Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Martinez de la Rosa. Kammer nicht selber so naiv, träte in ihr die Revolutionnicht mit so vieler Angst, so scheu und besorglich auf, so müßte der Pedantismus des Ministers längst durchgefallen sein. Wir wissen auf die Länge nicht, was Martinez de la Rosa ohne Majorität für Spanien thun will. Es ist wahr, die Petition der Rechte mag eine Formalität gewesen sein, in welcher es gleichgültig war, zu unterliegen; aber wird die Finanzfrage sich günstiger beantworten? Wird die Kammer in ihrer wahrhaft originellen, leidenschaftlosen Re¬ volution fortschleudern, und nicht bald den Sturmschritt schlagen lassen? Wird endlich die Insurrektion, dieser uner¬ trägliche Widerspruch gegen Spaniens Glück und Wohl¬ fahrt, nicht durch anßerordentliche Maaßregeln ausgerottet werden müssen? Außerordentlicher Maaßregeln ist das je¬ tzige Ministerium aber nicht fähig. Es muß zu einer allge¬ meinen Bewaffnung kommen; denn Frankreich beweist, daß die Vendee ohne Nationalmiliz nicht getilgt werden kann. Diese praktische Freiheit aber kann Martinez de la Rosa, an die Freiheit der Koulissen, an das Phantom ge¬ wöhnt, nicht ertragen. Er wird noch einmal in den Pal¬ last der Regentin treten, das königliche Kind mit seinen Thränen benetzen, und dann die Olivenwälder von Gra¬ nada aufsuchen, um in ihrem Schatten die flüsternden Laute der Natur zu belauschen, welche nur ein Dichter versteht. Martinez de la Roſa. Kammer nicht ſelber ſo naiv, traͤte in ihr die Revolutionnicht mit ſo vieler Angſt, ſo ſcheu und beſorglich auf, ſo muͤßte der Pedantismus des Miniſters laͤngſt durchgefallen ſein. Wir wiſſen auf die Laͤnge nicht, was Martinez de la Roſa ohne Majoritaͤt fuͤr Spanien thun will. Es iſt wahr, die Petition der Rechte mag eine Formalitaͤt geweſen ſein, in welcher es gleichguͤltig war, zu unterliegen; aber wird die Finanzfrage ſich guͤnſtiger beantworten? Wird die Kammer in ihrer wahrhaft originellen, leidenſchaftloſen Re¬ volution fortſchleudern, und nicht bald den Sturmſchritt ſchlagen laſſen? Wird endlich die Inſurrektion, dieſer uner¬ traͤgliche Widerſpruch gegen Spaniens Gluͤck und Wohl¬ fahrt, nicht durch anßerordentliche Maaßregeln ausgerottet werden muͤſſen? Außerordentlicher Maaßregeln iſt das je¬ tzige Miniſterium aber nicht faͤhig. Es muß zu einer allge¬ meinen Bewaffnung kommen; denn Frankreich beweiſt, daß die Vendee ohne Nationalmiliz nicht getilgt werden kann. Dieſe praktiſche Freiheit aber kann Martinez de la Roſa, an die Freiheit der Kouliſſen, an das Phantom ge¬ woͤhnt, nicht ertragen. Er wird noch einmal in den Pal¬ laſt der Regentin treten, das koͤnigliche Kind mit ſeinen Thraͤnen benetzen, und dann die Olivenwaͤlder von Gra¬ nada aufſuchen, um in ihrem Schatten die fluͤſternden Laute der Natur zu belauſchen, welche nur ein Dichter verſteht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0070" n="52"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Martinez de la Roſa</hi>.<lb/></fw>Kammer nicht ſelber ſo naiv, traͤte in ihr die Revolution<lb/> nicht mit ſo vieler Angſt, ſo ſcheu und beſorglich auf, ſo<lb/> muͤßte der Pedantismus des Miniſters laͤngſt durchgefallen<lb/> ſein. Wir wiſſen auf die Laͤnge nicht, was Martinez de la<lb/> Roſa ohne Majoritaͤt fuͤr Spanien thun will. Es iſt wahr,<lb/> die Petition der Rechte mag eine Formalitaͤt geweſen ſein,<lb/> in welcher es gleichguͤltig war, zu unterliegen; aber wird<lb/> die Finanzfrage ſich guͤnſtiger beantworten? Wird die<lb/> Kammer in ihrer wahrhaft originellen, leidenſchaftloſen Re¬<lb/> volution fortſchleudern, und nicht bald den Sturmſchritt<lb/> ſchlagen laſſen? Wird endlich die Inſurrektion, dieſer uner¬<lb/> traͤgliche Widerſpruch gegen Spaniens Gluͤck und Wohl¬<lb/> fahrt, nicht durch anßerordentliche Maaßregeln ausgerottet<lb/> werden muͤſſen? Außerordentlicher Maaßregeln iſt das je¬<lb/> tzige Miniſterium aber nicht faͤhig. Es muß zu einer allge¬<lb/> meinen Bewaffnung kommen; denn Frankreich beweiſt,<lb/> daß die Vendee ohne Nationalmiliz nicht getilgt werden<lb/> kann. Dieſe praktiſche Freiheit aber kann Martinez de la<lb/> Roſa, an die Freiheit der Kouliſſen, an das Phantom ge¬<lb/> woͤhnt, nicht ertragen. Er wird noch einmal in den Pal¬<lb/> laſt der Regentin treten, das koͤnigliche Kind mit ſeinen<lb/> Thraͤnen benetzen, und dann die Olivenwaͤlder von Gra¬<lb/> nada aufſuchen, um in ihrem Schatten die fluͤſternden Laute<lb/> der Natur zu belauſchen, welche nur ein Dichter verſteht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [52/0070]
Martinez de la Roſa.
Kammer nicht ſelber ſo naiv, traͤte in ihr die Revolution
nicht mit ſo vieler Angſt, ſo ſcheu und beſorglich auf, ſo
muͤßte der Pedantismus des Miniſters laͤngſt durchgefallen
ſein. Wir wiſſen auf die Laͤnge nicht, was Martinez de la
Roſa ohne Majoritaͤt fuͤr Spanien thun will. Es iſt wahr,
die Petition der Rechte mag eine Formalitaͤt geweſen ſein,
in welcher es gleichguͤltig war, zu unterliegen; aber wird
die Finanzfrage ſich guͤnſtiger beantworten? Wird die
Kammer in ihrer wahrhaft originellen, leidenſchaftloſen Re¬
volution fortſchleudern, und nicht bald den Sturmſchritt
ſchlagen laſſen? Wird endlich die Inſurrektion, dieſer uner¬
traͤgliche Widerſpruch gegen Spaniens Gluͤck und Wohl¬
fahrt, nicht durch anßerordentliche Maaßregeln ausgerottet
werden muͤſſen? Außerordentlicher Maaßregeln iſt das je¬
tzige Miniſterium aber nicht faͤhig. Es muß zu einer allge¬
meinen Bewaffnung kommen; denn Frankreich beweiſt,
daß die Vendee ohne Nationalmiliz nicht getilgt werden
kann. Dieſe praktiſche Freiheit aber kann Martinez de la
Roſa, an die Freiheit der Kouliſſen, an das Phantom ge¬
woͤhnt, nicht ertragen. Er wird noch einmal in den Pal¬
laſt der Regentin treten, das koͤnigliche Kind mit ſeinen
Thraͤnen benetzen, und dann die Olivenwaͤlder von Gra¬
nada aufſuchen, um in ihrem Schatten die fluͤſternden Laute
der Natur zu belauſchen, welche nur ein Dichter verſteht.
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