Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Der Sultan. stickenden Atmosphäre in der That einige Tugendengibt, welche uns mitunter mit dem türkischen Namen versöhnen könnten; vorzüglich jene innere Gerechtigkeit, die weit mehr ist, als das was man in Europa Ehr¬ lichkeit nennt! Es ist eines der vielen Probleme unsrer Zeit, beweisen zu können, wie in der Türkei Wahnsinn, Grausamkeit, Schwäche, mit Tugend im Umgang, Mannhaftigkeit und schönen Sittensprüchen zusammen wohnen können. Ich glaube, das Erklä¬ rungsband dieses Widerspruchs liegt nicht weit ab von einer Tugend, welche nicht nur den Europäer vorzugs¬ weise trifft, sondern ihn auch übertrifft, in des Tür¬ ken unbeugsamen Stolze, in seiner großen Verach¬ tung, die er Hunden und Europäern zollt. Es ist eine ganz falsche und hochmüthige Erklä¬ Der Sultan. ſtickenden Atmoſphaͤre in der That einige Tugendengibt, welche uns mitunter mit dem tuͤrkiſchen Namen verſoͤhnen koͤnnten; vorzuͤglich jene innere Gerechtigkeit, die weit mehr iſt, als das was man in Europa Ehr¬ lichkeit nennt! Es iſt eines der vielen Probleme unſrer Zeit, beweiſen zu koͤnnen, wie in der Tuͤrkei Wahnſinn, Grauſamkeit, Schwaͤche, mit Tugend im Umgang, Mannhaftigkeit und ſchoͤnen Sittenſpruͤchen zuſammen wohnen koͤnnen. Ich glaube, das Erklaͤ¬ rungsband dieſes Widerſpruchs liegt nicht weit ab von einer Tugend, welche nicht nur den Europaͤer vorzugs¬ weiſe trifft, ſondern ihn auch uͤbertrifft, in des Tuͤr¬ ken unbeugſamen Stolze, in ſeiner großen Verach¬ tung, die er Hunden und Europaͤern zollt. Es iſt eine ganz falſche und hochmuͤthige Erklaͤ¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0330" n="312"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der Sultan</hi>.<lb/></fw>ſtickenden Atmoſphaͤre in der That einige Tugenden<lb/> gibt, welche uns mitunter mit dem tuͤrkiſchen Namen<lb/> verſoͤhnen koͤnnten; vorzuͤglich jene innere Gerechtigkeit,<lb/> die weit mehr iſt, als das was man in Europa Ehr¬<lb/> lichkeit nennt! Es iſt eines der vielen Probleme<lb/> unſrer Zeit, beweiſen zu koͤnnen, wie in der Tuͤrkei<lb/> Wahnſinn, Grauſamkeit, Schwaͤche, mit Tugend im<lb/> Umgang, Mannhaftigkeit und ſchoͤnen Sittenſpruͤchen<lb/> zuſammen wohnen koͤnnen. Ich glaube, das Erklaͤ¬<lb/> rungsband dieſes Widerſpruchs liegt nicht weit ab von<lb/> einer Tugend, welche nicht nur den Europaͤer vorzugs¬<lb/> weiſe trifft, ſondern ihn auch uͤbertrifft, in des Tuͤr¬<lb/> ken unbeugſamen Stolze, in ſeiner großen Verach¬<lb/> tung, die er Hunden und Europaͤern zollt.</p><lb/> <p>Es iſt eine ganz falſche und hochmuͤthige Erklaͤ¬<lb/> rung der Europaͤer, wenn ſie die tuͤrkiſchen Neuerun¬<lb/> gen, das was man die Emancipation des Orients<lb/> nennt, aus einem humaniſtiſchen Intereſſe fuͤr die<lb/> Idee, oder aus der Scham, etwa hinter der europaͤi¬<lb/> ſchen Civiliſation zuruͤck zu bleiben, herleitet. Der<lb/> Nizam-Dſchedid iſt nichts, als eine durch die Noth<lb/> aufgedrungene politiſche Maaßregel, welche keinen an¬<lb/> dern Zweck hat, als gegen die Macht der Janitſcharen<lb/> ein Gleichgewicht zu ſchaffen. Unſere Philanthropie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [312/0330]
Der Sultan.
ſtickenden Atmoſphaͤre in der That einige Tugenden
gibt, welche uns mitunter mit dem tuͤrkiſchen Namen
verſoͤhnen koͤnnten; vorzuͤglich jene innere Gerechtigkeit,
die weit mehr iſt, als das was man in Europa Ehr¬
lichkeit nennt! Es iſt eines der vielen Probleme
unſrer Zeit, beweiſen zu koͤnnen, wie in der Tuͤrkei
Wahnſinn, Grauſamkeit, Schwaͤche, mit Tugend im
Umgang, Mannhaftigkeit und ſchoͤnen Sittenſpruͤchen
zuſammen wohnen koͤnnen. Ich glaube, das Erklaͤ¬
rungsband dieſes Widerſpruchs liegt nicht weit ab von
einer Tugend, welche nicht nur den Europaͤer vorzugs¬
weiſe trifft, ſondern ihn auch uͤbertrifft, in des Tuͤr¬
ken unbeugſamen Stolze, in ſeiner großen Verach¬
tung, die er Hunden und Europaͤern zollt.
Es iſt eine ganz falſche und hochmuͤthige Erklaͤ¬
rung der Europaͤer, wenn ſie die tuͤrkiſchen Neuerun¬
gen, das was man die Emancipation des Orients
nennt, aus einem humaniſtiſchen Intereſſe fuͤr die
Idee, oder aus der Scham, etwa hinter der europaͤi¬
ſchen Civiliſation zuruͤck zu bleiben, herleitet. Der
Nizam-Dſchedid iſt nichts, als eine durch die Noth
aufgedrungene politiſche Maaßregel, welche keinen an¬
dern Zweck hat, als gegen die Macht der Janitſcharen
ein Gleichgewicht zu ſchaffen. Unſere Philanthropie
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