Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Martinez de la Rosa schaft theilte, und in der öffentlichen Meinung vonganz Europa sein Todtengericht hielt. Er hatte seinen wahren Feind kennen gelernt, und eilte jetzt, mit sei¬ nen alten Gegnern Friede zu schließen, um sie gegen den Carlismus zu verwenden. Der Name Martinez de la Rosa war in keinem der Komplotte gehört wor¬ den: welche die Sicherheit der zweiten Restauration ge¬ stört hatten; er wurde zwar nicht gerufen, aber zuge¬ lassen. Weder Mina's noch Torrijos Expedition ließ man ihn entgelten; man wußte, wenn man den Dich¬ ter feilen hörte, daß es nicht den Ketten Spaniens, sondern seinen Werken galt. Marie Christine liebte an Martinez Auge den lebhaften Ausdruck, sie bewunderte die kleine weiße Hand, die so artige Reime und Ge¬ danken zusammenfügte, sie hörte gern die duftenden Blüthenflocken der Rede aus seinem Munde fallen, sie ließ sich von ihm Aesthetik vortragen, und hatte nichts dagegen, wenn er zuweilen von dieser auf die Politik übersprang. Es bildete sich allmählich ein Kreis um die Königin, den das Vertrauen gezogen hatte; man berieth sich über die Zukunft, während links der kranke König an der Magengicht stöhnte, rechts die kleine Isabella in ihren Windeln schrie. Marie Christine von Neapel ist keine Heroine, sie fürchtet sich vor dem Er¬ Martinez de la Roſa ſchaft theilte, und in der oͤffentlichen Meinung vonganz Europa ſein Todtengericht hielt. Er hatte ſeinen wahren Feind kennen gelernt, und eilte jetzt, mit ſei¬ nen alten Gegnern Friede zu ſchließen, um ſie gegen den Carlismus zu verwenden. Der Name Martinez de la Roſa war in keinem der Komplotte gehoͤrt wor¬ den: welche die Sicherheit der zweiten Reſtauration ge¬ ſtoͤrt hatten; er wurde zwar nicht gerufen, aber zuge¬ laſſen. Weder Mina's noch Torrijos Expedition ließ man ihn entgelten; man wußte, wenn man den Dich¬ ter feilen hoͤrte, daß es nicht den Ketten Spaniens, ſondern ſeinen Werken galt. Marie Chriſtine liebte an Martinez Auge den lebhaften Ausdruck, ſie bewunderte die kleine weiße Hand, die ſo artige Reime und Ge¬ danken zuſammenfuͤgte, ſie hoͤrte gern die duftenden Bluͤthenflocken der Rede aus ſeinem Munde fallen, ſie ließ ſich von ihm Aeſthetik vortragen, und hatte nichts dagegen, wenn er zuweilen von dieſer auf die Politik uͤberſprang. Es bildete ſich allmaͤhlich ein Kreis um die Koͤnigin, den das Vertrauen gezogen hatte; man berieth ſich uͤber die Zukunft, waͤhrend links der kranke Koͤnig an der Magengicht ſtoͤhnte, rechts die kleine Iſabella in ihren Windeln ſchrie. Marie Chriſtine von Neapel iſt keine Heroine, ſie fuͤrchtet ſich vor dem Er¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0065" n="47"/><fw place="top" type="header">Martinez de la Roſa<lb/></fw> ſchaft theilte, und in der oͤffentlichen Meinung von<lb/> ganz Europa ſein Todtengericht hielt. Er hatte ſeinen<lb/> wahren Feind kennen gelernt, und eilte jetzt, mit ſei¬<lb/> nen alten Gegnern Friede zu ſchließen, um ſie gegen<lb/> den Carlismus zu verwenden. Der Name Martinez<lb/> de la Roſa war in keinem der Komplotte gehoͤrt wor¬<lb/> den: welche die Sicherheit der zweiten Reſtauration ge¬<lb/> ſtoͤrt hatten; er wurde zwar nicht gerufen, aber zuge¬<lb/> laſſen. Weder Mina's noch Torrijos Expedition ließ<lb/> man ihn entgelten; man wußte, wenn man den Dich¬<lb/> ter feilen hoͤrte, daß es nicht den Ketten Spaniens,<lb/> ſondern ſeinen Werken galt. Marie Chriſtine liebte an<lb/> Martinez Auge den lebhaften Ausdruck, ſie bewunderte<lb/> die kleine weiße Hand, die ſo artige Reime und Ge¬<lb/> danken zuſammenfuͤgte, ſie hoͤrte gern die duftenden<lb/> Bluͤthenflocken der Rede aus ſeinem Munde fallen, ſie<lb/> ließ ſich von ihm Aeſthetik vortragen, und hatte nichts<lb/> dagegen, wenn er zuweilen von dieſer auf die Politik<lb/> uͤberſprang. Es bildete ſich allmaͤhlich ein Kreis um<lb/> die Koͤnigin, den das Vertrauen gezogen hatte; man<lb/> berieth ſich uͤber die Zukunft, waͤhrend links der kranke<lb/> Koͤnig an der Magengicht ſtoͤhnte, rechts die kleine<lb/> Iſabella in ihren Windeln ſchrie. Marie Chriſtine von<lb/> Neapel iſt keine Heroine, ſie fuͤrchtet ſich vor dem Er¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [47/0065]
Martinez de la Roſa
ſchaft theilte, und in der oͤffentlichen Meinung von
ganz Europa ſein Todtengericht hielt. Er hatte ſeinen
wahren Feind kennen gelernt, und eilte jetzt, mit ſei¬
nen alten Gegnern Friede zu ſchließen, um ſie gegen
den Carlismus zu verwenden. Der Name Martinez
de la Roſa war in keinem der Komplotte gehoͤrt wor¬
den: welche die Sicherheit der zweiten Reſtauration ge¬
ſtoͤrt hatten; er wurde zwar nicht gerufen, aber zuge¬
laſſen. Weder Mina's noch Torrijos Expedition ließ
man ihn entgelten; man wußte, wenn man den Dich¬
ter feilen hoͤrte, daß es nicht den Ketten Spaniens,
ſondern ſeinen Werken galt. Marie Chriſtine liebte an
Martinez Auge den lebhaften Ausdruck, ſie bewunderte
die kleine weiße Hand, die ſo artige Reime und Ge¬
danken zuſammenfuͤgte, ſie hoͤrte gern die duftenden
Bluͤthenflocken der Rede aus ſeinem Munde fallen, ſie
ließ ſich von ihm Aeſthetik vortragen, und hatte nichts
dagegen, wenn er zuweilen von dieſer auf die Politik
uͤberſprang. Es bildete ſich allmaͤhlich ein Kreis um
die Koͤnigin, den das Vertrauen gezogen hatte; man
berieth ſich uͤber die Zukunft, waͤhrend links der kranke
Koͤnig an der Magengicht ſtoͤhnte, rechts die kleine
Iſabella in ihren Windeln ſchrie. Marie Chriſtine von
Neapel iſt keine Heroine, ſie fuͤrchtet ſich vor dem Er¬
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