Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Ancillon. ergrauten Staatsdiener fast alle gemacht haben. Die¬ser Gang ist friedlich, ohne Stürme, man hat Zeit, sich einen Privatcharakter für den Umgang nach be¬ liebigem Gefallen zu bilden, und darf darauf rechnen, für sein geduldiges Fortziehen der Staatsmaschine eine Menge geräuschloser, kleiner Freuden zu genießen, seine Söhne heranwachsen zu sehen, seine Töchter an solide Eidame zu verheirathen, seine Witwe zu versorgen, und sonst die Zukunft und alle ihre Wechselfälle mit ruhiger Gewißheit abzuwarten. Nimmt diese politische Idylle einmal einen Auf¬ Es kann sich lange von einem solchen Ereignisse Ancillon. ergrauten Staatsdiener faſt alle gemacht haben. Die¬ſer Gang iſt friedlich, ohne Stuͤrme, man hat Zeit, ſich einen Privatcharakter fuͤr den Umgang nach be¬ liebigem Gefallen zu bilden, und darf darauf rechnen, fuͤr ſein geduldiges Fortziehen der Staatsmaſchine eine Menge geraͤuſchloſer, kleiner Freuden zu genießen, ſeine Soͤhne heranwachſen zu ſehen, ſeine Toͤchter an ſolide Eidame zu verheirathen, ſeine Witwe zu verſorgen, und ſonſt die Zukunft und alle ihre Wechſelfaͤlle mit ruhiger Gewißheit abzuwarten. Nimmt dieſe politiſche Idylle einmal einen Auf¬ Es kann ſich lange von einem ſolchen Ereigniſſe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0260" n="242"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ancillon</hi>.<lb/></fw>ergrauten Staatsdiener faſt alle gemacht haben. Die¬<lb/> ſer Gang iſt friedlich, ohne Stuͤrme, man hat Zeit,<lb/> ſich einen Privatcharakter fuͤr den Umgang nach be¬<lb/> liebigem Gefallen zu bilden, und darf darauf rechnen,<lb/> fuͤr ſein geduldiges Fortziehen der Staatsmaſchine eine<lb/> Menge geraͤuſchloſer, kleiner Freuden zu genießen, ſeine<lb/> Soͤhne heranwachſen zu ſehen, ſeine Toͤchter an ſolide<lb/> Eidame zu verheirathen, ſeine Witwe zu verſorgen,<lb/> und ſonſt die Zukunft und alle ihre Wechſelfaͤlle mit<lb/> ruhiger Gewißheit abzuwarten.</p><lb/> <p>Nimmt dieſe politiſche Idylle einmal einen Auf¬<lb/> ſchwung, ſo hat man eine Commiſſion in kuͤrzerer<lb/> Zeit beendet, als die Diaͤten gezahlt worden waͤren;<lb/> man entdeckt ein Complott oder einen finanziellen Rech¬<lb/> nungsfehler, mit welchem uͤber das ganze Syſtem der<lb/> vaterlaͤndiſchen Buͤreaukratie auf einen Monat haͤtte<lb/> Verwirrung kommen koͤnnen; man hat geſunde Staats¬<lb/> ſchuldentilgungseinfaͤlle, geiſtreiche Reduktionsplaͤne; man<lb/> hat feine Manieren, diplomatiſches Talent, man erhaͤlt<lb/> eine zarte Miſſion an einen benachbarten Hof, um fuͤr<lb/> hohe unverheirathete Perſonen eine Lebensgefaͤhrtin zu<lb/> werben; kurz dis ſind die Epochen und Einſchnitte in<lb/> das Leben eines deutſchen Staatsmannes im Frieden.</p><lb/> <p>Es kann ſich lange von einem ſolchen Ereigniſſe<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [242/0260]
Ancillon.
ergrauten Staatsdiener faſt alle gemacht haben. Die¬
ſer Gang iſt friedlich, ohne Stuͤrme, man hat Zeit,
ſich einen Privatcharakter fuͤr den Umgang nach be¬
liebigem Gefallen zu bilden, und darf darauf rechnen,
fuͤr ſein geduldiges Fortziehen der Staatsmaſchine eine
Menge geraͤuſchloſer, kleiner Freuden zu genießen, ſeine
Soͤhne heranwachſen zu ſehen, ſeine Toͤchter an ſolide
Eidame zu verheirathen, ſeine Witwe zu verſorgen,
und ſonſt die Zukunft und alle ihre Wechſelfaͤlle mit
ruhiger Gewißheit abzuwarten.
Nimmt dieſe politiſche Idylle einmal einen Auf¬
ſchwung, ſo hat man eine Commiſſion in kuͤrzerer
Zeit beendet, als die Diaͤten gezahlt worden waͤren;
man entdeckt ein Complott oder einen finanziellen Rech¬
nungsfehler, mit welchem uͤber das ganze Syſtem der
vaterlaͤndiſchen Buͤreaukratie auf einen Monat haͤtte
Verwirrung kommen koͤnnen; man hat geſunde Staats¬
ſchuldentilgungseinfaͤlle, geiſtreiche Reduktionsplaͤne; man
hat feine Manieren, diplomatiſches Talent, man erhaͤlt
eine zarte Miſſion an einen benachbarten Hof, um fuͤr
hohe unverheirathete Perſonen eine Lebensgefaͤhrtin zu
werben; kurz dis ſind die Epochen und Einſchnitte in
das Leben eines deutſchen Staatsmannes im Frieden.
Es kann ſich lange von einem ſolchen Ereigniſſe
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeAb Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr] Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |