Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Chateaubriand. Das ist es: Chateaubriand erwartete nichts; man Was bliebe dem sonderbaren Greise noch zum Wir haben Goethe gehabt; wir wissen, was hi¬ Chateaubriand war kein Genie; wir müssen eine Chateaubriand. Das iſt es: Chateaubriand erwartete nichts; man Was bliebe dem ſonderbaren Greiſe noch zum Wir haben Goethe gehabt; wir wiſſen, was hi¬ Chateaubriand war kein Genie; wir muͤſſen eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0075" n="57"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Chateaubriand</hi>.<lb/></fw> <p>Das iſt es: Chateaubriand erwartete nichts; man<lb/> verſprach ihm nichts, man ſchmeichelte ihm mit keiner<lb/> Hoffnung. Es iſt niemals Jemand mit ſo wenig<lb/> Opfern ungluͤcklich geweſen; wenn er fiel, ſo that er<lb/> ſich ſelbſt am wenigſten wehe. Chateaubriand will ein<lb/> Maͤrtyrer ſeyn; er will neben den Opfern Diocletians<lb/> und den eilftauſend Jungfrauen genannt ſein. Das<lb/> iſt ein Scherz; aber lacht daruͤber nicht! Es iſt ihm<lb/> darum zu thun, er hat es heilig damit.</p><lb/> <p>Was bliebe dem ſonderbaren Greiſe noch zum<lb/> Troſt uͤbrig? Nennt ihn alſo Maͤrtyrer, wenn er auch<lb/> fuͤr Niemanden untergegangen iſt, als fuͤr ſich ſelbſt!</p><lb/> <p>Wir haben Goethe gehabt; wir wiſſen, was hi¬<lb/> ſtoriſcher Indifferentismus iſt. Maͤnner von den groͤ߬<lb/> ten Geiſteskraͤften matteten ſich an kleinen Verhaͤltniſ¬<lb/> ſen, an geraͤuſchloſen Zeiten ab. Stuͤrmiſche, gefahr¬<lb/> volle Epochen warfen die Mittelmaͤßigen in die Hoͤhe,<lb/> und da, wo die Staͤrkſten haͤtten ſtehen ſollen, ſahen<lb/> wir Cretins. Maͤnner von Genie ſind vor großen Er¬<lb/> eigniſſen geflohen. Das Erhabene iſt vielfach verkannt<lb/> worden, und nicht ſelten von denen, die ihm am ver¬<lb/> wandteſten waren.</p><lb/> <p>Chateaubriand war kein Genie; wir muͤſſen eine<lb/> Stufe herabſteigen. Chateaubriand erhielt von der Na¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [57/0075]
Chateaubriand.
Das iſt es: Chateaubriand erwartete nichts; man
verſprach ihm nichts, man ſchmeichelte ihm mit keiner
Hoffnung. Es iſt niemals Jemand mit ſo wenig
Opfern ungluͤcklich geweſen; wenn er fiel, ſo that er
ſich ſelbſt am wenigſten wehe. Chateaubriand will ein
Maͤrtyrer ſeyn; er will neben den Opfern Diocletians
und den eilftauſend Jungfrauen genannt ſein. Das
iſt ein Scherz; aber lacht daruͤber nicht! Es iſt ihm
darum zu thun, er hat es heilig damit.
Was bliebe dem ſonderbaren Greiſe noch zum
Troſt uͤbrig? Nennt ihn alſo Maͤrtyrer, wenn er auch
fuͤr Niemanden untergegangen iſt, als fuͤr ſich ſelbſt!
Wir haben Goethe gehabt; wir wiſſen, was hi¬
ſtoriſcher Indifferentismus iſt. Maͤnner von den groͤ߬
ten Geiſteskraͤften matteten ſich an kleinen Verhaͤltniſ¬
ſen, an geraͤuſchloſen Zeiten ab. Stuͤrmiſche, gefahr¬
volle Epochen warfen die Mittelmaͤßigen in die Hoͤhe,
und da, wo die Staͤrkſten haͤtten ſtehen ſollen, ſahen
wir Cretins. Maͤnner von Genie ſind vor großen Er¬
eigniſſen geflohen. Das Erhabene iſt vielfach verkannt
worden, und nicht ſelten von denen, die ihm am ver¬
wandteſten waren.
Chateaubriand war kein Genie; wir muͤſſen eine
Stufe herabſteigen. Chateaubriand erhielt von der Na¬
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