Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.christlichen Mitpensionairen zu essen, ja sogar Gelegenheit fand, bei einem dortigen Unterrabbiner die religiösen Studien fortzusetzen. Er sollte bei jenem Verwandten zu Tisch gehen und dieser Geistliche sollte ihn die Woche einigemal zum Religionsunterrichte besuchen. Der Knabe war glücklich, endlich in neue und freiere Beziehungen zu kommen. Denn auch sein Verhältniß zum Vater fing schon an, auf den Grund abweichender Ansichten, manche Störung zu erleiden. Herr Baruch wollte die Grundsätze nicht billigen, die sich sein Sohn aus dem allmäligen Verständniß der französischen Revolution entnommen hatte. Er äußerte schon damals oft, daß die hergebrachte Ordnung der Dinge in der Natur begründet wäre, daß, so wie es Kinder und Eltern gäbe, es eben so auch Herr und Diener, König und Unterthan geben müsse und ähnliche Gemeinplätze mehr, deren öftere Wiederholung dem Vater für die drohende gefährliche Ideenrichtung seines Sohnes sehr nothwendig schien. Doch waren dergleichen Befürchtungen noch nicht ernsterer Natur. Gießen ist von Frankfurt eine Tagereise entfernt. Der Weg führt durch die fruchtbaren Thäler und anmuthigen Berge der Wetterau. Sachs, der Hauslehrer, begleitete den vierzehnjährigen Knaben, der christlichen Mitpensionairen zu essen, ja sogar Gelegenheit fand, bei einem dortigen Unterrabbiner die religiösen Studien fortzusetzen. Er sollte bei jenem Verwandten zu Tisch gehen und dieser Geistliche sollte ihn die Woche einigemal zum Religionsunterrichte besuchen. Der Knabe war glücklich, endlich in neue und freiere Beziehungen zu kommen. Denn auch sein Verhältniß zum Vater fing schon an, auf den Grund abweichender Ansichten, manche Störung zu erleiden. Herr Baruch wollte die Grundsätze nicht billigen, die sich sein Sohn aus dem allmäligen Verständniß der französischen Revolution entnommen hatte. Er äußerte schon damals oft, daß die hergebrachte Ordnung der Dinge in der Natur begründet wäre, daß, so wie es Kinder und Eltern gäbe, es eben so auch Herr und Diener, König und Unterthan geben müsse und ähnliche Gemeinplätze mehr, deren öftere Wiederholung dem Vater für die drohende gefährliche Ideenrichtung seines Sohnes sehr nothwendig schien. Doch waren dergleichen Befürchtungen noch nicht ernsterer Natur. Gießen ist von Frankfurt eine Tagereise entfernt. Der Weg führt durch die fruchtbaren Thäler und anmuthigen Berge der Wetterau. Sachs, der Hauslehrer, begleitete den vierzehnjährigen Knaben, der <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0101" n="59"/> christlichen Mitpensionairen zu essen, ja sogar Gelegenheit fand, bei einem dortigen Unterrabbiner die religiösen Studien fortzusetzen. Er sollte bei jenem Verwandten zu Tisch gehen und dieser Geistliche sollte ihn die Woche einigemal zum Religionsunterrichte besuchen. Der Knabe war glücklich, endlich in neue und freiere Beziehungen zu kommen. Denn auch sein Verhältniß zum Vater fing schon an, auf den Grund abweichender Ansichten, manche Störung zu erleiden. Herr Baruch wollte die Grundsätze nicht billigen, die sich sein Sohn aus dem allmäligen Verständniß der französischen Revolution entnommen hatte. Er äußerte schon damals oft, daß die hergebrachte Ordnung der Dinge in der Natur begründet wäre, daß, so wie es Kinder und Eltern gäbe, es eben so auch Herr und Diener, König und Unterthan geben müsse und ähnliche Gemeinplätze mehr, deren öftere Wiederholung dem Vater für die drohende gefährliche Ideenrichtung seines Sohnes sehr nothwendig schien. Doch waren dergleichen Befürchtungen noch nicht ernsterer Natur.</p> <p>Gießen ist von Frankfurt eine Tagereise entfernt. Der Weg führt durch die fruchtbaren Thäler und anmuthigen Berge der Wetterau. Sachs, der Hauslehrer, begleitete den vierzehnjährigen Knaben, der </p> </div> </body> </text> </TEI> [59/0101]
christlichen Mitpensionairen zu essen, ja sogar Gelegenheit fand, bei einem dortigen Unterrabbiner die religiösen Studien fortzusetzen. Er sollte bei jenem Verwandten zu Tisch gehen und dieser Geistliche sollte ihn die Woche einigemal zum Religionsunterrichte besuchen. Der Knabe war glücklich, endlich in neue und freiere Beziehungen zu kommen. Denn auch sein Verhältniß zum Vater fing schon an, auf den Grund abweichender Ansichten, manche Störung zu erleiden. Herr Baruch wollte die Grundsätze nicht billigen, die sich sein Sohn aus dem allmäligen Verständniß der französischen Revolution entnommen hatte. Er äußerte schon damals oft, daß die hergebrachte Ordnung der Dinge in der Natur begründet wäre, daß, so wie es Kinder und Eltern gäbe, es eben so auch Herr und Diener, König und Unterthan geben müsse und ähnliche Gemeinplätze mehr, deren öftere Wiederholung dem Vater für die drohende gefährliche Ideenrichtung seines Sohnes sehr nothwendig schien. Doch waren dergleichen Befürchtungen noch nicht ernsterer Natur.
Gießen ist von Frankfurt eine Tagereise entfernt. Der Weg führt durch die fruchtbaren Thäler und anmuthigen Berge der Wetterau. Sachs, der Hauslehrer, begleitete den vierzehnjährigen Knaben, der
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