Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Martinez de la Rosa. Spanien nicht anstößig zu sein scheint, Deklamationund Gesten zu diesen Worten hinzukommen, so müs¬ sen sie in dem Saale eine großartige Wirkung hervor¬ bringen. Doch seine Zwischenreden, seine Einwände, das, was man den parlamentarischen Dialog nennen könnte, sind pedantisch, mit Logik bestäubt, sie sind pe¬ nibel, und verrathen den Kleinmeister. Martinez de la Rosa ist immer zur Hand, wo es eine Distinktion gilt, er liebt es, am Unwesentlichen zu klauben, und auf Dinge Werth zu legen, die die Untersuchung gar nicht weiter bringen. Aber was ihn stürzen muß, ist zuletzt weniger die Form, als der Inhalt seiner Diskurse. Ich glaube, er ist in seinen Handlungen weniger vorsichtig als in seinen Reden. Er gleicht den deutschen Pedan¬ ten, welche die Freiheit lieben würden, wenn sie nicht für alles gleich Beispiele hätten und gewohnt wären, die Dinge immer vom verkehrten Standpunkte anzu¬ sehen. Martinez de la Rosa hat sich aus der Ge¬ schichte der Revolutionen so viel Erfahrungen, kleine Sätze und Maximen abstrahirt, daß er ohne Citat kei¬ nen Schritt vorwärts setzen kann. Bald schwebt ihm der Konvent vor, bald die französische Journalistik, bald weist er auf Mirabeau, bald auf Burke hin; es ist eine Gelehrsamkeit, die ihn ersticken muß. Wäre die 4 *
Martinez de la Roſa. Spanien nicht anſtoͤßig zu ſein ſcheint, Deklamationund Geſten zu dieſen Worten hinzukommen, ſo muͤſ¬ ſen ſie in dem Saale eine großartige Wirkung hervor¬ bringen. Doch ſeine Zwiſchenreden, ſeine Einwaͤnde, das, was man den parlamentariſchen Dialog nennen koͤnnte, ſind pedantiſch, mit Logik beſtaͤubt, ſie ſind pe¬ nibel, und verrathen den Kleinmeiſter. Martinez de la Roſa iſt immer zur Hand, wo es eine Diſtinktion gilt, er liebt es, am Unweſentlichen zu klauben, und auf Dinge Werth zu legen, die die Unterſuchung gar nicht weiter bringen. Aber was ihn ſtuͤrzen muß, iſt zuletzt weniger die Form, als der Inhalt ſeiner Diskurſe. Ich glaube, er iſt in ſeinen Handlungen weniger vorſichtig als in ſeinen Reden. Er gleicht den deutſchen Pedan¬ ten, welche die Freiheit lieben wuͤrden, wenn ſie nicht fuͤr alles gleich Beiſpiele haͤtten und gewohnt waͤren, die Dinge immer vom verkehrten Standpunkte anzu¬ ſehen. Martinez de la Roſa hat ſich aus der Ge¬ ſchichte der Revolutionen ſo viel Erfahrungen, kleine Saͤtze und Maximen abſtrahirt, daß er ohne Citat kei¬ nen Schritt vorwaͤrts ſetzen kann. Bald ſchwebt ihm der Konvent vor, bald die franzoͤſiſche Journaliſtik, bald weiſt er auf Mirabeau, bald auf Burke hin; es iſt eine Gelehrſamkeit, die ihn erſticken muß. Waͤre die 4 *
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Martinez de la Roſa.
Spanien nicht anſtoͤßig zu ſein ſcheint, Deklamation
und Geſten zu dieſen Worten hinzukommen, ſo muͤſ¬
ſen ſie in dem Saale eine großartige Wirkung hervor¬
bringen. Doch ſeine Zwiſchenreden, ſeine Einwaͤnde,
das, was man den parlamentariſchen Dialog nennen
koͤnnte, ſind pedantiſch, mit Logik beſtaͤubt, ſie ſind pe¬
nibel, und verrathen den Kleinmeiſter. Martinez de la
Roſa iſt immer zur Hand, wo es eine Diſtinktion gilt,
er liebt es, am Unweſentlichen zu klauben, und auf
Dinge Werth zu legen, die die Unterſuchung gar nicht
weiter bringen. Aber was ihn ſtuͤrzen muß, iſt zuletzt
weniger die Form, als der Inhalt ſeiner Diskurſe. Ich
glaube, er iſt in ſeinen Handlungen weniger vorſichtig
als in ſeinen Reden. Er gleicht den deutſchen Pedan¬
ten, welche die Freiheit lieben wuͤrden, wenn ſie nicht
fuͤr alles gleich Beiſpiele haͤtten und gewohnt waͤren,
die Dinge immer vom verkehrten Standpunkte anzu¬
ſehen. Martinez de la Roſa hat ſich aus der Ge¬
ſchichte der Revolutionen ſo viel Erfahrungen, kleine
Saͤtze und Maximen abſtrahirt, daß er ohne Citat kei¬
nen Schritt vorwaͤrts ſetzen kann. Bald ſchwebt ihm
der Konvent vor, bald die franzoͤſiſche Journaliſtik, bald
weiſt er auf Mirabeau, bald auf Burke hin; es iſt
eine Gelehrſamkeit, die ihn erſticken muß. Waͤre die
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