Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.nehmende Charakter des dortigen Handels immer wieder bindend zwischen zwei Bereiche, die in der Gesellschaft sich allerdings auch dort wechselseitig ausschließen. In Frankfurt ist der Judenhaß bei den Christen eine aus den ältesten Zeiten überkommene Umgangstugend, eine Art fashionabler Sitte, von der sich weder der junge Elegant noch die junge Schöne ausschließt: selbst Bettina verrätht in ihrem Briefwechsel, daß sie zum Judenhaß erzogen wurde. Der alte reichsstädtische Uebermuth erprobte seine Kraft von jeher an der Hülflosigkeit der Juden, wofür nicht nur in Frankfurt Gemälde zeugen, die früher dort an öffentlichen Gebäuden die Unterdrückung der Schutzbürger versinnlichten, sondern noch eine Menge von Sitten und Rechten, die, da sie gesetzlich nicht aufgehoben sind, jeder Christ gegen einen Juden in Anwendung bringen dürfte, wenn sie durch die fortschreitende Bildung der Zeit nicht in Vergessenheit gekommen wären. Zu Börne's Jugendzeit wurden noch die Juden um eine bestimmte Stunde der Nacht in ihrem traurigen Quartier, der von Spindler zum Schauplatz eines Romans gewählten Judengasse, eingeschlossen; auf ihren Spaziergängen um den Wall durften sie nur den Fahr- nicht den Fußweg betreten; das Mach Mores, Jud! hat bekanntlich nehmende Charakter des dortigen Handels immer wieder bindend zwischen zwei Bereiche, die in der Gesellschaft sich allerdings auch dort wechselseitig ausschließen. In Frankfurt ist der Judenhaß bei den Christen eine aus den ältesten Zeiten überkommene Umgangstugend, eine Art fashionabler Sitte, von der sich weder der junge Elegant noch die junge Schöne ausschließt: selbst Bettina verrätht in ihrem Briefwechsel, daß sie zum Judenhaß erzogen wurde. Der alte reichsstädtische Uebermuth erprobte seine Kraft von jeher an der Hülflosigkeit der Juden, wofür nicht nur in Frankfurt Gemälde zeugen, die früher dort an öffentlichen Gebäuden die Unterdrückung der Schutzbürger versinnlichten, sondern noch eine Menge von Sitten und Rechten, die, da sie gesetzlich nicht aufgehoben sind, jeder Christ gegen einen Juden in Anwendung bringen dürfte, wenn sie durch die fortschreitende Bildung der Zeit nicht in Vergessenheit gekommen wären. Zu Börne’s Jugendzeit wurden noch die Juden um eine bestimmte Stunde der Nacht in ihrem traurigen Quartier, der von Spindler zum Schauplatz eines Romans gewählten Judengasse, eingeschlossen; auf ihren Spaziergängen um den Wall durften sie nur den Fahr- nicht den Fußweg betreten; das Mach Mores, Jud! hat bekanntlich <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0065" n="23"/> nehmende Charakter des dortigen Handels immer wieder bindend zwischen zwei Bereiche, die in der Gesellschaft sich allerdings auch dort wechselseitig ausschließen. In Frankfurt ist der Judenhaß bei den Christen eine aus den ältesten Zeiten überkommene Umgangstugend, eine Art fashionabler Sitte, von der sich weder der junge Elegant noch die junge Schöne ausschließt: selbst Bettina verrätht in ihrem Briefwechsel, daß sie zum Judenhaß erzogen wurde. Der alte reichsstädtische Uebermuth erprobte seine Kraft von jeher an der Hülflosigkeit der Juden, wofür nicht nur in Frankfurt Gemälde zeugen, die früher dort an öffentlichen Gebäuden die Unterdrückung der Schutzbürger versinnlichten, sondern noch eine Menge von Sitten und Rechten, die, da sie gesetzlich nicht aufgehoben sind, jeder Christ gegen einen Juden in Anwendung bringen dürfte, wenn sie durch die fortschreitende Bildung der Zeit nicht in Vergessenheit gekommen wären. Zu Börne’s Jugendzeit wurden noch die Juden um eine bestimmte Stunde der Nacht in ihrem traurigen Quartier, der von Spindler zum Schauplatz eines Romans gewählten Judengasse, eingeschlossen; auf ihren Spaziergängen um den Wall durften sie nur den Fahr- nicht den Fußweg betreten; das Mach <hi rendition="#aq">Mores</hi>, Jud! hat bekanntlich </p> </div> </body> </text> </TEI> [23/0065]
nehmende Charakter des dortigen Handels immer wieder bindend zwischen zwei Bereiche, die in der Gesellschaft sich allerdings auch dort wechselseitig ausschließen. In Frankfurt ist der Judenhaß bei den Christen eine aus den ältesten Zeiten überkommene Umgangstugend, eine Art fashionabler Sitte, von der sich weder der junge Elegant noch die junge Schöne ausschließt: selbst Bettina verrätht in ihrem Briefwechsel, daß sie zum Judenhaß erzogen wurde. Der alte reichsstädtische Uebermuth erprobte seine Kraft von jeher an der Hülflosigkeit der Juden, wofür nicht nur in Frankfurt Gemälde zeugen, die früher dort an öffentlichen Gebäuden die Unterdrückung der Schutzbürger versinnlichten, sondern noch eine Menge von Sitten und Rechten, die, da sie gesetzlich nicht aufgehoben sind, jeder Christ gegen einen Juden in Anwendung bringen dürfte, wenn sie durch die fortschreitende Bildung der Zeit nicht in Vergessenheit gekommen wären. Zu Börne’s Jugendzeit wurden noch die Juden um eine bestimmte Stunde der Nacht in ihrem traurigen Quartier, der von Spindler zum Schauplatz eines Romans gewählten Judengasse, eingeschlossen; auf ihren Spaziergängen um den Wall durften sie nur den Fahr- nicht den Fußweg betreten; das Mach Mores, Jud! hat bekanntlich
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