Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Die Napoleoniden. militairisch so straff zusammengehaltenen Gouvernement,wie das Königreich Italien war, hatte der Regent Muße genug, die Tugenden des Friedens zu zeigen, und die blutigen Lorbeeren durch Palmen zu verdecken. Napoleon wußte, daß des Prinzen Benehmen keinen Kontrast werfen sollte, daß es keine Rolle, sondern In¬ stinkt und Naturell war, und fürchtete die Vergötte¬ rung nicht, die Italien, excentrisch in Liebe und Haß, seinem Stellvertreter zollte. Und wenn dieser seine Er¬ scheinung darnach einrichtete, daß sie dem Kaiser nicht auffallen mußte, wenn er einen militairischen Erfolg auf Andere übertrug, und seinen Stiefvater mit Beschei¬ denheit und Liebkosung umarmte, so war dis weniger Maske, als Stimmung und Einsicht in den eignen Werth, der was Energie und Beruf anlangt, seiner hohen Stellung vielleicht nicht gewachsen war. Des Prinzen Verbindung mit einer deutschen Fürstin rettete ihn vor der Degradation: seine Kinder haben sogar bei den mannichfaltigen Wechselfällen der europäischen Po¬ litik Aussicht auf Avancement erhalten. Die griechi¬ sche Krone streifte nahe an dem Haupte seines ältesten Sohnes vorüber, dann die belgische; eine Schwester desselben trug einige Zeit hindurch die brasilische, eine andere ist Erbin des schwedischen, und eine dritte Erbin Die Napoleoniden. militairiſch ſo ſtraff zuſammengehaltenen Gouvernement,wie das Koͤnigreich Italien war, hatte der Regent Muße genug, die Tugenden des Friedens zu zeigen, und die blutigen Lorbeeren durch Palmen zu verdecken. Napoleon wußte, daß des Prinzen Benehmen keinen Kontraſt werfen ſollte, daß es keine Rolle, ſondern In¬ ſtinkt und Naturell war, und fuͤrchtete die Vergoͤtte¬ rung nicht, die Italien, excentriſch in Liebe und Haß, ſeinem Stellvertreter zollte. Und wenn dieſer ſeine Er¬ ſcheinung darnach einrichtete, daß ſie dem Kaiſer nicht auffallen mußte, wenn er einen militairiſchen Erfolg auf Andere uͤbertrug, und ſeinen Stiefvater mit Beſchei¬ denheit und Liebkoſung umarmte, ſo war dis weniger Maske, als Stimmung und Einſicht in den eignen Werth, der was Energie und Beruf anlangt, ſeiner hohen Stellung vielleicht nicht gewachſen war. Des Prinzen Verbindung mit einer deutſchen Fuͤrſtin rettete ihn vor der Degradation: ſeine Kinder haben ſogar bei den mannichfaltigen Wechſelfaͤllen der europaͤiſchen Po¬ litik Ausſicht auf Avancement erhalten. Die griechi¬ ſche Krone ſtreifte nahe an dem Haupte ſeines aͤlteſten Sohnes voruͤber, dann die belgiſche; eine Schweſter deſſelben trug einige Zeit hindurch die braſiliſche, eine andere iſt Erbin des ſchwediſchen, und eine dritte Erbin <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0156" n="138"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Napoleoniden</hi>.<lb/></fw>militairiſch ſo ſtraff zuſammengehaltenen Gouvernement,<lb/> wie das Koͤnigreich Italien war, hatte der Regent<lb/> Muße genug, die Tugenden des Friedens zu zeigen,<lb/> und die blutigen Lorbeeren durch Palmen zu verdecken.<lb/> Napoleon wußte, daß des Prinzen Benehmen keinen<lb/> Kontraſt werfen ſollte, daß es keine Rolle, ſondern In¬<lb/> ſtinkt und Naturell war, und fuͤrchtete die Vergoͤtte¬<lb/> rung nicht, die Italien, excentriſch in Liebe und Haß,<lb/> ſeinem Stellvertreter zollte. Und wenn dieſer ſeine Er¬<lb/> ſcheinung darnach einrichtete, daß ſie dem Kaiſer nicht<lb/> auffallen mußte, wenn er einen militairiſchen Erfolg auf<lb/> Andere uͤbertrug, und ſeinen Stiefvater mit Beſchei¬<lb/> denheit und Liebkoſung umarmte, ſo war dis weniger<lb/> Maske, als Stimmung und Einſicht in den eignen<lb/> Werth, der was Energie und Beruf anlangt, ſeiner<lb/> hohen Stellung vielleicht nicht gewachſen war. Des<lb/> Prinzen Verbindung mit einer deutſchen Fuͤrſtin rettete<lb/> ihn vor der Degradation: ſeine Kinder haben ſogar bei<lb/> den mannichfaltigen Wechſelfaͤllen der europaͤiſchen Po¬<lb/> litik Ausſicht auf Avancement erhalten. Die griechi¬<lb/> ſche Krone ſtreifte nahe an dem Haupte ſeines aͤlteſten<lb/> Sohnes voruͤber, dann die belgiſche; eine Schweſter<lb/> deſſelben trug einige Zeit hindurch die braſiliſche, eine<lb/> andere iſt Erbin des ſchwediſchen, und eine dritte Erbin<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [138/0156]
Die Napoleoniden.
militairiſch ſo ſtraff zuſammengehaltenen Gouvernement,
wie das Koͤnigreich Italien war, hatte der Regent
Muße genug, die Tugenden des Friedens zu zeigen,
und die blutigen Lorbeeren durch Palmen zu verdecken.
Napoleon wußte, daß des Prinzen Benehmen keinen
Kontraſt werfen ſollte, daß es keine Rolle, ſondern In¬
ſtinkt und Naturell war, und fuͤrchtete die Vergoͤtte¬
rung nicht, die Italien, excentriſch in Liebe und Haß,
ſeinem Stellvertreter zollte. Und wenn dieſer ſeine Er¬
ſcheinung darnach einrichtete, daß ſie dem Kaiſer nicht
auffallen mußte, wenn er einen militairiſchen Erfolg auf
Andere uͤbertrug, und ſeinen Stiefvater mit Beſchei¬
denheit und Liebkoſung umarmte, ſo war dis weniger
Maske, als Stimmung und Einſicht in den eignen
Werth, der was Energie und Beruf anlangt, ſeiner
hohen Stellung vielleicht nicht gewachſen war. Des
Prinzen Verbindung mit einer deutſchen Fuͤrſtin rettete
ihn vor der Degradation: ſeine Kinder haben ſogar bei
den mannichfaltigen Wechſelfaͤllen der europaͤiſchen Po¬
litik Ausſicht auf Avancement erhalten. Die griechi¬
ſche Krone ſtreifte nahe an dem Haupte ſeines aͤlteſten
Sohnes voruͤber, dann die belgiſche; eine Schweſter
deſſelben trug einige Zeit hindurch die braſiliſche, eine
andere iſt Erbin des ſchwediſchen, und eine dritte Erbin
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