Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Der Sultan. ihm, daß er einen Freund habe in Galata bei denFleischerbänken, der einer der größten Possenreißer un¬ ter der Sonne, und ein Schreiber des Fleischervor¬ standes sei. Khalet-Effendi erschien, schrieb schlechter, als der Sultan, machte einige gute Kapriolen, und Mahmud behielt ihn zurück, erst als seinen Hofnarren, dann als Hofrath, zuletzt als Groß-Wessier. So entstand der einen Tradition zufolge (welche Khalet-Effendi stand an der Spitze der Staats¬ Gutzkow's öffentl. Char. 21
Der Sultan. ihm, daß er einen Freund habe in Galata bei denFleiſcherbaͤnken, der einer der groͤßten Poſſenreißer un¬ ter der Sonne, und ein Schreiber des Fleiſchervor¬ ſtandes ſei. Khalet-Effendi erſchien, ſchrieb ſchlechter, als der Sultan, machte einige gute Kapriolen, und Mahmud behielt ihn zuruͤck, erſt als ſeinen Hofnarren, dann als Hofrath, zuletzt als Groß-Weſſier. So entſtand der einen Tradition zufolge (welche Khalet-Effendi ſtand an der Spitze der Staats¬ Gutzkow's öffentl. Char. 21
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0339" n="321"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der Sultan</hi>.<lb/></fw>ihm, daß er einen Freund habe in Galata bei den<lb/> Fleiſcherbaͤnken, der einer der groͤßten Poſſenreißer un¬<lb/> ter der Sonne, und ein Schreiber des Fleiſchervor¬<lb/> ſtandes ſei. Khalet-Effendi erſchien, ſchrieb ſchlechter,<lb/> als der Sultan, machte einige gute Kapriolen, und<lb/> Mahmud behielt ihn zuruͤck, erſt als ſeinen Hofnarren,<lb/> dann als Hofrath, zuletzt als Groß-Weſſier.</p><lb/> <p>So entſtand der einen Tradition zufolge (welche<lb/> den bekannten Liebling des Sultans von dem ehema¬<lb/> ligen Geſandten beim Hofe Napoleons trennt) eine<lb/> antike und wahrhafte Freundſchaft zwiſchen Mahmud<lb/> und ſeinem luſtigen Weſſier, die vollkommen geweſen<lb/> waͤre, wenn ſie fuͤr die Tuͤrkei beſſere Fruͤchte getra¬<lb/> gen, und nicht mit einer Treuloſigkeit geendet haͤtte!</p><lb/> <p>Khalet-Effendi ſtand an der Spitze der Staats¬<lb/> angelegenheiten, d. h. er theilte mit dem Sultan den<lb/> Raub, welchen die Intriguen des Divans von den<lb/> Satrapen der Provinzen abgejagt hatten. Noch lange<lb/> bis in den Aufſtand der Griechen hinein dauerte ſeine<lb/> Autoritaͤt, angetaſtet von den Geiſtlichen, bedroht von<lb/> den Janitſcharen, welche ihm die Unfaͤlle des Krieges<lb/> gegen die Griechen Schuld gaben. Vergebens, daß die<lb/> Boten des Divans in alle inſurgirten Regionen Mord<lb/> und Verſtuͤmmlung brachten, vergebens das Blutbad<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Gutzkow's öffentl. Char. 21<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [321/0339]
Der Sultan.
ihm, daß er einen Freund habe in Galata bei den
Fleiſcherbaͤnken, der einer der groͤßten Poſſenreißer un¬
ter der Sonne, und ein Schreiber des Fleiſchervor¬
ſtandes ſei. Khalet-Effendi erſchien, ſchrieb ſchlechter,
als der Sultan, machte einige gute Kapriolen, und
Mahmud behielt ihn zuruͤck, erſt als ſeinen Hofnarren,
dann als Hofrath, zuletzt als Groß-Weſſier.
So entſtand der einen Tradition zufolge (welche
den bekannten Liebling des Sultans von dem ehema¬
ligen Geſandten beim Hofe Napoleons trennt) eine
antike und wahrhafte Freundſchaft zwiſchen Mahmud
und ſeinem luſtigen Weſſier, die vollkommen geweſen
waͤre, wenn ſie fuͤr die Tuͤrkei beſſere Fruͤchte getra¬
gen, und nicht mit einer Treuloſigkeit geendet haͤtte!
Khalet-Effendi ſtand an der Spitze der Staats¬
angelegenheiten, d. h. er theilte mit dem Sultan den
Raub, welchen die Intriguen des Divans von den
Satrapen der Provinzen abgejagt hatten. Noch lange
bis in den Aufſtand der Griechen hinein dauerte ſeine
Autoritaͤt, angetaſtet von den Geiſtlichen, bedroht von
den Janitſcharen, welche ihm die Unfaͤlle des Krieges
gegen die Griechen Schuld gaben. Vergebens, daß die
Boten des Divans in alle inſurgirten Regionen Mord
und Verſtuͤmmlung brachten, vergebens das Blutbad
Gutzkow's öffentl. Char. 21
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeAb Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr] Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |