Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.Markt ist ihnen nur eine größere Antichambre, das Volk nur ein zahlreicherer Hof und die öffentliche Meinung das alte Violin-Solo, nur ohne Sordine gespielt. Sie zischeln hier wie dort, sind schlau jetzt wie vordem und schlagen immerfort den herkömmlichen Takt. Sie meinen, wenn sie nur weiter einheizten, damit könnten sie den Frühling abhalten. Die heutigen französischen Minister sind viel zu klug, als daß sie hoffen dürften, ihre Absichten durchzusetzen. Zu gewissen Handlungen reicht nicht hin, kein Herz, man muß auch keinen Kopf haben. Es ist nicht Jeder dumm, der will. Giebt's eine Eigenschaft der menschlichen Natur, die man nicht erwerben kann, die angeboren sein muß, so ist es die Dummheit. Es giebt für jeden französischen Minister nur Ein Mittel, sich durch die Gefahren zu schlagen, welchen er begegnet, wenn er Frankreich nach den Wünschen der Aristokratie beherrschen will - er darf diese Gefahren nicht sehen. Sein System, wenn er ein solches hat, offen darzulegen, wäre unter diesen Umständen in seiner Stellung viel zu gefährlich für ihn. Darum bedient er sich der Journale des Auslandes, um seine Ansichten und Grundsätze zu rechtfertigen und Andere läßt er dann hinterher als deren Vertheidiger auftreten. So wählte Markt ist ihnen nur eine größere Antichambre, das Volk nur ein zahlreicherer Hof und die öffentliche Meinung das alte Violin-Solo, nur ohne Sordine gespielt. Sie zischeln hier wie dort, sind schlau jetzt wie vordem und schlagen immerfort den herkömmlichen Takt. Sie meinen, wenn sie nur weiter einheizten, damit könnten sie den Frühling abhalten. Die heutigen französischen Minister sind viel zu klug, als daß sie hoffen dürften, ihre Absichten durchzusetzen. Zu gewissen Handlungen reicht nicht hin, kein Herz, man muß auch keinen Kopf haben. Es ist nicht Jeder dumm, der will. Giebt’s eine Eigenschaft der menschlichen Natur, die man nicht erwerben kann, die angeboren sein muß, so ist es die Dummheit. Es giebt für jeden französischen Minister nur Ein Mittel, sich durch die Gefahren zu schlagen, welchen er begegnet, wenn er Frankreich nach den Wünschen der Aristokratie beherrschen will – er darf diese Gefahren nicht sehen. Sein System, wenn er ein solches hat, offen darzulegen, wäre unter diesen Umständen in seiner Stellung viel zu gefährlich für ihn. Darum bedient er sich der Journale des Auslandes, um seine Ansichten und Grundsätze zu rechtfertigen und Andere läßt er dann hinterher als deren Vertheidiger auftreten. So wählte <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0214" n="172"/> Markt ist ihnen nur eine größere Antichambre, das Volk nur ein zahlreicherer Hof und die öffentliche Meinung das alte Violin-Solo, nur ohne Sordine gespielt. Sie zischeln hier wie dort, sind schlau jetzt wie vordem und schlagen immerfort den herkömmlichen Takt. Sie meinen, wenn sie nur weiter einheizten, damit könnten sie den Frühling abhalten. Die heutigen französischen Minister sind viel zu klug, als daß sie hoffen dürften, ihre Absichten durchzusetzen. Zu gewissen Handlungen reicht nicht hin, kein Herz, man muß auch keinen Kopf haben. Es ist nicht Jeder dumm, der will. Giebt’s eine Eigenschaft der menschlichen Natur, die man nicht erwerben kann, die angeboren sein muß, so ist es die Dummheit. Es giebt für jeden französischen Minister nur Ein Mittel, sich durch die Gefahren zu schlagen, welchen er begegnet, wenn er Frankreich nach den Wünschen der Aristokratie beherrschen will – er darf diese Gefahren nicht sehen. Sein System, wenn er ein solches hat, offen darzulegen, wäre unter diesen Umständen in seiner Stellung viel zu gefährlich für ihn. Darum bedient er sich der Journale des Auslandes, um seine Ansichten und Grundsätze zu rechtfertigen und Andere läßt er dann hinterher als deren Vertheidiger auftreten. So wählte </p> </div> </body> </text> </TEI> [172/0214]
Markt ist ihnen nur eine größere Antichambre, das Volk nur ein zahlreicherer Hof und die öffentliche Meinung das alte Violin-Solo, nur ohne Sordine gespielt. Sie zischeln hier wie dort, sind schlau jetzt wie vordem und schlagen immerfort den herkömmlichen Takt. Sie meinen, wenn sie nur weiter einheizten, damit könnten sie den Frühling abhalten. Die heutigen französischen Minister sind viel zu klug, als daß sie hoffen dürften, ihre Absichten durchzusetzen. Zu gewissen Handlungen reicht nicht hin, kein Herz, man muß auch keinen Kopf haben. Es ist nicht Jeder dumm, der will. Giebt’s eine Eigenschaft der menschlichen Natur, die man nicht erwerben kann, die angeboren sein muß, so ist es die Dummheit. Es giebt für jeden französischen Minister nur Ein Mittel, sich durch die Gefahren zu schlagen, welchen er begegnet, wenn er Frankreich nach den Wünschen der Aristokratie beherrschen will – er darf diese Gefahren nicht sehen. Sein System, wenn er ein solches hat, offen darzulegen, wäre unter diesen Umständen in seiner Stellung viel zu gefährlich für ihn. Darum bedient er sich der Journale des Auslandes, um seine Ansichten und Grundsätze zu rechtfertigen und Andere läßt er dann hinterher als deren Vertheidiger auftreten. So wählte
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