Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.seines Gewerbes; aber der jüdische Gelehrte ist auf die traurigste Vereinsamung mit seinem Schmerze angewiesen. Hat er die Jugend mit den Nadelstichen für seinen Ehrgeiz hinter sich, so ist ihm nun die ganze Zukunft versperrt. Er hat die Früchte der Wissenschaft und Kunst brechen gelernt so wie wir, aber er darf sie nicht genießen. Alle Voraussetzungen der Bildung sind bei ihm dieselben wie beim Christen, ja er kann durch wissenschaftliche Einsicht sogar vom Christenthum eine höhere Idee haben, als mancher christliche Gelehrte sie hat, und doch bleibt er ausgeschlossen von einer Wirksamkeit für das Allgemeine, und muß, beschränkt auf seine Glaubensgenossen, eine Bitterkeit nähren, die seinem versöhnlichen Herzen sonst vielleicht ganz fremd geblieben wäre. Aber Börne war noch unglücklicher als ein Jude; er war ein Jude in Frankfurt am Main! Ueberall pflegt doch wenigstens die Bildung den Juden für den Umgang in der Gesellschaft zu emanzipiren; in Berlin und Wien findet unter diesen Umständen kein Unterschied mehr zwischen den Bekennern beider Religionen Statt. Aber in Frankfurt ist die Schranke für das ganze Leben gezogen; denn selbst in Hamburg tritt die Großartigkeit des Weltverkehrs und der rein unter- seines Gewerbes; aber der jüdische Gelehrte ist auf die traurigste Vereinsamung mit seinem Schmerze angewiesen. Hat er die Jugend mit den Nadelstichen für seinen Ehrgeiz hinter sich, so ist ihm nun die ganze Zukunft versperrt. Er hat die Früchte der Wissenschaft und Kunst brechen gelernt so wie wir, aber er darf sie nicht genießen. Alle Voraussetzungen der Bildung sind bei ihm dieselben wie beim Christen, ja er kann durch wissenschaftliche Einsicht sogar vom Christenthum eine höhere Idee haben, als mancher christliche Gelehrte sie hat, und doch bleibt er ausgeschlossen von einer Wirksamkeit für das Allgemeine, und muß, beschränkt auf seine Glaubensgenossen, eine Bitterkeit nähren, die seinem versöhnlichen Herzen sonst vielleicht ganz fremd geblieben wäre. Aber Börne war noch unglücklicher als ein Jude; er war ein Jude in Frankfurt am Main! Ueberall pflegt doch wenigstens die Bildung den Juden für den Umgang in der Gesellschaft zu emanzipiren; in Berlin und Wien findet unter diesen Umständen kein Unterschied mehr zwischen den Bekennern beider Religionen Statt. Aber in Frankfurt ist die Schranke für das ganze Leben gezogen; denn selbst in Hamburg tritt die Großartigkeit des Weltverkehrs und der rein unter- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0064" n="22"/> seines Gewerbes; aber der jüdische Gelehrte ist auf die traurigste Vereinsamung mit seinem Schmerze angewiesen. Hat er die Jugend mit den Nadelstichen für seinen Ehrgeiz hinter sich, so ist ihm nun die ganze Zukunft versperrt. Er hat die Früchte der Wissenschaft und Kunst brechen gelernt so wie wir, aber er darf sie nicht genießen. Alle Voraussetzungen der Bildung sind bei ihm dieselben wie beim Christen, ja er kann durch wissenschaftliche Einsicht sogar vom Christenthum eine höhere Idee haben, als mancher christliche Gelehrte sie hat, und doch bleibt er ausgeschlossen von einer Wirksamkeit für das Allgemeine, und muß, beschränkt auf seine Glaubensgenossen, eine Bitterkeit nähren, die seinem versöhnlichen Herzen sonst vielleicht ganz fremd geblieben wäre.</p> <p>Aber Börne war noch unglücklicher als ein Jude; er war ein Jude in Frankfurt am Main! Ueberall pflegt doch wenigstens die Bildung den Juden für den <hi rendition="#g">Umgang in der Gesellschaft</hi> zu emanzipiren; in Berlin und Wien findet unter diesen Umständen kein Unterschied mehr zwischen den Bekennern beider Religionen Statt. Aber in Frankfurt ist die Schranke für das ganze Leben gezogen; denn selbst in Hamburg tritt die Großartigkeit des Weltverkehrs und der rein unter- </p> </div> </body> </text> </TEI> [22/0064]
seines Gewerbes; aber der jüdische Gelehrte ist auf die traurigste Vereinsamung mit seinem Schmerze angewiesen. Hat er die Jugend mit den Nadelstichen für seinen Ehrgeiz hinter sich, so ist ihm nun die ganze Zukunft versperrt. Er hat die Früchte der Wissenschaft und Kunst brechen gelernt so wie wir, aber er darf sie nicht genießen. Alle Voraussetzungen der Bildung sind bei ihm dieselben wie beim Christen, ja er kann durch wissenschaftliche Einsicht sogar vom Christenthum eine höhere Idee haben, als mancher christliche Gelehrte sie hat, und doch bleibt er ausgeschlossen von einer Wirksamkeit für das Allgemeine, und muß, beschränkt auf seine Glaubensgenossen, eine Bitterkeit nähren, die seinem versöhnlichen Herzen sonst vielleicht ganz fremd geblieben wäre.
Aber Börne war noch unglücklicher als ein Jude; er war ein Jude in Frankfurt am Main! Ueberall pflegt doch wenigstens die Bildung den Juden für den Umgang in der Gesellschaft zu emanzipiren; in Berlin und Wien findet unter diesen Umständen kein Unterschied mehr zwischen den Bekennern beider Religionen Statt. Aber in Frankfurt ist die Schranke für das ganze Leben gezogen; denn selbst in Hamburg tritt die Großartigkeit des Weltverkehrs und der rein unter-
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