Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.men der Gemeinde niedergesetzt wurden. Er war Mitglied jener Botschaft, welche die Frankfurter Juden auf den Wiener Congreß schickten, um ihr wohlerworbenes Bürgerrecht gegen die Eingriffe der Restauration zu sichern. Ein ihm dafür von der Gemeinde angebotenes Geschenk von Fl. 8000. wies er zurück*). In seiner Häuslichkeit war Börne's Vater nicht ohne Liebe; aber er hatte den Grundsatz, daß man seine Liebe verbergen müsse: er gab sich den Schein der Strenge, ohne deßhalb verhindern zu können, daß sich die Kinder an die Maske, nicht an das, was dahinter steckte, gewöhnten. Börne sagte einmal von seinem Vater: "Er hat zu viel Verstand für seine Stellung" und schien damit ausdrücken zu wollen, daß er sich den Umständen unterzuordnen pflegte; eine Tugend, die er so gern auch bei seinem Sohne ausgebildet hätte. Es gelang ihm nicht und daher die fortdauernde Spannung zwischen beiden. Die politischen Grund- *) Börne's Familie bezieht noch jetzt von der jüdischen Gemeinde in Bonn eine Geldsteuer von nicht viel mehr als jährlich einen Gulden. Sie soll den Dank versinnlichen, die sie für eine vom Großvater geleistete Gefälligkeit ihm und seinen Nachkommen schuldig ist.
men der Gemeinde niedergesetzt wurden. Er war Mitglied jener Botschaft, welche die Frankfurter Juden auf den Wiener Congreß schickten, um ihr wohlerworbenes Bürgerrecht gegen die Eingriffe der Restauration zu sichern. Ein ihm dafür von der Gemeinde angebotenes Geschenk von Fl. 8000. wies er zurück*). In seiner Häuslichkeit war Börne’s Vater nicht ohne Liebe; aber er hatte den Grundsatz, daß man seine Liebe verbergen müsse: er gab sich den Schein der Strenge, ohne deßhalb verhindern zu können, daß sich die Kinder an die Maske, nicht an das, was dahinter steckte, gewöhnten. Börne sagte einmal von seinem Vater: „Er hat zu viel Verstand für seine Stellung“ und schien damit ausdrücken zu wollen, daß er sich den Umständen unterzuordnen pflegte; eine Tugend, die er so gern auch bei seinem Sohne ausgebildet hätte. Es gelang ihm nicht und daher die fortdauernde Spannung zwischen beiden. Die politischen Grund- *) Börne’s Familie bezieht noch jetzt von der jüdischen Gemeinde in Bonn eine Geldsteuer von nicht viel mehr als jährlich einen Gulden. Sie soll den Dank versinnlichen, die sie für eine vom Großvater geleistete Gefälligkeit ihm und seinen Nachkommen schuldig ist.
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men der Gemeinde niedergesetzt wurden. Er war Mitglied jener Botschaft, welche die Frankfurter Juden auf den Wiener Congreß schickten, um ihr wohlerworbenes Bürgerrecht gegen die Eingriffe der Restauration zu sichern. Ein ihm dafür von der Gemeinde angebotenes Geschenk von Fl. 8000. wies er zurück *). In seiner Häuslichkeit war Börne’s Vater nicht ohne Liebe; aber er hatte den Grundsatz, daß man seine Liebe verbergen müsse: er gab sich den Schein der Strenge, ohne deßhalb verhindern zu können, daß sich die Kinder an die Maske, nicht an das, was dahinter steckte, gewöhnten. Börne sagte einmal von seinem Vater: „Er hat zu viel Verstand für seine Stellung“ und schien damit ausdrücken zu wollen, daß er sich den Umständen unterzuordnen pflegte; eine Tugend, die er so gern auch bei seinem Sohne ausgebildet hätte. Es gelang ihm nicht und daher die fortdauernde Spannung zwischen beiden. Die politischen Grund-
*) Börne’s Familie bezieht noch jetzt von der jüdischen Gemeinde in Bonn eine Geldsteuer von nicht viel mehr als jährlich einen Gulden. Sie soll den Dank versinnlichen, die sie für eine vom Großvater geleistete Gefälligkeit ihm und seinen Nachkommen schuldig ist.
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