heit, so ist es zwar ein bedeutender Fehler, aber ein grösserer, wenigstens weit unerträglicherer, ist jene Empfindlichkeit. Der Unempfindlichere be- findet sich überall wohl und seine Gesellschaft sieht ihn immer gern, er heisst ein Mann mit dem sich gut auskommen läst, der nichts übel nimmt; die- ser der übertrieben Empfindliche leidet bey je- dem kleinen Anlasse, die Züge des Missvergnü- gens und der Bestürzung drücken sich schon auf sein Gesicht, wenn er wegen eines kleinen Ver- sehens, wegen einer kleinen Ungeschicklichkeit und dergleichen nur im mindesten belächelt wird, es ist ihm unmöglich, diess zurückzuhalten und eben dadurch wird er unangenehm. Diese Art von Empfindlichkeit abzustumpfen, das Ausla- chen im gehörigen Falle mit einer gewissen männ- lichen Fassung und Freymüthigkeit ertragen zu lernen, sind manche Spiele sehr gut. Sie gewöh- nen durch Spass zum Ernste, lernt man das Nek- ken und Belachen erst in der scherzenden Spiel- welt ertragen, so übernimmt man es auch mit mehr Leichtigkeit in der ernstlichen Welt. Hat jener Fehler seinen Grund in einer zu grossen Reizbar- keit der Nerven, folglich im Körper, so können Leibesübungen, folglich auch bewegende Spiele im Freyen, durch ihren Einfluss auf jenen ihn oft ganz wegschaffen, wenigstens vermindern; ent- stand er durch eine zu zarte und zu isolirte Er-
heit, ſo iſt es zwar ein bedeutender Fehler, aber ein gröſserer, wenigſtens weit unerträglicherer, iſt jene Empfindlichkeit. Der Unempfindlichere be- findet ſich überall wohl und ſeine Geſellſchaft ſieht ihn immer gern, er heiſst ein Mann mit dem ſich gut auskommen läſt, der nichts übel nimmt; die- ſer der übertrieben Empfindliche leidet bey je- dem kleinen Anlaſſe, die Züge des Miſsvergnü- gens und der Beſtürzung drücken ſich ſchon auf ſein Geſicht, wenn er wegen eines kleinen Ver- ſehens, wegen einer kleinen Ungeſchicklichkeit und dergleichen nur im mindeſten belächelt wird, es iſt ihm unmöglich, dieſs zurückzuhalten und eben dadurch wird er unangenehm. Dieſe Art von Empfindlichkeit abzuſtumpfen, das Ausla- chen im gehörigen Falle mit einer gewiſſen männ- lichen Faſſung und Freymüthigkéit ertragen zu lernen, ſind manche Spiele ſehr gut. Sie gewöh- nen durch Spaſs zum Ernſte, lernt man das Nek- ken und Belachen erſt in der ſcherzenden Spiel- welt ertragen, ſo übernimmt man es auch mit mehr Leichtigkeit in der ernſtlichen Welt. Hat jener Fehler ſeinen Grund in einer zu groſsen Reizbar- keit der Nerven, folglich im Körper, ſo können Leibesübungen, folglich auch bewegende Spiele im Freyen, durch ihren Einfluſs auf jenen ihn oft ganz wegſchaffen, wenigſtens vermindern; ent- ſtand er durch eine zu zarte und zu iſolirte Er-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0056"n="24"/>
heit, ſo iſt es zwar ein bedeutender Fehler, aber<lb/>
ein gröſserer, wenigſtens weit unerträglicherer, iſt<lb/>
jene Empfindlichkeit. Der Unempfindlichere be-<lb/>
findet ſich überall wohl und ſeine Geſellſchaft ſieht<lb/>
ihn immer gern, er heiſst ein Mann mit dem ſich<lb/>
gut auskommen läſt, der nichts übel nimmt; die-<lb/>ſer der übertrieben Empfindliche leidet bey je-<lb/>
dem kleinen Anlaſſe, die Züge des Miſsvergnü-<lb/>
gens und der Beſtürzung drücken ſich ſchon auf<lb/>ſein Geſicht, wenn er wegen eines kleinen Ver-<lb/>ſehens, wegen einer kleinen Ungeſchicklichkeit<lb/>
und dergleichen nur im mindeſten belächelt wird,<lb/>
es iſt ihm unmöglich, dieſs zurückzuhalten und<lb/>
eben dadurch wird er unangenehm. Dieſe Art<lb/>
von Empfindlichkeit abzuſtumpfen, das Ausla-<lb/>
chen im gehörigen Falle mit einer gewiſſen männ-<lb/>
lichen Faſſung und Freymüthigkéit ertragen zu<lb/>
lernen, ſind manche Spiele ſehr gut. Sie gewöh-<lb/>
nen durch Spaſs zum Ernſte, lernt man das Nek-<lb/>
ken und Belachen erſt in der ſcherzenden Spiel-<lb/>
welt ertragen, ſo übernimmt man es auch mit mehr<lb/>
Leichtigkeit in der ernſtlichen Welt. Hat jener<lb/>
Fehler ſeinen Grund in einer zu groſsen Reizbar-<lb/>
keit der Nerven, folglich im Körper, ſo können<lb/>
Leibesübungen, folglich auch bewegende Spiele<lb/>
im Freyen, durch ihren Einfluſs auf jenen ihn oft<lb/>
ganz wegſchaffen, wenigſtens vermindern; ent-<lb/>ſtand er durch eine zu zarte und zu iſolirte Er-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[24/0056]
heit, ſo iſt es zwar ein bedeutender Fehler, aber
ein gröſserer, wenigſtens weit unerträglicherer, iſt
jene Empfindlichkeit. Der Unempfindlichere be-
findet ſich überall wohl und ſeine Geſellſchaft ſieht
ihn immer gern, er heiſst ein Mann mit dem ſich
gut auskommen läſt, der nichts übel nimmt; die-
ſer der übertrieben Empfindliche leidet bey je-
dem kleinen Anlaſſe, die Züge des Miſsvergnü-
gens und der Beſtürzung drücken ſich ſchon auf
ſein Geſicht, wenn er wegen eines kleinen Ver-
ſehens, wegen einer kleinen Ungeſchicklichkeit
und dergleichen nur im mindeſten belächelt wird,
es iſt ihm unmöglich, dieſs zurückzuhalten und
eben dadurch wird er unangenehm. Dieſe Art
von Empfindlichkeit abzuſtumpfen, das Ausla-
chen im gehörigen Falle mit einer gewiſſen männ-
lichen Faſſung und Freymüthigkéit ertragen zu
lernen, ſind manche Spiele ſehr gut. Sie gewöh-
nen durch Spaſs zum Ernſte, lernt man das Nek-
ken und Belachen erſt in der ſcherzenden Spiel-
welt ertragen, ſo übernimmt man es auch mit mehr
Leichtigkeit in der ernſtlichen Welt. Hat jener
Fehler ſeinen Grund in einer zu groſsen Reizbar-
keit der Nerven, folglich im Körper, ſo können
Leibesübungen, folglich auch bewegende Spiele
im Freyen, durch ihren Einfluſs auf jenen ihn oft
ganz wegſchaffen, wenigſtens vermindern; ent-
ſtand er durch eine zu zarte und zu iſolirte Er-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/56>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.