Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Martinez de la Rosa. gedruckt worden sind. Er kam nach Frankreich, nochganz voll von Verehrung des tragischen Kothurs eines Corneille und Racine. Man würde sich täuschen, suchte man bei ihm die farbenglühende Grandezza des alten spanischen Theaters. Er ist als Dichter mehr Storch, als Flamingo. Seine Gefühle gehen auf Stelzen, sein Dialog sind Wechselreden nach den Grundsätzen der Rhetorik. Er war, als er die Witwe des Padilla schrieb, den Morayma und Edipo, ein Dichter der drei Einheiten, mit moralischen, kalten Tendenzen, steifer als Alfieri, ärmer als Arnault. Statt daß seine Per¬ sonen handeln, erzählen sie; sie reflektiren über das, was sie thun sollten, und lieben es, alles bis auf den fünften Akt zu verschieben, welcher der Unthätigkeit endlich ein Ende macht. In seinen Untersuchungen über die spanische Poesie findet er es lächerlich, wenn Lope de Vega den Columbus von Madrid nach Gre¬ nada, von dort nach Amerika, und von hier wieder zurück nach Barcelona versetzt. Er sieht darin eine Verletzung aller Regeln, wenn derselbe Dichter in ein Drama drei Handlungen verflicht, und wiederholt gegen Shakesspeare die Vorwürfe, welche vor ihm schon Vol¬ taire machte. Nichtsdestoweniger brachte der Aufent¬ halt in Paris auf Martinez poetische Ader eine neue Martinez de la Roſa. gedruckt worden ſind. Er kam nach Frankreich, nochganz voll von Verehrung des tragiſchen Kothurs eines Corneille und Racine. Man wuͤrde ſich taͤuſchen, ſuchte man bei ihm die farbengluͤhende Grandezza des alten ſpaniſchen Theaters. Er iſt als Dichter mehr Storch, als Flamingo. Seine Gefuͤhle gehen auf Stelzen, ſein Dialog ſind Wechſelreden nach den Grundſaͤtzen der Rhetorik. Er war, als er die Witwe des Padilla ſchrieb, den Morayma und Edipo, ein Dichter der drei Einheiten, mit moraliſchen, kalten Tendenzen, ſteifer als Alfieri, aͤrmer als Arnault. Statt daß ſeine Per¬ ſonen handeln, erzaͤhlen ſie; ſie reflektiren uͤber das, was ſie thun ſollten, und lieben es, alles bis auf den fuͤnften Akt zu verſchieben, welcher der Unthaͤtigkeit endlich ein Ende macht. In ſeinen Unterſuchungen uͤber die ſpaniſche Poeſie findet er es laͤcherlich, wenn Lope de Vega den Columbus von Madrid nach Gre¬ nada, von dort nach Amerika, und von hier wieder zuruͤck nach Barcelona verſetzt. Er ſieht darin eine Verletzung aller Regeln, wenn derſelbe Dichter in ein Drama drei Handlungen verflicht, und wiederholt gegen Shakesſpeare die Vorwuͤrfe, welche vor ihm ſchon Vol¬ taire machte. Nichtsdeſtoweniger brachte der Aufent¬ halt in Paris auf Martinez poetiſche Ader eine neue <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0062" n="44"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Martinez de la Roſa</hi>.<lb/></fw>gedruckt worden ſind. Er kam nach Frankreich, noch<lb/> ganz voll von Verehrung des tragiſchen Kothurs eines<lb/> Corneille und Racine. Man wuͤrde ſich taͤuſchen, ſuchte<lb/> man bei ihm die farbengluͤhende Grandezza des alten<lb/> ſpaniſchen Theaters. Er iſt als Dichter mehr Storch,<lb/> als Flamingo. Seine Gefuͤhle gehen auf Stelzen, ſein<lb/> Dialog ſind Wechſelreden nach den Grundſaͤtzen der<lb/> Rhetorik. Er war, als er die Witwe des Padilla<lb/> ſchrieb, den Morayma und Edipo, ein Dichter der drei<lb/> Einheiten, mit moraliſchen, kalten Tendenzen, ſteifer<lb/> als Alfieri, aͤrmer als Arnault. Statt daß ſeine Per¬<lb/> ſonen handeln, erzaͤhlen ſie; ſie reflektiren uͤber das,<lb/> was ſie thun ſollten, und lieben es, alles bis auf den<lb/> fuͤnften Akt zu verſchieben, welcher der Unthaͤtigkeit<lb/> endlich ein Ende macht. In ſeinen Unterſuchungen<lb/> uͤber die ſpaniſche Poeſie findet er es laͤcherlich, wenn<lb/> Lope de Vega den Columbus von Madrid nach Gre¬<lb/> nada, von dort nach Amerika, und von hier wieder<lb/> zuruͤck nach Barcelona verſetzt. Er ſieht darin eine<lb/> Verletzung aller Regeln, wenn derſelbe Dichter in ein<lb/> Drama drei Handlungen verflicht, und wiederholt gegen<lb/> Shakesſpeare die Vorwuͤrfe, welche vor ihm ſchon Vol¬<lb/> taire machte. Nichtsdeſtoweniger brachte der Aufent¬<lb/> halt in Paris auf Martinez poetiſche Ader eine neue<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [44/0062]
Martinez de la Roſa.
gedruckt worden ſind. Er kam nach Frankreich, noch
ganz voll von Verehrung des tragiſchen Kothurs eines
Corneille und Racine. Man wuͤrde ſich taͤuſchen, ſuchte
man bei ihm die farbengluͤhende Grandezza des alten
ſpaniſchen Theaters. Er iſt als Dichter mehr Storch,
als Flamingo. Seine Gefuͤhle gehen auf Stelzen, ſein
Dialog ſind Wechſelreden nach den Grundſaͤtzen der
Rhetorik. Er war, als er die Witwe des Padilla
ſchrieb, den Morayma und Edipo, ein Dichter der drei
Einheiten, mit moraliſchen, kalten Tendenzen, ſteifer
als Alfieri, aͤrmer als Arnault. Statt daß ſeine Per¬
ſonen handeln, erzaͤhlen ſie; ſie reflektiren uͤber das,
was ſie thun ſollten, und lieben es, alles bis auf den
fuͤnften Akt zu verſchieben, welcher der Unthaͤtigkeit
endlich ein Ende macht. In ſeinen Unterſuchungen
uͤber die ſpaniſche Poeſie findet er es laͤcherlich, wenn
Lope de Vega den Columbus von Madrid nach Gre¬
nada, von dort nach Amerika, und von hier wieder
zuruͤck nach Barcelona verſetzt. Er ſieht darin eine
Verletzung aller Regeln, wenn derſelbe Dichter in ein
Drama drei Handlungen verflicht, und wiederholt gegen
Shakesſpeare die Vorwuͤrfe, welche vor ihm ſchon Vol¬
taire machte. Nichtsdeſtoweniger brachte der Aufent¬
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