Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.durften den Segler nur aus ihrem Quartier verfolgen. Reisten hohe Herrschaften durch die Stadt und wurden mit Festlichkeiten geehrt, so schloß man die Juden in ihrer Gasse ab oder fieng sie auf, wie bei der Krönung Leopold des Ersten, wo die angesehnsten Mitglieder der jüdischen Gemeinde auf der Straße arretirt und in die Hauptwache geführt wurden. Die meisten Gasthäuser waren ihnen untersagt. Auf dem jetzt eingegangenen Schneidewall, im Roß, auf dem Römerberg an der Seite des Römers, in der Allee, durfte kein Jude sich betreffen lassen; man hatte den Grundsatz: "wo ein grüner Raum kein Jude!" Jeden Sonntag, um 4 Uhr Nachmittags, wurden die Thore der Judengasse verschlossen und nur derjenige wurde aus- und eingelassen, der einen Brief zur Post oder ein Rezept in die Apotheke trug. Wache stand am Thore, und finster sagte einmal der Knabe Börne: "Ich gehe bloß nicht hinaus, weil der Soldat da stärker ist, als ich!" Und doch konnte sich der Knabe, der schon frühe großen Hang zur Wohlthätigkeit zeigte, entschließen, als er von zwei Bettelknaben, einem jüdischen und einem christlichen, angesprochen wurde, seinen Almosen dem letztern zu geben. Warum giebst du deinem Volke nicht den Vorzug? fragte der Lehrer, verwundert und durften den Segler nur aus ihrem Quartier verfolgen. Reisten hohe Herrschaften durch die Stadt und wurden mit Festlichkeiten geehrt, so schloß man die Juden in ihrer Gasse ab oder fieng sie auf, wie bei der Krönung Leopold des Ersten, wo die angesehnsten Mitglieder der jüdischen Gemeinde auf der Straße arretirt und in die Hauptwache geführt wurden. Die meisten Gasthäuser waren ihnen untersagt. Auf dem jetzt eingegangenen Schneidewall, im Roß, auf dem Römerberg an der Seite des Römers, in der Allée, durfte kein Jude sich betreffen lassen; man hatte den Grundsatz: „wo ein grüner Raum kein Jude!“ Jeden Sonntag, um 4 Uhr Nachmittags, wurden die Thore der Judengasse verschlossen und nur derjenige wurde aus- und eingelassen, der einen Brief zur Post oder ein Rezept in die Apotheke trug. Wache stand am Thore, und finster sagte einmal der Knabe Börne: „Ich gehe bloß nicht hinaus, weil der Soldat da stärker ist, als ich!“ Und doch konnte sich der Knabe, der schon frühe großen Hang zur Wohlthätigkeit zeigte, entschließen, als er von zwei Bettelknaben, einem jüdischen und einem christlichen, angesprochen wurde, seinen Almosen dem letztern zu geben. Warum giebst du deinem Volke nicht den Vorzug? fragte der Lehrer, verwundert und <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0086" n="44"/> durften den Segler nur aus ihrem Quartier verfolgen. Reisten hohe Herrschaften durch die Stadt und wurden mit Festlichkeiten geehrt, so schloß man die Juden in ihrer Gasse ab oder fieng sie auf, wie bei der Krönung Leopold des Ersten, wo die angesehnsten Mitglieder der jüdischen Gemeinde auf der Straße arretirt und in die Hauptwache geführt wurden. Die meisten Gasthäuser waren ihnen untersagt. Auf dem jetzt eingegangenen Schneidewall, im Roß, auf dem Römerberg an der Seite des Römers, in der Allée, durfte kein Jude sich betreffen lassen; man hatte den Grundsatz: „wo ein grüner Raum kein Jude!“ Jeden Sonntag, um 4 Uhr Nachmittags, wurden die Thore der Judengasse verschlossen und nur derjenige wurde aus- und eingelassen, der einen Brief zur Post oder ein Rezept in die Apotheke trug. Wache stand am Thore, und finster sagte einmal der Knabe Börne: „Ich gehe bloß nicht hinaus, weil der Soldat da stärker ist, als ich!“ Und doch konnte sich der Knabe, der schon frühe großen Hang zur Wohlthätigkeit zeigte, entschließen, als er von zwei Bettelknaben, einem jüdischen und einem christlichen, angesprochen wurde, seinen Almosen dem letztern zu geben. Warum giebst du deinem Volke nicht den Vorzug? fragte der Lehrer, verwundert und </p> </div> </body> </text> </TEI> [44/0086]
durften den Segler nur aus ihrem Quartier verfolgen. Reisten hohe Herrschaften durch die Stadt und wurden mit Festlichkeiten geehrt, so schloß man die Juden in ihrer Gasse ab oder fieng sie auf, wie bei der Krönung Leopold des Ersten, wo die angesehnsten Mitglieder der jüdischen Gemeinde auf der Straße arretirt und in die Hauptwache geführt wurden. Die meisten Gasthäuser waren ihnen untersagt. Auf dem jetzt eingegangenen Schneidewall, im Roß, auf dem Römerberg an der Seite des Römers, in der Allée, durfte kein Jude sich betreffen lassen; man hatte den Grundsatz: „wo ein grüner Raum kein Jude!“ Jeden Sonntag, um 4 Uhr Nachmittags, wurden die Thore der Judengasse verschlossen und nur derjenige wurde aus- und eingelassen, der einen Brief zur Post oder ein Rezept in die Apotheke trug. Wache stand am Thore, und finster sagte einmal der Knabe Börne: „Ich gehe bloß nicht hinaus, weil der Soldat da stärker ist, als ich!“ Und doch konnte sich der Knabe, der schon frühe großen Hang zur Wohlthätigkeit zeigte, entschließen, als er von zwei Bettelknaben, einem jüdischen und einem christlichen, angesprochen wurde, seinen Almosen dem letztern zu geben. Warum giebst du deinem Volke nicht den Vorzug? fragte der Lehrer, verwundert und
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/86>, abgerufen am 16.02.2025. |