Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Talleyrand. thum Benevent mehrere Millionen zu geben erbötigwar. Die Bourbonen waren weniger freigebig; sie hat¬ ten nur Orden und feudale Titel zu verschenken. Talleyrand war gezwungen, sich an der Börse zu ent¬ schädigen. Sie ist noch bis auf den heutigen Tag seine rechte Hand, die Hand, welche zahlt. Die Politik dient seinem Interesse; um den Tagespreis gewiß zu haben, würfelt er den Völkern ihre Schicksale zu. Talleyrand würde vielleicht nicht so oft Wort und Schwur gewechselt haben, wenn er mehr Geld gehabt hätte. Wenn er sagte: es ist ein Unglück, daß man leben muß! so hieß dies: es ist ein Unglück, daß man die Tugend nicht lieben kann! Man ist gern geneigt, Talleyrand ein unveränderliches Prinzip für die franzö¬ sische Politik unterzuschieben, das gleichsam das Fun¬ dament aller seiner Unternehmungen geworden wäre. Ich meine die Allianz mit England. Doch ist diese nicht so alt; sie fing erst nach der zweiten Restaura¬ tion an. Als republikanischer und kaiserlicher Minister kam er schwerlich in Versuchung sie anwenden zu wol¬ len. Der Haß jenseits des Kanals schien unauslösch¬ lich. England fürchtete die Vermehrung seiner Schuld nicht, um sich diesem blindlings hinzugeben. Doch ist es wahr, daß Talleyrand früh die geheimen Spring¬ Talleyrand. thum Benevent mehrere Millionen zu geben erboͤtigwar. Die Bourbonen waren weniger freigebig; ſie hat¬ ten nur Orden und feudale Titel zu verſchenken. Talleyrand war gezwungen, ſich an der Boͤrſe zu ent¬ ſchaͤdigen. Sie iſt noch bis auf den heutigen Tag ſeine rechte Hand, die Hand, welche zahlt. Die Politik dient ſeinem Intereſſe; um den Tagespreis gewiß zu haben, wuͤrfelt er den Voͤlkern ihre Schickſale zu. Talleyrand wuͤrde vielleicht nicht ſo oft Wort und Schwur gewechſelt haben, wenn er mehr Geld gehabt haͤtte. Wenn er ſagte: es iſt ein Ungluͤck, daß man leben muß! ſo hieß dies: es iſt ein Ungluͤck, daß man die Tugend nicht lieben kann! Man iſt gern geneigt, Talleyrand ein unveraͤnderliches Prinzip fuͤr die franzoͤ¬ ſiſche Politik unterzuſchieben, das gleichſam das Fun¬ dament aller ſeiner Unternehmungen geworden waͤre. Ich meine die Allianz mit England. Doch iſt dieſe nicht ſo alt; ſie fing erſt nach der zweiten Reſtaura¬ tion an. Als republikaniſcher und kaiſerlicher Miniſter kam er ſchwerlich in Verſuchung ſie anwenden zu wol¬ len. Der Haß jenſeits des Kanals ſchien unausloͤſch¬ lich. England fuͤrchtete die Vermehrung ſeiner Schuld nicht, um ſich dieſem blindlings hinzugeben. Doch iſt es wahr, daß Talleyrand fruͤh die geheimen Spring¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0039" n="21"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Talleyrand</hi>.<lb/></fw> thum Benevent mehrere Millionen zu geben erboͤtig<lb/> war. Die Bourbonen waren weniger freigebig; ſie hat¬<lb/> ten nur Orden und feudale Titel zu verſchenken.<lb/> Talleyrand war gezwungen, ſich an der Boͤrſe zu ent¬<lb/> ſchaͤdigen. Sie iſt noch bis auf den heutigen Tag ſeine<lb/> rechte Hand, die Hand, welche zahlt. Die Politik<lb/> dient ſeinem Intereſſe; um den Tagespreis gewiß zu<lb/> haben, wuͤrfelt er den Voͤlkern ihre Schickſale zu.<lb/> Talleyrand wuͤrde vielleicht nicht ſo oft Wort und<lb/> Schwur gewechſelt haben, wenn er mehr Geld gehabt<lb/> haͤtte. Wenn er ſagte: es iſt ein Ungluͤck, daß man<lb/> leben muß! ſo hieß dies: es iſt ein Ungluͤck, daß man<lb/> die Tugend nicht lieben kann! Man iſt gern geneigt,<lb/> Talleyrand ein unveraͤnderliches Prinzip fuͤr die franzoͤ¬<lb/> ſiſche Politik unterzuſchieben, das gleichſam das Fun¬<lb/> dament aller ſeiner Unternehmungen geworden waͤre.<lb/> Ich meine die Allianz mit England. Doch iſt dieſe<lb/> nicht ſo alt; ſie fing erſt nach der zweiten Reſtaura¬<lb/> tion an. Als republikaniſcher und kaiſerlicher Miniſter<lb/> kam er ſchwerlich in Verſuchung ſie anwenden zu wol¬<lb/> len. Der Haß jenſeits des Kanals ſchien unausloͤſch¬<lb/> lich. England fuͤrchtete die Vermehrung ſeiner Schuld<lb/> nicht, um ſich dieſem blindlings hinzugeben. Doch iſt<lb/> es wahr, daß Talleyrand fruͤh die geheimen Spring¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [21/0039]
Talleyrand.
thum Benevent mehrere Millionen zu geben erboͤtig
war. Die Bourbonen waren weniger freigebig; ſie hat¬
ten nur Orden und feudale Titel zu verſchenken.
Talleyrand war gezwungen, ſich an der Boͤrſe zu ent¬
ſchaͤdigen. Sie iſt noch bis auf den heutigen Tag ſeine
rechte Hand, die Hand, welche zahlt. Die Politik
dient ſeinem Intereſſe; um den Tagespreis gewiß zu
haben, wuͤrfelt er den Voͤlkern ihre Schickſale zu.
Talleyrand wuͤrde vielleicht nicht ſo oft Wort und
Schwur gewechſelt haben, wenn er mehr Geld gehabt
haͤtte. Wenn er ſagte: es iſt ein Ungluͤck, daß man
leben muß! ſo hieß dies: es iſt ein Ungluͤck, daß man
die Tugend nicht lieben kann! Man iſt gern geneigt,
Talleyrand ein unveraͤnderliches Prinzip fuͤr die franzoͤ¬
ſiſche Politik unterzuſchieben, das gleichſam das Fun¬
dament aller ſeiner Unternehmungen geworden waͤre.
Ich meine die Allianz mit England. Doch iſt dieſe
nicht ſo alt; ſie fing erſt nach der zweiten Reſtaura¬
tion an. Als republikaniſcher und kaiſerlicher Miniſter
kam er ſchwerlich in Verſuchung ſie anwenden zu wol¬
len. Der Haß jenſeits des Kanals ſchien unausloͤſch¬
lich. England fuͤrchtete die Vermehrung ſeiner Schuld
nicht, um ſich dieſem blindlings hinzugeben. Doch iſt
es wahr, daß Talleyrand fruͤh die geheimen Spring¬
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