Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Die Napoleoniden. was er damals Alles thun mußte, ohne zur Besinnungzu kommen. Acht Jahre hindurch hat er in einer ängst¬ lichen Verlegenheit gelebt, vor Niemandem mehr zit¬ ternd als vor dem, der ihn mit Ehren überhäufte. Weil er kein böses Herz hat, so glaubte er, daß seine Völker unter ihm sich sehr glücklich müssen befunden haben, und dies ist ein Trost, den er mit ins Grab zu nehmen gedenkt. Er besinnt sich etwas schwer auf seine wunderbare Vergangenheit, nur die Beleidigungen sind ihm unvergeßlich, welche ihm die kühnen Marschälle und Schildträger seines geharnischten Bruders kek ins Gesicht sagten; doch hat er ihnen Alles vergeben, er ist der gutmüthigste Mann in Nordamerika. Statt Macchiavells Fürsten studirt er jetzt -- und ich be¬ trachte dies als seine ehrenwertheste Seite -- rationelle Landwirthschaft, wittert Kohlenlager aus, und läßt den Delaware ausschlämmen, welcher an seinen Besitzungen vorbeifließt. Er besucht die quäkerische Stadt Phila¬ delphia gern, und liebt es, von alten Dingen zu spre¬ chen. Seine Gemahlin, eine Kaufmannstochter, und Schwägerin des jetzigen Königs von Schweden, ist keine so große Freundin der rationellen Landwirthschaft, sie hat ihn mit ihren beiden Töchtern verlassen, und ziert mit ihnen die bekannten Bonapartistischen Salons in Florenz. Die Napoleoniden. was er damals Alles thun mußte, ohne zur Beſinnungzu kommen. Acht Jahre hindurch hat er in einer aͤngſt¬ lichen Verlegenheit gelebt, vor Niemandem mehr zit¬ ternd als vor dem, der ihn mit Ehren uͤberhaͤufte. Weil er kein boͤſes Herz hat, ſo glaubte er, daß ſeine Voͤlker unter ihm ſich ſehr gluͤcklich muͤſſen befunden haben, und dies iſt ein Troſt, den er mit ins Grab zu nehmen gedenkt. Er beſinnt ſich etwas ſchwer auf ſeine wunderbare Vergangenheit, nur die Beleidigungen ſind ihm unvergeßlich, welche ihm die kuͤhnen Marſchaͤlle und Schildtraͤger ſeines geharniſchten Bruders kek ins Geſicht ſagten; doch hat er ihnen Alles vergeben, er iſt der gutmuͤthigſte Mann in Nordamerika. Statt Macchiavells Fuͤrſten ſtudirt er jetzt — und ich be¬ trachte dies als ſeine ehrenwertheſte Seite — rationelle Landwirthſchaft, wittert Kohlenlager aus, und laͤßt den Delaware ausſchlaͤmmen, welcher an ſeinen Beſitzungen vorbeifließt. Er beſucht die quaͤkeriſche Stadt Phila¬ delphia gern, und liebt es, von alten Dingen zu ſpre¬ chen. Seine Gemahlin, eine Kaufmannstochter, und Schwaͤgerin des jetzigen Koͤnigs von Schweden, iſt keine ſo große Freundin der rationellen Landwirthſchaft, ſie hat ihn mit ihren beiden Toͤchtern verlaſſen, und ziert mit ihnen die bekannten Bonapartiſtiſchen Salons in Florenz. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0146" n="128"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Napoleoniden</hi>.<lb/></fw>was er damals Alles thun mußte, ohne zur Beſinnung<lb/> zu kommen. Acht Jahre hindurch hat er in einer aͤngſt¬<lb/> lichen Verlegenheit gelebt, vor Niemandem mehr zit¬<lb/> ternd als vor dem, der ihn mit Ehren uͤberhaͤufte.<lb/> Weil er kein boͤſes Herz hat, ſo glaubte er, daß ſeine<lb/> Voͤlker unter ihm ſich ſehr gluͤcklich muͤſſen befunden<lb/> haben, und dies iſt ein Troſt, den er mit ins Grab zu<lb/> nehmen gedenkt. Er beſinnt ſich etwas ſchwer auf ſeine<lb/> wunderbare Vergangenheit, nur die Beleidigungen ſind<lb/> ihm unvergeßlich, welche ihm die kuͤhnen Marſchaͤlle<lb/> und Schildtraͤger ſeines geharniſchten Bruders kek ins<lb/> Geſicht ſagten; doch hat er ihnen Alles vergeben, er<lb/> iſt der gutmuͤthigſte Mann in Nordamerika. Statt<lb/> Macchiavells Fuͤrſten ſtudirt er jetzt — und ich be¬<lb/> trachte dies als ſeine ehrenwertheſte Seite — rationelle<lb/> Landwirthſchaft, wittert Kohlenlager aus, und laͤßt den<lb/> Delaware ausſchlaͤmmen, welcher an ſeinen Beſitzungen<lb/> vorbeifließt. Er beſucht die quaͤkeriſche Stadt Phila¬<lb/> delphia gern, und liebt es, von alten Dingen zu ſpre¬<lb/> chen. Seine Gemahlin, eine Kaufmannstochter, und<lb/> Schwaͤgerin des jetzigen Koͤnigs von Schweden, iſt keine<lb/> ſo große Freundin der rationellen Landwirthſchaft, ſie hat<lb/> ihn mit ihren beiden Toͤchtern verlaſſen, und ziert mit<lb/> ihnen die bekannten Bonapartiſtiſchen Salons in Florenz.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [128/0146]
Die Napoleoniden.
was er damals Alles thun mußte, ohne zur Beſinnung
zu kommen. Acht Jahre hindurch hat er in einer aͤngſt¬
lichen Verlegenheit gelebt, vor Niemandem mehr zit¬
ternd als vor dem, der ihn mit Ehren uͤberhaͤufte.
Weil er kein boͤſes Herz hat, ſo glaubte er, daß ſeine
Voͤlker unter ihm ſich ſehr gluͤcklich muͤſſen befunden
haben, und dies iſt ein Troſt, den er mit ins Grab zu
nehmen gedenkt. Er beſinnt ſich etwas ſchwer auf ſeine
wunderbare Vergangenheit, nur die Beleidigungen ſind
ihm unvergeßlich, welche ihm die kuͤhnen Marſchaͤlle
und Schildtraͤger ſeines geharniſchten Bruders kek ins
Geſicht ſagten; doch hat er ihnen Alles vergeben, er
iſt der gutmuͤthigſte Mann in Nordamerika. Statt
Macchiavells Fuͤrſten ſtudirt er jetzt — und ich be¬
trachte dies als ſeine ehrenwertheſte Seite — rationelle
Landwirthſchaft, wittert Kohlenlager aus, und laͤßt den
Delaware ausſchlaͤmmen, welcher an ſeinen Beſitzungen
vorbeifließt. Er beſucht die quaͤkeriſche Stadt Phila¬
delphia gern, und liebt es, von alten Dingen zu ſpre¬
chen. Seine Gemahlin, eine Kaufmannstochter, und
Schwaͤgerin des jetzigen Koͤnigs von Schweden, iſt keine
ſo große Freundin der rationellen Landwirthſchaft, ſie hat
ihn mit ihren beiden Toͤchtern verlaſſen, und ziert mit
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