[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.nicht aus diesem Becher des Todes getrunken hätten. Die Sagen des alten Nordens weben, wie die Nebel auf seinen düstern Heiden, beständig zwischen Leben und Tod. Schon bei der Geburt seiner gefeierten Helden hört man den Grabgesang, die Götter selbst haben zeitliche Gränzen ihrer Macht, und dämmern dem Untergange entgegen. Solche Empfindungen ließen sich der Lehre des Christenthums leicht anpassen, sie fixirten sich in einem bestimmten, religiösen Bewußtsein, und so ist denn die thörichtste Erscheinung des Dualismus entstanden, die, daß man sich nicht ohne Stolz Bürger zweier Welten nennt. Unser Prediger-, Superintendenten- und Consistorialwesen wird uns noch zu Grunde richten. Das sonntägliche salvos fac die acht und dreißig Bundestagsconstituenten läßt sich freilich nicht umgehen. Vielleicht ist auch die Andeutung gut, daß die Könige vieler Huld von Gott bedürfen, um regieren zu können, und daß sie derselbe mit treuen und redlichen Dienern umgeben möge. Friedrich der Große ließ sich sogar in den Kirchen Gottes unterthänigen Knecht nennen, welcher Gebrauch in Preußen mit der Leibeigenschaft wieder aufgehört hat. Doch das gefährlichste Uebel ist die deutsche Predigtmanier, sie ist geist- und lebentödtend. In den katholischen Ländern erhalten die nicht aus diesem Becher des Todes getrunken hätten. Die Sagen des alten Nordens weben, wie die Nebel auf seinen düstern Heiden, beständig zwischen Leben und Tod. Schon bei der Geburt seiner gefeierten Helden hört man den Grabgesang, die Götter selbst haben zeitliche Gränzen ihrer Macht, und dämmern dem Untergange entgegen. Solche Empfindungen ließen sich der Lehre des Christenthums leicht anpassen, sie fixirten sich in einem bestimmten, religiösen Bewußtsein, und so ist denn die thörichtste Erscheinung des Dualismus entstanden, die, daß man sich nicht ohne Stolz Bürger zweier Welten nennt. Unser Prediger-, Superintendenten- und Consistorialwesen wird uns noch zu Grunde richten. Das sonntägliche salvos fac die acht und dreißig Bundestagsconstituenten läßt sich freilich nicht umgehen. Vielleicht ist auch die Andeutung gut, daß die Könige vieler Huld von Gott bedürfen, um regieren zu können, und daß sie derselbe mit treuen und redlichen Dienern umgeben möge. Friedrich der Große ließ sich sogar in den Kirchen Gottes unterthänigen Knecht nennen, welcher Gebrauch in Preußen mit der Leibeigenschaft wieder aufgehört hat. Doch das gefährlichste Uebel ist die deutsche Predigtmanier, sie ist geist- und lebentödtend. In den katholischen Ländern erhalten die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0113" n="100"/> nicht aus diesem Becher des Todes getrunken hätten. Die Sagen des alten Nordens weben, wie die Nebel auf seinen düstern Heiden, beständig zwischen Leben und Tod. Schon bei der Geburt seiner gefeierten Helden hört man den Grabgesang, die Götter selbst haben zeitliche Gränzen ihrer Macht, und dämmern dem Untergange entgegen. Solche Empfindungen ließen sich der Lehre des Christenthums leicht anpassen, sie fixirten sich in einem bestimmten, religiösen Bewußtsein, und so ist denn die thörichtste Erscheinung des Dualismus entstanden, die, daß man sich nicht ohne Stolz Bürger zweier Welten nennt.</p> <p>Unser Prediger-, Superintendenten- und Consistorialwesen wird uns noch zu Grunde richten. Das sonntägliche <hi rendition="#aq">salvos fac</hi> die acht und dreißig Bundestagsconstituenten läßt sich freilich nicht umgehen. Vielleicht ist auch die Andeutung gut, daß die Könige vieler Huld von Gott bedürfen, um regieren zu können, und daß sie derselbe mit treuen und redlichen Dienern umgeben möge. Friedrich der Große ließ sich sogar in den Kirchen Gottes unterthänigen Knecht nennen, welcher Gebrauch in Preußen mit der Leibeigenschaft wieder aufgehört hat. Doch das gefährlichste Uebel ist die deutsche Predigtmanier, sie ist geist- und lebentödtend. In den katholischen Ländern erhalten die </p> </div> </body> </text> </TEI> [100/0113]
nicht aus diesem Becher des Todes getrunken hätten. Die Sagen des alten Nordens weben, wie die Nebel auf seinen düstern Heiden, beständig zwischen Leben und Tod. Schon bei der Geburt seiner gefeierten Helden hört man den Grabgesang, die Götter selbst haben zeitliche Gränzen ihrer Macht, und dämmern dem Untergange entgegen. Solche Empfindungen ließen sich der Lehre des Christenthums leicht anpassen, sie fixirten sich in einem bestimmten, religiösen Bewußtsein, und so ist denn die thörichtste Erscheinung des Dualismus entstanden, die, daß man sich nicht ohne Stolz Bürger zweier Welten nennt.
Unser Prediger-, Superintendenten- und Consistorialwesen wird uns noch zu Grunde richten. Das sonntägliche salvos fac die acht und dreißig Bundestagsconstituenten läßt sich freilich nicht umgehen. Vielleicht ist auch die Andeutung gut, daß die Könige vieler Huld von Gott bedürfen, um regieren zu können, und daß sie derselbe mit treuen und redlichen Dienern umgeben möge. Friedrich der Große ließ sich sogar in den Kirchen Gottes unterthänigen Knecht nennen, welcher Gebrauch in Preußen mit der Leibeigenschaft wieder aufgehört hat. Doch das gefährlichste Uebel ist die deutsche Predigtmanier, sie ist geist- und lebentödtend. In den katholischen Ländern erhalten die
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