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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

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Die Napoleoniden.
aber der weise Kardinal fährt grausam fort: "Ich hatte
den Papst in der Hand, den heiligen Vater, welcher
es gut mit dem abtrünnigen Sohne der Kirche meinte.
Ich schloß das Konkordat, was dem übermüthigen Kna¬
ben mißfiel, ich hätte Alles machen können; aber
wollte er?"

Und die alte Dame seufzt wieder und spricht mit
jener fürchterlich rauhen Stimme, welche mich vor alten
Italienerinnen immer zittern machte: "Ach, er glaubte
nichts: ob er wohl in den Himmel kömmt, Fesch?"
Fesch ist grausam, zuckt die Achseln und murmelt: "Er
hat uns unglücklich gemacht!" Wahrhaftig, so sprechen
die Menschen über eine Unsterblichkeit, an welcher sie
die einzigen Nebelflecken sind.

Napoleons Brüder waren nicht ohne Fähigkeiten;
sie hatten eine gute Erziehung genossen, und für den
jüngsten, für Hieronymus, sorgte der Aeltere deshalb
selbst. Joseph war sogar außer dem Ehebett erzeugt,
und konnte wie Edmund im Lear sich dieses Vorzuges
rühmen, welchen die Natur den nicht zwischen Schlaf
und Wachen Empfangenen zu gestatten pflegt. Lucian
besaß mehr Feuer als die Uebrigen, war rasch im Han¬
deln, ohne sich um die Verantwortlichkeit zu kümmern, und
hat seinem Bruder gegenüber immer einen festen Wil¬

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Die Napoleoniden.
aber der weiſe Kardinal faͤhrt grauſam fort: „Ich hatte
den Papſt in der Hand, den heiligen Vater, welcher
es gut mit dem abtruͤnnigen Sohne der Kirche meinte.
Ich ſchloß das Konkordat, was dem uͤbermuͤthigen Kna¬
ben mißfiel, ich haͤtte Alles machen koͤnnen; aber
wollte er?“

Und die alte Dame ſeufzt wieder und ſpricht mit
jener fuͤrchterlich rauhen Stimme, welche mich vor alten
Italienerinnen immer zittern machte: „Ach, er glaubte
nichts: ob er wohl in den Himmel koͤmmt, Feſch?“
Feſch iſt grauſam, zuckt die Achſeln und murmelt: „Er
hat uns ungluͤcklich gemacht!“ Wahrhaftig, ſo ſprechen
die Menſchen uͤber eine Unſterblichkeit, an welcher ſie
die einzigen Nebelflecken ſind.

Napoleons Bruͤder waren nicht ohne Faͤhigkeiten;
ſie hatten eine gute Erziehung genoſſen, und fuͤr den
juͤngſten, fuͤr Hieronymus, ſorgte der Aeltere deshalb
ſelbſt. Joſeph war ſogar außer dem Ehebett erzeugt,
und konnte wie Edmund im Lear ſich dieſes Vorzuges
ruͤhmen, welchen die Natur den nicht zwiſchen Schlaf
und Wachen Empfangenen zu geſtatten pflegt. Lucian
beſaß mehr Feuer als die Uebrigen, war raſch im Han¬
deln, ohne ſich um die Verantwortlichkeit zu kuͤmmern, und
hat ſeinem Bruder gegenuͤber immer einen feſten Wil¬

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[121/0139] Die Napoleoniden. aber der weiſe Kardinal faͤhrt grauſam fort: „Ich hatte den Papſt in der Hand, den heiligen Vater, welcher es gut mit dem abtruͤnnigen Sohne der Kirche meinte. Ich ſchloß das Konkordat, was dem uͤbermuͤthigen Kna¬ ben mißfiel, ich haͤtte Alles machen koͤnnen; aber wollte er?“ Und die alte Dame ſeufzt wieder und ſpricht mit jener fuͤrchterlich rauhen Stimme, welche mich vor alten Italienerinnen immer zittern machte: „Ach, er glaubte nichts: ob er wohl in den Himmel koͤmmt, Feſch?“ Feſch iſt grauſam, zuckt die Achſeln und murmelt: „Er hat uns ungluͤcklich gemacht!“ Wahrhaftig, ſo ſprechen die Menſchen uͤber eine Unſterblichkeit, an welcher ſie die einzigen Nebelflecken ſind. Napoleons Bruͤder waren nicht ohne Faͤhigkeiten; ſie hatten eine gute Erziehung genoſſen, und fuͤr den juͤngſten, fuͤr Hieronymus, ſorgte der Aeltere deshalb ſelbſt. Joſeph war ſogar außer dem Ehebett erzeugt, und konnte wie Edmund im Lear ſich dieſes Vorzuges ruͤhmen, welchen die Natur den nicht zwiſchen Schlaf und Wachen Empfangenen zu geſtatten pflegt. Lucian beſaß mehr Feuer als die Uebrigen, war raſch im Han¬ deln, ohne ſich um die Verantwortlichkeit zu kuͤmmern, und hat ſeinem Bruder gegenuͤber immer einen feſten Wil¬ 8 **

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/139>, abgerufen am 21.11.2024.