Die Geschichte weiß, daß von dieser erwachenden Freiheit diejenigen den meisten Gebrauch machten, wel¬ che sie nicht verdienten: es war die Zeit der Rotüre, der Gunst, der Hintertreppe, die Zeit des Sieges einer zärtlichen Stunde; man kann darüber nicht so streng sein, denn die Wiedergeburt des preußischen Staates, die Auflösung der alten knöchernen, tyrannischen For¬ men von Sanssouci ließ sich durch diese Periode der Günstlinge am besten an. Welche Menschen sind da¬ mals an das Ruder der Gewalt gekommen! Sie ver¬ dienten es nicht; aber sie rissen das Herkommen ein, welches Preußen an das Militair und den Adel ver¬ kauft hatte, sie halfen das Vorurtheil gegen ihren Wil¬ len bekämpfen, und machten dem demokratischen Ele¬ mente Raum, welches später den Staat gerettet hat.
In diese und die folgende Zeit fallen die Anfänge der meisten jener preußischen Staatsmänner aus alter Schule. Sie wurden geliefert von der Clique; aber auch von der Wissenschaft, dem Zufalle, und dem Ge¬ nius des Vaterlandes.
Es war damals leicht in die Geschäfte zu kom¬ men; die Minister waren zum großen Theile Militairs, welche sich die Kenntnisse, die sie selbst nicht besaßen, von Andern leihen mußten; die Freiheit der Presse kam
Ancillon.
Die Geſchichte weiß, daß von dieſer erwachenden Freiheit diejenigen den meiſten Gebrauch machten, wel¬ che ſie nicht verdienten: es war die Zeit der Rotuͤre, der Gunſt, der Hintertreppe, die Zeit des Sieges einer zaͤrtlichen Stunde; man kann daruͤber nicht ſo ſtreng ſein, denn die Wiedergeburt des preußiſchen Staates, die Aufloͤſung der alten knoͤchernen, tyranniſchen For¬ men von Sansſouci ließ ſich durch dieſe Periode der Guͤnſtlinge am beſten an. Welche Menſchen ſind da¬ mals an das Ruder der Gewalt gekommen! Sie ver¬ dienten es nicht; aber ſie riſſen das Herkommen ein, welches Preußen an das Militair und den Adel ver¬ kauft hatte, ſie halfen das Vorurtheil gegen ihren Wil¬ len bekaͤmpfen, und machten dem demokratiſchen Ele¬ mente Raum, welches ſpaͤter den Staat gerettet hat.
In dieſe und die folgende Zeit fallen die Anfaͤnge der meiſten jener preußiſchen Staatsmaͤnner aus alter Schule. Sie wurden geliefert von der Clique; aber auch von der Wiſſenſchaft, dem Zufalle, und dem Ge¬ nius des Vaterlandes.
Es war damals leicht in die Geſchaͤfte zu kom¬ men; die Miniſter waren zum großen Theile Militairs, welche ſich die Kenntniſſe, die ſie ſelbſt nicht beſaßen, von Andern leihen mußten; die Freiheit der Preſſe kam
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0264"n="246"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Ancillon</hi>.<lb/></fw><p>Die Geſchichte weiß, daß von dieſer erwachenden<lb/>
Freiheit diejenigen den meiſten Gebrauch machten, wel¬<lb/>
che ſie nicht verdienten: es war die Zeit der Rotuͤre,<lb/>
der Gunſt, der Hintertreppe, die Zeit des Sieges einer<lb/>
zaͤrtlichen Stunde; man kann daruͤber nicht ſo ſtreng<lb/>ſein, denn die Wiedergeburt des preußiſchen Staates,<lb/>
die Aufloͤſung der alten knoͤchernen, tyranniſchen For¬<lb/>
men von Sansſouci ließ ſich durch dieſe Periode der<lb/>
Guͤnſtlinge am beſten an. Welche Menſchen ſind da¬<lb/>
mals an das Ruder der Gewalt gekommen! Sie ver¬<lb/>
dienten es nicht; aber ſie riſſen das Herkommen ein,<lb/>
welches Preußen an das Militair und den Adel ver¬<lb/>
kauft hatte, ſie halfen das Vorurtheil gegen ihren Wil¬<lb/>
len bekaͤmpfen, und machten dem demokratiſchen Ele¬<lb/>
mente Raum, welches ſpaͤter den Staat gerettet hat.</p><lb/><p>In dieſe und die folgende Zeit fallen die Anfaͤnge<lb/>
der meiſten jener preußiſchen Staatsmaͤnner aus alter<lb/>
Schule. Sie wurden geliefert von der Clique; aber<lb/>
auch von der Wiſſenſchaft, dem Zufalle, und dem Ge¬<lb/>
nius des Vaterlandes.</p><lb/><p>Es war damals leicht in die Geſchaͤfte zu kom¬<lb/>
men; die Miniſter waren zum großen Theile Militairs,<lb/>
welche ſich die Kenntniſſe, die ſie ſelbſt nicht beſaßen,<lb/>
von Andern leihen mußten; die Freiheit der Preſſe kam<lb/></p></div></body></text></TEI>
[246/0264]
Ancillon.
Die Geſchichte weiß, daß von dieſer erwachenden
Freiheit diejenigen den meiſten Gebrauch machten, wel¬
che ſie nicht verdienten: es war die Zeit der Rotuͤre,
der Gunſt, der Hintertreppe, die Zeit des Sieges einer
zaͤrtlichen Stunde; man kann daruͤber nicht ſo ſtreng
ſein, denn die Wiedergeburt des preußiſchen Staates,
die Aufloͤſung der alten knoͤchernen, tyranniſchen For¬
men von Sansſouci ließ ſich durch dieſe Periode der
Guͤnſtlinge am beſten an. Welche Menſchen ſind da¬
mals an das Ruder der Gewalt gekommen! Sie ver¬
dienten es nicht; aber ſie riſſen das Herkommen ein,
welches Preußen an das Militair und den Adel ver¬
kauft hatte, ſie halfen das Vorurtheil gegen ihren Wil¬
len bekaͤmpfen, und machten dem demokratiſchen Ele¬
mente Raum, welches ſpaͤter den Staat gerettet hat.
In dieſe und die folgende Zeit fallen die Anfaͤnge
der meiſten jener preußiſchen Staatsmaͤnner aus alter
Schule. Sie wurden geliefert von der Clique; aber
auch von der Wiſſenſchaft, dem Zufalle, und dem Ge¬
nius des Vaterlandes.
Es war damals leicht in die Geſchaͤfte zu kom¬
men; die Miniſter waren zum großen Theile Militairs,
welche ſich die Kenntniſſe, die ſie ſelbſt nicht beſaßen,
von Andern leihen mußten; die Freiheit der Preſſe kam
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/264>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.