Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Rothschild.
gen sind, wo sie ihre Todten begruben. Mayer An¬
selm war ein Antiquar, der für die Thatsachen der
Geschichte schwärmte.

Der Landgraf von Hessen (später Kurfürst) theilte
die Liebhaberei seines Nachbars, und kaufte ihm Mün¬
zen ab, obschon Germanicus oder Domitian, die darauf
abgeprägt waren, keine Zöpfe trugen.

Und wie sie beide so unterhandelten und sich beide
belehrten über die Nacht der alten Zeiten, und die we¬
nigen aus ihr herausblinkenden Münzsterne, da be¬
merkte der Landgraf in seinem Antiquar einen guten
Geschäftsmann und eine Ehrlichkeit, die gerade so weit
ging, als das erlaubte Prozent seines Verdienstes. Er
fing an statt von alter Bronze auch über neues Sil¬
ber mit ihm zu sprechen, und übertrug ihm manches
kleine Geldgeschäft, bis er 1801 mit der Hofagentur
Mayer Anselms Verdienste belohnte.

Seither blieb diese Verbindung ohne Unterbrechung,
und war eine Garantie für andere Fürsten, sich in
Verlegenheiten ohne Scheu an das aufblühende Frank¬
furter Haus zu wenden. Das Verdienst, welches sich
Rothschild unter Napoleon um das kurfürstliche Pri¬
vatvermögen erwarb, ist bekannt genug. Er befestigte
sich immer mehr in der öffentlichen Achtung und

Rothſchild.
gen ſind, wo ſie ihre Todten begruben. Mayer An¬
ſelm war ein Antiquar, der fuͤr die Thatſachen der
Geſchichte ſchwaͤrmte.

Der Landgraf von Heſſen (ſpaͤter Kurfuͤrſt) theilte
die Liebhaberei ſeines Nachbars, und kaufte ihm Muͤn¬
zen ab, obſchon Germanicus oder Domitian, die darauf
abgepraͤgt waren, keine Zoͤpfe trugen.

Und wie ſie beide ſo unterhandelten und ſich beide
belehrten uͤber die Nacht der alten Zeiten, und die we¬
nigen aus ihr herausblinkenden Muͤnzſterne, da be¬
merkte der Landgraf in ſeinem Antiquar einen guten
Geſchaͤftsmann und eine Ehrlichkeit, die gerade ſo weit
ging, als das erlaubte Prozent ſeines Verdienſtes. Er
fing an ſtatt von alter Bronze auch uͤber neues Sil¬
ber mit ihm zu ſprechen, und uͤbertrug ihm manches
kleine Geldgeſchaͤft, bis er 1801 mit der Hofagentur
Mayer Anſelms Verdienſte belohnte.

Seither blieb dieſe Verbindung ohne Unterbrechung,
und war eine Garantie fuͤr andere Fuͤrſten, ſich in
Verlegenheiten ohne Scheu an das aufbluͤhende Frank¬
furter Haus zu wenden. Das Verdienſt, welches ſich
Rothſchild unter Napoleon um das kurfuͤrſtliche Pri¬
vatvermoͤgen erwarb, iſt bekannt genug. Er befeſtigte
ſich immer mehr in der oͤffentlichen Achtung und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0304" n="286"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Roth&#x017F;child</hi>.<lb/></fw>gen &#x017F;ind, wo &#x017F;ie ihre Todten begruben. Mayer An¬<lb/>
&#x017F;elm war ein Antiquar, der fu&#x0364;r die That&#x017F;achen der<lb/>
Ge&#x017F;chichte &#x017F;chwa&#x0364;rmte.</p><lb/>
        <p>Der Landgraf von He&#x017F;&#x017F;en (&#x017F;pa&#x0364;ter Kurfu&#x0364;r&#x017F;t) theilte<lb/>
die Liebhaberei &#x017F;eines Nachbars, und kaufte ihm Mu&#x0364;<lb/>
zen ab, ob&#x017F;chon Germanicus oder Domitian, die darauf<lb/>
abgepra&#x0364;gt waren, keine Zo&#x0364;pfe trugen.</p><lb/>
        <p>Und wie &#x017F;ie beide &#x017F;o unterhandelten und &#x017F;ich beide<lb/>
belehrten u&#x0364;ber die Nacht der alten Zeiten, und die we¬<lb/>
nigen aus ihr herausblinkenden Mu&#x0364;nz&#x017F;terne, da be¬<lb/>
merkte der Landgraf in &#x017F;einem Antiquar einen guten<lb/>
Ge&#x017F;cha&#x0364;ftsmann und eine Ehrlichkeit, die gerade &#x017F;o weit<lb/>
ging, als das erlaubte Prozent &#x017F;eines Verdien&#x017F;tes. Er<lb/>
fing an &#x017F;tatt von alter Bronze auch u&#x0364;ber neues Sil¬<lb/>
ber mit ihm zu &#x017F;prechen, und u&#x0364;bertrug ihm manches<lb/>
kleine Geldge&#x017F;cha&#x0364;ft, bis er 1801 mit der Hofagentur<lb/>
Mayer An&#x017F;elms Verdien&#x017F;te belohnte.</p><lb/>
        <p>Seither blieb die&#x017F;e Verbindung ohne Unterbrechung,<lb/>
und war eine Garantie fu&#x0364;r andere Fu&#x0364;r&#x017F;ten, &#x017F;ich in<lb/>
Verlegenheiten ohne Scheu an das aufblu&#x0364;hende Frank¬<lb/>
furter Haus zu wenden. Das Verdien&#x017F;t, welches &#x017F;ich<lb/>
Roth&#x017F;child unter Napoleon um das kurfu&#x0364;r&#x017F;tliche Pri¬<lb/>
vatvermo&#x0364;gen erwarb, i&#x017F;t bekannt genug. Er befe&#x017F;tigte<lb/>
&#x017F;ich immer mehr in der o&#x0364;ffentlichen Achtung und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[286/0304] Rothſchild. gen ſind, wo ſie ihre Todten begruben. Mayer An¬ ſelm war ein Antiquar, der fuͤr die Thatſachen der Geſchichte ſchwaͤrmte. Der Landgraf von Heſſen (ſpaͤter Kurfuͤrſt) theilte die Liebhaberei ſeines Nachbars, und kaufte ihm Muͤn¬ zen ab, obſchon Germanicus oder Domitian, die darauf abgepraͤgt waren, keine Zoͤpfe trugen. Und wie ſie beide ſo unterhandelten und ſich beide belehrten uͤber die Nacht der alten Zeiten, und die we¬ nigen aus ihr herausblinkenden Muͤnzſterne, da be¬ merkte der Landgraf in ſeinem Antiquar einen guten Geſchaͤftsmann und eine Ehrlichkeit, die gerade ſo weit ging, als das erlaubte Prozent ſeines Verdienſtes. Er fing an ſtatt von alter Bronze auch uͤber neues Sil¬ ber mit ihm zu ſprechen, und uͤbertrug ihm manches kleine Geldgeſchaͤft, bis er 1801 mit der Hofagentur Mayer Anſelms Verdienſte belohnte. Seither blieb dieſe Verbindung ohne Unterbrechung, und war eine Garantie fuͤr andere Fuͤrſten, ſich in Verlegenheiten ohne Scheu an das aufbluͤhende Frank¬ furter Haus zu wenden. Das Verdienſt, welches ſich Rothſchild unter Napoleon um das kurfuͤrſtliche Pri¬ vatvermoͤgen erwarb, iſt bekannt genug. Er befeſtigte ſich immer mehr in der oͤffentlichen Achtung und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/304
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/304>, abgerufen am 24.11.2024.