athem zu Boden ſtürzte. Jezt, da die andern ihn von dieſem tödtlichen Haarwulſte befreyen wollten, drückten wir ganz bequem die Piſtolen auf ſie ab u. ſ. w.
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ger auf eine Perſon im Kreiſe, und dieſe, dadurch
aufgefordert, ſagt ihm ihr bisher geheim gehal-
tenes Wort, das er nun in ſeine Erzählung, ohne
alle Hemmung, verflechtet, auf eine Art, die
ganz von der Fähigkeit ſeines Witzes abhängt.
Jedermann ſieht leicht ein, wie viel dieſs zur Be-
luſtigung der Geſellſchaft, ſo wie zur Uebung
des Erzählers beytragen müſſe. Laſst uns an-
nehmen, er ſey in der Erzählung einer Reiſe bey
einer Räubergeſchichte; die Nacht war ſchauer-
lich, das Geräuſch in den Gipfeln des Waldes,
die undurchdringliche Finſterniſs und das Ge-
brüll dieſer vier Unmenſchen, die uns Geld oder
Leben abforderten, machte ſie zu der ſchauder-
vollſten meines Lebens. Da ergriff ich ſchnell —
hier zeigt er auf eine Perſon und dieſe nennt —
Perrücke — ein Degen oder eine Piſtole wäre
freylich bequemer geweſen, allein es’ iſt nun ein-
mal nur eine Perrücke — meine Perrücke, nahm
meinen ganzen Muth zuſammen und ſtopfte ſie
dem ärgſten Brüller, der mir auf den Leib woll-
te, beym Schimmer ſeiner Laterne, ſo tief in
den Schlund, daſs er aus Mangel an Athem zu
Boden ſtürzte. Jezt, da die andern ihn von
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Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/409>, abgerufen am 22.11.2024.
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