Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Wellington. im Kriege; denn im Frieden gibt es keine Soldaten,sondern nur Müßiggänger) immer ein Formular, eine Scheda des Ruhms, welche er nur auszufüllen braucht, während das größte Genie vergessen wird, da es kein Terrain hatte. Alle historische Größe besteht darin, daß man mit imposanten Unterlagen oder Werkzeugen denkt oder handelt, daß man mit Zahlen rechnet, welche so groß sind, wie Völker, Armeen, oder auch nur wie Departemente des Innern und Aeußern, Brigaden, Divisionen, tiefer, wohl nicht. Solche Rechenexempel sind oft leichter zu lösen, als die Aufgaben, z. B. des Schneiders, der bei einem Frack auch die Theile in der Hand hat, und wenn er das geistige Band, die Mode, so schön mit ihnen zusammenschmilzt, wie kein Gene¬ ral seine einzelnen Positionen, doch nie so viel Unsterb¬ lichkeit damit einernten wird, als dieser General. Dar¬ um drehet sich Alles, was den Ruhm betrifft. Diese Logik mit imposanten Begriffen gehört dazu, um die Aufmerksamkeit zu erregen, das heißt, oft nichts, als Geburt, Gunst, Zufall, Anciennetät. Dis wissen die Völker, und sind seither so kalt geworden gegen die Größen, welche ihre Situation patentirte; sie wollen nur die noch verehren, welche sich aus ihren angebor¬ nen Sphären herausmachen und eigne Welten schaffen. Wellington. im Kriege; denn im Frieden gibt es keine Soldaten,ſondern nur Muͤßiggaͤnger) immer ein Formular, eine Scheda des Ruhms, welche er nur auszufuͤllen braucht, waͤhrend das groͤßte Genie vergeſſen wird, da es kein Terrain hatte. Alle hiſtoriſche Groͤße beſteht darin, daß man mit impoſanten Unterlagen oder Werkzeugen denkt oder handelt, daß man mit Zahlen rechnet, welche ſo groß ſind, wie Voͤlker, Armeen, oder auch nur wie Departemente des Innern und Aeußern, Brigaden, Diviſionen, tiefer, wohl nicht. Solche Rechenexempel ſind oft leichter zu loͤſen, als die Aufgaben, z. B. des Schneiders, der bei einem Frack auch die Theile in der Hand hat, und wenn er das geiſtige Band, die Mode, ſo ſchoͤn mit ihnen zuſammenſchmilzt, wie kein Gene¬ ral ſeine einzelnen Poſitionen, doch nie ſo viel Unſterb¬ lichkeit damit einernten wird, als dieſer General. Dar¬ um drehet ſich Alles, was den Ruhm betrifft. Dieſe Logik mit impoſanten Begriffen gehoͤrt dazu, um die Aufmerkſamkeit zu erregen, das heißt, oft nichts, als Geburt, Gunſt, Zufall, Anciennetaͤt. Dis wiſſen die Voͤlker, und ſind ſeither ſo kalt geworden gegen die Groͤßen, welche ihre Situation patentirte; ſie wollen nur die noch verehren, welche ſich aus ihren angebor¬ nen Sphaͤren herausmachen und eigne Welten ſchaffen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0166" n="148"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Wellington</hi>.<lb/></fw> im Kriege; denn im Frieden gibt es keine Soldaten,<lb/> ſondern nur Muͤßiggaͤnger) immer ein Formular, eine<lb/> Scheda des Ruhms, welche er nur auszufuͤllen braucht,<lb/> waͤhrend das groͤßte Genie vergeſſen wird, da es kein<lb/> Terrain hatte. Alle hiſtoriſche Groͤße beſteht darin,<lb/> daß man mit impoſanten Unterlagen oder Werkzeugen<lb/> denkt oder handelt, daß man mit Zahlen rechnet, welche<lb/> ſo groß ſind, wie Voͤlker, Armeen, oder auch nur wie<lb/> Departemente des Innern und Aeußern, Brigaden,<lb/> Diviſionen, tiefer, wohl nicht. Solche Rechenexempel<lb/> ſind oft leichter zu loͤſen, als die Aufgaben, z. B. des<lb/> Schneiders, der bei einem Frack auch die Theile in der<lb/> Hand hat, und wenn er das geiſtige Band, die Mode,<lb/> ſo ſchoͤn mit ihnen zuſammenſchmilzt, wie kein Gene¬<lb/> ral ſeine einzelnen Poſitionen, doch nie ſo viel Unſterb¬<lb/> lichkeit damit einernten wird, als dieſer General. Dar¬<lb/> um drehet ſich Alles, was den Ruhm betrifft. Dieſe<lb/> Logik mit impoſanten Begriffen gehoͤrt dazu, um die<lb/> Aufmerkſamkeit zu erregen, das heißt, oft nichts, als<lb/> Geburt, Gunſt, Zufall, Anciennetaͤt. Dis wiſſen die<lb/> Voͤlker, und ſind ſeither ſo kalt geworden gegen die<lb/> Groͤßen, welche ihre Situation patentirte; ſie wollen<lb/> nur die noch verehren, welche ſich aus ihren angebor¬<lb/> nen Sphaͤren herausmachen und eigne Welten ſchaffen.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [148/0166]
Wellington.
im Kriege; denn im Frieden gibt es keine Soldaten,
ſondern nur Muͤßiggaͤnger) immer ein Formular, eine
Scheda des Ruhms, welche er nur auszufuͤllen braucht,
waͤhrend das groͤßte Genie vergeſſen wird, da es kein
Terrain hatte. Alle hiſtoriſche Groͤße beſteht darin,
daß man mit impoſanten Unterlagen oder Werkzeugen
denkt oder handelt, daß man mit Zahlen rechnet, welche
ſo groß ſind, wie Voͤlker, Armeen, oder auch nur wie
Departemente des Innern und Aeußern, Brigaden,
Diviſionen, tiefer, wohl nicht. Solche Rechenexempel
ſind oft leichter zu loͤſen, als die Aufgaben, z. B. des
Schneiders, der bei einem Frack auch die Theile in der
Hand hat, und wenn er das geiſtige Band, die Mode,
ſo ſchoͤn mit ihnen zuſammenſchmilzt, wie kein Gene¬
ral ſeine einzelnen Poſitionen, doch nie ſo viel Unſterb¬
lichkeit damit einernten wird, als dieſer General. Dar¬
um drehet ſich Alles, was den Ruhm betrifft. Dieſe
Logik mit impoſanten Begriffen gehoͤrt dazu, um die
Aufmerkſamkeit zu erregen, das heißt, oft nichts, als
Geburt, Gunſt, Zufall, Anciennetaͤt. Dis wiſſen die
Voͤlker, und ſind ſeither ſo kalt geworden gegen die
Groͤßen, welche ihre Situation patentirte; ſie wollen
nur die noch verehren, welche ſich aus ihren angebor¬
nen Sphaͤren herausmachen und eigne Welten ſchaffen.
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