Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

schwieriger, weil in den Deutschen das Gesetz der Trägheit (vis inertiae) wieder präponderirte. Börne hatte sich sehr geirrt, wenn er glaubte, das jährliche Erscheinen seiner Briefe würde immer die gleiche Wirkung haben: geirrt, wenn er dem Buchhändler Brünet, jenem räthselhaften Unbekannten, der seine spätern Briefe verlegte, sagen ließ, er möchte das Erscheinen der Briefe immerhin verzögern, es wäre besser, die Deutschen würden erst recht schlaff, damit sie dann durch ihn wieder lebendig würden. Ist der Rausch vorüber, dann sind die Deutschen auch nüchterner, als irgend eine Nation. Börne's letzte Briefsammlung ist unstreitig stylistisch genommen, die vollkommenste; sie kam aber wenig unters Volk und wurde dafür mehr von denen gewürdigt, die in Börnen den Schriftsteller lieber hatten, als den Charakter.

Obgleich fast immer leidend, vermochte sich doch Börne von dem Gedanken einer durchgreifenden Wirksamkeit nicht zu trennen. Er dachte daran, seine Wage wieder erscheinen zu lassen; aber die Menge der Stoffe, die darin gewogen werden sollte, beunruhigte ihn; das Material wuchs ihm über den Kopf. Dann wollte er die Politik einmal ganz von sich abwerfen und schrieb am Schluß des Jahres 1832 an einen Freund: "Hören Sie, ich will Reisebilder a la

schwieriger, weil in den Deutschen das Gesetz der Trägheit (vis inertiae) wieder präponderirte. Börne hatte sich sehr geirrt, wenn er glaubte, das jährliche Erscheinen seiner Briefe würde immer die gleiche Wirkung haben: geirrt, wenn er dem Buchhändler Brünet, jenem räthselhaften Unbekannten, der seine spätern Briefe verlegte, sagen ließ, er möchte das Erscheinen der Briefe immerhin verzögern, es wäre besser, die Deutschen würden erst recht schlaff, damit sie dann durch ihn wieder lebendig würden. Ist der Rausch vorüber, dann sind die Deutschen auch nüchterner, als irgend eine Nation. Börne’s letzte Briefsammlung ist unstreitig stylistisch genommen, die vollkommenste; sie kam aber wenig unters Volk und wurde dafür mehr von denen gewürdigt, die in Börnen den Schriftsteller lieber hatten, als den Charakter.

Obgleich fast immer leidend, vermochte sich doch Börne von dem Gedanken einer durchgreifenden Wirksamkeit nicht zu trennen. Er dachte daran, seine Wage wieder erscheinen zu lassen; aber die Menge der Stoffe, die darin gewogen werden sollte, beunruhigte ihn; das Material wuchs ihm über den Kopf. Dann wollte er die Politik einmal ganz von sich abwerfen und schrieb am Schluß des Jahres 1832 an einen Freund: „Hören Sie, ich will Reisebilder à la

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0286" n="244"/>
schwieriger, weil in den Deutschen das Gesetz der Trägheit (<hi rendition="#aq">vis inertiae</hi>) wieder präponderirte. Börne hatte sich sehr geirrt, wenn er glaubte, das jährliche Erscheinen seiner Briefe würde immer die gleiche Wirkung haben: geirrt, wenn er dem Buchhändler Brünet, jenem räthselhaften Unbekannten, der seine spätern Briefe verlegte, sagen ließ, er möchte das Erscheinen der Briefe immerhin verzögern, es wäre besser, die Deutschen würden erst recht schlaff, damit sie dann durch ihn wieder lebendig würden. Ist der Rausch vorüber, dann sind die Deutschen auch nüchterner, als irgend eine Nation. Börne&#x2019;s letzte Briefsammlung ist unstreitig stylistisch genommen, die vollkommenste; sie kam aber wenig unters Volk und wurde dafür mehr von denen gewürdigt, die in Börnen den Schriftsteller lieber hatten, als den Charakter.</p>
        <p>Obgleich fast immer leidend, vermochte sich doch Börne von dem Gedanken einer durchgreifenden Wirksamkeit nicht zu trennen. Er dachte daran, seine Wage wieder erscheinen zu lassen; aber die Menge der Stoffe, die darin gewogen werden sollte, beunruhigte ihn; das Material wuchs ihm über den Kopf. Dann wollte er die Politik einmal ganz von sich abwerfen und schrieb am Schluß des Jahres 1832 an einen Freund: &#x201E;Hören Sie, ich will Reisebilder <hi rendition="#aq">à la</hi> </p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0286] schwieriger, weil in den Deutschen das Gesetz der Trägheit (vis inertiae) wieder präponderirte. Börne hatte sich sehr geirrt, wenn er glaubte, das jährliche Erscheinen seiner Briefe würde immer die gleiche Wirkung haben: geirrt, wenn er dem Buchhändler Brünet, jenem räthselhaften Unbekannten, der seine spätern Briefe verlegte, sagen ließ, er möchte das Erscheinen der Briefe immerhin verzögern, es wäre besser, die Deutschen würden erst recht schlaff, damit sie dann durch ihn wieder lebendig würden. Ist der Rausch vorüber, dann sind die Deutschen auch nüchterner, als irgend eine Nation. Börne’s letzte Briefsammlung ist unstreitig stylistisch genommen, die vollkommenste; sie kam aber wenig unters Volk und wurde dafür mehr von denen gewürdigt, die in Börnen den Schriftsteller lieber hatten, als den Charakter. Obgleich fast immer leidend, vermochte sich doch Börne von dem Gedanken einer durchgreifenden Wirksamkeit nicht zu trennen. Er dachte daran, seine Wage wieder erscheinen zu lassen; aber die Menge der Stoffe, die darin gewogen werden sollte, beunruhigte ihn; das Material wuchs ihm über den Kopf. Dann wollte er die Politik einmal ganz von sich abwerfen und schrieb am Schluß des Jahres 1832 an einen Freund: „Hören Sie, ich will Reisebilder à la

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-03T11:49:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-03T11:49:31Z)
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-07-03T11:49:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/286
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/286>, abgerufen am 17.06.2024.