Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Napoleoniden.
len gezeigt. Ludwig hatte einen sanfteren Charakter, mit
einem Anstrich von Schwärmerei, die eine gute Ent¬
schuldigung seines Phlegma's war. Hieronymus endlich,
der schon in dem Glanze seiner Familie erzogen wurde,
nahm früh die Eigenschaften, welche ächtes prinzliches
Blut zu begleiten pflegen, in sich auf, im Guten wie
im Bösen. Napoleon konnte deshalb auch daran den¬
ken, sie zu seinen Zwecken zu benutzen, während sonst
das Genie immer Noth hat, die Misere seiner Herkunft
und Verwandtschaft zu verdecken.

Anfangs wollte er sich aus ihnen nur Umgebungen
schaffen, die ein feines Ohr, verschwiegenen Mund und
beredte Zunge hätten; es fehlte ihm an Treue, Sicher¬
heit und Spionen des ersten Ranges; er hatte so man¬
ches Amt zu vergeben, das er von der Zuverlässigkeit
bekleidet wünschte; ja er sah so viele freie Hände ein¬
flußreicher Schönheiten, daß er nicht Männer genug
haben konnte, denen er diese aufbewahrte.

Diese letzte Kombination war die erste, welche ihm
fehlschlug; denn so leicht es ihm wurde, den Ehrgeiz
seiner Brüder zu lenken, so aufsätzig zeigten sie sich doch,
als er ihren Herzen die freie Wahl nehmen wollte.
Die schöne Jouberton, die Patterson gehörten nicht in

Die Napoleoniden.
len gezeigt. Ludwig hatte einen ſanfteren Charakter, mit
einem Anſtrich von Schwaͤrmerei, die eine gute Ent¬
ſchuldigung ſeines Phlegma's war. Hieronymus endlich,
der ſchon in dem Glanze ſeiner Familie erzogen wurde,
nahm fruͤh die Eigenſchaften, welche aͤchtes prinzliches
Blut zu begleiten pflegen, in ſich auf, im Guten wie
im Boͤſen. Napoleon konnte deshalb auch daran den¬
ken, ſie zu ſeinen Zwecken zu benutzen, waͤhrend ſonſt
das Genie immer Noth hat, die Miſere ſeiner Herkunft
und Verwandtſchaft zu verdecken.

Anfangs wollte er ſich aus ihnen nur Umgebungen
ſchaffen, die ein feines Ohr, verſchwiegenen Mund und
beredte Zunge haͤtten; es fehlte ihm an Treue, Sicher¬
heit und Spionen des erſten Ranges; er hatte ſo man¬
ches Amt zu vergeben, das er von der Zuverlaͤſſigkeit
bekleidet wuͤnſchte; ja er ſah ſo viele freie Haͤnde ein¬
flußreicher Schoͤnheiten, daß er nicht Maͤnner genug
haben konnte, denen er dieſe aufbewahrte.

Dieſe letzte Kombination war die erſte, welche ihm
fehlſchlug; denn ſo leicht es ihm wurde, den Ehrgeiz
ſeiner Bruͤder zu lenken, ſo aufſaͤtzig zeigten ſie ſich doch,
als er ihren Herzen die freie Wahl nehmen wollte.
Die ſchoͤne Jouberton, die Patterſon gehoͤrten nicht in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0140" n="122"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Napoleoniden</hi>.<lb/></fw>len gezeigt. Ludwig hatte einen &#x017F;anfteren Charakter, mit<lb/>
einem An&#x017F;trich von Schwa&#x0364;rmerei, die eine gute Ent¬<lb/>
&#x017F;chuldigung &#x017F;eines Phlegma's war. Hieronymus endlich,<lb/>
der &#x017F;chon in dem Glanze &#x017F;einer Familie erzogen wurde,<lb/>
nahm fru&#x0364;h die Eigen&#x017F;chaften, welche a&#x0364;chtes prinzliches<lb/>
Blut zu begleiten pflegen, in &#x017F;ich auf, im Guten wie<lb/>
im Bo&#x0364;&#x017F;en. Napoleon konnte deshalb auch daran den¬<lb/>
ken, &#x017F;ie zu &#x017F;einen Zwecken zu benutzen, wa&#x0364;hrend &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
das Genie immer Noth hat, die Mi&#x017F;ere &#x017F;einer Herkunft<lb/>
und Verwandt&#x017F;chaft zu verdecken.</p><lb/>
        <p>Anfangs wollte er &#x017F;ich aus ihnen nur Umgebungen<lb/>
&#x017F;chaffen, die ein feines Ohr, ver&#x017F;chwiegenen Mund und<lb/>
beredte Zunge ha&#x0364;tten; es fehlte ihm an Treue, Sicher¬<lb/>
heit und Spionen des er&#x017F;ten Ranges; er hatte &#x017F;o man¬<lb/>
ches Amt zu vergeben, das er von der Zuverla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit<lb/>
bekleidet wu&#x0364;n&#x017F;chte; ja er &#x017F;ah &#x017F;o viele freie Ha&#x0364;nde ein¬<lb/>
flußreicher Scho&#x0364;nheiten, daß er nicht Ma&#x0364;nner genug<lb/>
haben konnte, denen er die&#x017F;e aufbewahrte.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e letzte Kombination war die er&#x017F;te, welche ihm<lb/>
fehl&#x017F;chlug; denn &#x017F;o leicht es ihm wurde, den Ehrgeiz<lb/>
&#x017F;einer Bru&#x0364;der zu lenken, &#x017F;o auf&#x017F;a&#x0364;tzig zeigten &#x017F;ie &#x017F;ich doch,<lb/>
als er ihren Herzen die freie Wahl nehmen wollte.<lb/>
Die &#x017F;cho&#x0364;ne Jouberton, die Patter&#x017F;on geho&#x0364;rten nicht in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0140] Die Napoleoniden. len gezeigt. Ludwig hatte einen ſanfteren Charakter, mit einem Anſtrich von Schwaͤrmerei, die eine gute Ent¬ ſchuldigung ſeines Phlegma's war. Hieronymus endlich, der ſchon in dem Glanze ſeiner Familie erzogen wurde, nahm fruͤh die Eigenſchaften, welche aͤchtes prinzliches Blut zu begleiten pflegen, in ſich auf, im Guten wie im Boͤſen. Napoleon konnte deshalb auch daran den¬ ken, ſie zu ſeinen Zwecken zu benutzen, waͤhrend ſonſt das Genie immer Noth hat, die Miſere ſeiner Herkunft und Verwandtſchaft zu verdecken. Anfangs wollte er ſich aus ihnen nur Umgebungen ſchaffen, die ein feines Ohr, verſchwiegenen Mund und beredte Zunge haͤtten; es fehlte ihm an Treue, Sicher¬ heit und Spionen des erſten Ranges; er hatte ſo man¬ ches Amt zu vergeben, das er von der Zuverlaͤſſigkeit bekleidet wuͤnſchte; ja er ſah ſo viele freie Haͤnde ein¬ flußreicher Schoͤnheiten, daß er nicht Maͤnner genug haben konnte, denen er dieſe aufbewahrte. Dieſe letzte Kombination war die erſte, welche ihm fehlſchlug; denn ſo leicht es ihm wurde, den Ehrgeiz ſeiner Bruͤder zu lenken, ſo aufſaͤtzig zeigten ſie ſich doch, als er ihren Herzen die freie Wahl nehmen wollte. Die ſchoͤne Jouberton, die Patterſon gehoͤrten nicht in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/140
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/140>, abgerufen am 21.11.2024.