Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Martinez de la Rosa. eigniß; sie hat nichts, als einige kleine Leidenschaften,etwas Schwärmerei und will zart behandelt seyn. Sie würde genug gethan zu haben glauben, wenn sie Rizio Munnoz beglückte, und soll bald das Testament Fer¬ dinands vollziehen, Minister wählen, Takt haben, die Garde defiliren lassen, und kriegerische Operationen un¬ terzeichnen. Sie würde alles untereinander geworfen ha¬ ben, wie auf einem Nähtisch, wenn nicht Martinez de la Rosa mit sanfter Rede, milden Vorwürfen und bildlichen Vergleichen neben ihr stünde. Marie Christine ist durch ihn eine schöne Seele geworden. Er liest ihr die Dekrete wie Stellen aus seinen Dramen vor, er wirft um alles ein phantastisches Kleid, er macht die Zusammenberufung der Cortes zu einer Aufgabe des Garderobiers, und hat zu dem Saale derselben ihr so viel architektonische Risse vorgelegt, daß sie durch Aus¬ wahl des schönsten ihren Geschmack vor ganz Madrid bewähren konnte. Wie artig sind die Reglements, welche Martinez bei Feierlichkeiten der Königin vorschrieb! Sie erschien mit ihrem Kinde, wie einst Fredegunde mit Clothar vor den Franken; sie hatte in ihrer Rolle wenige und gefühlvolle Worte vorgeschrieben; alle diese Dinge arrangirte Martinez. Als die Cholera ausbrach, ließ sie nur Rizio und Martinez in la Grania ein, Martinez de la Roſa. eigniß; ſie hat nichts, als einige kleine Leidenſchaften,etwas Schwaͤrmerei und will zart behandelt ſeyn. Sie wuͤrde genug gethan zu haben glauben, wenn ſie Rizio Munnoz begluͤckte, und ſoll bald das Teſtament Fer¬ dinands vollziehen, Miniſter waͤhlen, Takt haben, die Garde defiliren laſſen, und kriegeriſche Operationen un¬ terzeichnen. Sie wuͤrde alles untereinander geworfen ha¬ ben, wie auf einem Naͤhtiſch, wenn nicht Martinez de la Roſa mit ſanfter Rede, milden Vorwuͤrfen und bildlichen Vergleichen neben ihr ſtuͤnde. Marie Chriſtine iſt durch ihn eine ſchoͤne Seele geworden. Er lieſt ihr die Dekrete wie Stellen aus ſeinen Dramen vor, er wirft um alles ein phantaſtiſches Kleid, er macht die Zuſammenberufung der Cortes zu einer Aufgabe des Garderobiers, und hat zu dem Saale derſelben ihr ſo viel architektoniſche Riſſe vorgelegt, daß ſie durch Aus¬ wahl des ſchoͤnſten ihren Geſchmack vor ganz Madrid bewaͤhren konnte. Wie artig ſind die Reglements, welche Martinez bei Feierlichkeiten der Koͤnigin vorſchrieb! Sie erſchien mit ihrem Kinde, wie einſt Fredegunde mit Clothar vor den Franken; ſie hatte in ihrer Rolle wenige und gefuͤhlvolle Worte vorgeſchrieben; alle dieſe Dinge arrangirte Martinez. Als die Cholera ausbrach, ließ ſie nur Rizio und Martinez in la Grania ein, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0066" n="48"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Martinez de la Roſa</hi>.<lb/></fw> eigniß; ſie hat nichts, als einige kleine Leidenſchaften,<lb/> etwas Schwaͤrmerei und will zart behandelt ſeyn. Sie<lb/> wuͤrde genug gethan zu haben glauben, wenn ſie Rizio<lb/> Munnoz begluͤckte, und ſoll bald das Teſtament Fer¬<lb/> dinands vollziehen, Miniſter waͤhlen, Takt haben, die<lb/> Garde defiliren laſſen, und kriegeriſche Operationen un¬<lb/> terzeichnen. Sie wuͤrde alles untereinander geworfen ha¬<lb/> ben, wie auf einem Naͤhtiſch, wenn nicht Martinez de<lb/> la Roſa mit ſanfter Rede, milden Vorwuͤrfen und<lb/> bildlichen Vergleichen neben ihr ſtuͤnde. Marie Chriſtine<lb/> iſt durch ihn eine ſchoͤne Seele geworden. Er lieſt ihr<lb/> die Dekrete wie Stellen aus ſeinen Dramen vor, er<lb/> wirft um alles ein phantaſtiſches Kleid, er macht die<lb/> Zuſammenberufung der Cortes zu einer Aufgabe des<lb/> Garderobiers, und hat zu dem Saale derſelben ihr ſo<lb/> viel architektoniſche Riſſe vorgelegt, daß ſie durch Aus¬<lb/> wahl des ſchoͤnſten ihren Geſchmack vor ganz Madrid<lb/> bewaͤhren konnte. Wie artig ſind die Reglements,<lb/> welche Martinez bei Feierlichkeiten der Koͤnigin vorſchrieb!<lb/> Sie erſchien mit ihrem Kinde, wie einſt Fredegunde<lb/> mit Clothar vor den Franken; ſie hatte in ihrer Rolle<lb/> wenige und gefuͤhlvolle Worte vorgeſchrieben; alle dieſe<lb/> Dinge arrangirte Martinez. Als die Cholera ausbrach,<lb/> ließ ſie nur Rizio und Martinez in la Grania ein,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [48/0066]
Martinez de la Roſa.
eigniß; ſie hat nichts, als einige kleine Leidenſchaften,
etwas Schwaͤrmerei und will zart behandelt ſeyn. Sie
wuͤrde genug gethan zu haben glauben, wenn ſie Rizio
Munnoz begluͤckte, und ſoll bald das Teſtament Fer¬
dinands vollziehen, Miniſter waͤhlen, Takt haben, die
Garde defiliren laſſen, und kriegeriſche Operationen un¬
terzeichnen. Sie wuͤrde alles untereinander geworfen ha¬
ben, wie auf einem Naͤhtiſch, wenn nicht Martinez de
la Roſa mit ſanfter Rede, milden Vorwuͤrfen und
bildlichen Vergleichen neben ihr ſtuͤnde. Marie Chriſtine
iſt durch ihn eine ſchoͤne Seele geworden. Er lieſt ihr
die Dekrete wie Stellen aus ſeinen Dramen vor, er
wirft um alles ein phantaſtiſches Kleid, er macht die
Zuſammenberufung der Cortes zu einer Aufgabe des
Garderobiers, und hat zu dem Saale derſelben ihr ſo
viel architektoniſche Riſſe vorgelegt, daß ſie durch Aus¬
wahl des ſchoͤnſten ihren Geſchmack vor ganz Madrid
bewaͤhren konnte. Wie artig ſind die Reglements,
welche Martinez bei Feierlichkeiten der Koͤnigin vorſchrieb!
Sie erſchien mit ihrem Kinde, wie einſt Fredegunde
mit Clothar vor den Franken; ſie hatte in ihrer Rolle
wenige und gefuͤhlvolle Worte vorgeſchrieben; alle dieſe
Dinge arrangirte Martinez. Als die Cholera ausbrach,
ließ ſie nur Rizio und Martinez in la Grania ein,
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