in einer Familie eine Tradition erhalten, man kann die Orden und Geschenke aufweisen, welche bei solchen Gelegenheiten von den Ahnen verdient wurden; doch lächelt dazu die Geschichte, deren Gedächtniß bestürmt wird von den großen Begebenheiten, die nicht einmal an dem Rande ihrer ehernen Tafeln viel Raum übrig hat für das, was doch immer nichts Anderes ist, als Erfüllung seiner Pflicht und Ausführung dessen, was Niemand auszuführen unterlassen darf.
Sie thun alle, was sie müssen; und dis ist ange¬ schrieben ohne Zweifel im Buche des Lebens, auf wel¬ ches das Buch der Geschichte zu verweisen pflegt, wenn man in diesem etwas vergeblich sucht.
In Preußen sind solche bei Gott vortrefflich ange¬ schriebene Staatsdiener mehr als irgendwo zu finden. Die Büreaukratie und die Maschine bringen es so mit sich.
Die kleinen konstitutionellen Staaten fordern doch wenigstens das Talent heraus und geben Raum für Kräfte, welche die Anciennität überspringen. In Oe¬ sterreich wird eine glänzende Aristokratie an die Spitze der Verwaltung gestellt: alte, historische Namen, bei denen es immer eine Auszeichnung ist, wenn ihre Ta¬ lente das Privilegium der Geburt einholen, und sie das
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Ancillon.
in einer Familie eine Tradition erhalten, man kann die Orden und Geſchenke aufweiſen, welche bei ſolchen Gelegenheiten von den Ahnen verdient wurden; doch laͤchelt dazu die Geſchichte, deren Gedaͤchtniß beſtuͤrmt wird von den großen Begebenheiten, die nicht einmal an dem Rande ihrer ehernen Tafeln viel Raum uͤbrig hat fuͤr das, was doch immer nichts Anderes iſt, als Erfuͤllung ſeiner Pflicht und Ausfuͤhrung deſſen, was Niemand auszufuͤhren unterlaſſen darf.
Sie thun alle, was ſie muͤſſen; und dis iſt ange¬ ſchrieben ohne Zweifel im Buche des Lebens, auf wel¬ ches das Buch der Geſchichte zu verweiſen pflegt, wenn man in dieſem etwas vergeblich ſucht.
In Preußen ſind ſolche bei Gott vortrefflich ange¬ ſchriebene Staatsdiener mehr als irgendwo zu finden. Die Buͤreaukratie und die Maſchine bringen es ſo mit ſich.
Die kleinen konſtitutionellen Staaten fordern doch wenigſtens das Talent heraus und geben Raum fuͤr Kraͤfte, welche die Anciennitaͤt uͤberſpringen. In Oe¬ ſterreich wird eine glaͤnzende Ariſtokratie an die Spitze der Verwaltung geſtellt: alte, hiſtoriſche Namen, bei denen es immer eine Auszeichnung iſt, wenn ihre Ta¬ lente das Privilegium der Geburt einholen, und ſie das
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Ancillon.
in einer Familie eine Tradition erhalten, man kann
die Orden und Geſchenke aufweiſen, welche bei ſolchen
Gelegenheiten von den Ahnen verdient wurden; doch
laͤchelt dazu die Geſchichte, deren Gedaͤchtniß beſtuͤrmt
wird von den großen Begebenheiten, die nicht einmal
an dem Rande ihrer ehernen Tafeln viel Raum uͤbrig
hat fuͤr das, was doch immer nichts Anderes iſt, als
Erfuͤllung ſeiner Pflicht und Ausfuͤhrung deſſen, was
Niemand auszufuͤhren unterlaſſen darf.
Sie thun alle, was ſie muͤſſen; und dis iſt ange¬
ſchrieben ohne Zweifel im Buche des Lebens, auf wel¬
ches das Buch der Geſchichte zu verweiſen pflegt, wenn
man in dieſem etwas vergeblich ſucht.
In Preußen ſind ſolche bei Gott vortrefflich ange¬
ſchriebene Staatsdiener mehr als irgendwo zu finden.
Die Buͤreaukratie und die Maſchine bringen es ſo
mit ſich.
Die kleinen konſtitutionellen Staaten fordern doch
wenigſtens das Talent heraus und geben Raum fuͤr
Kraͤfte, welche die Anciennitaͤt uͤberſpringen. In Oe¬
ſterreich wird eine glaͤnzende Ariſtokratie an die Spitze
der Verwaltung geſtellt: alte, hiſtoriſche Namen, bei
denen es immer eine Auszeichnung iſt, wenn ihre Ta¬
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/261>, abgerufen am 28.07.2024.
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