[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.eigentlich nicht gemeint gewesen, die Bibel gäb' ein religiöses Epos ab, das nach richtiger Kunsttheorie ohne Wunder nicht sein könne, und vor Allem sei das das Wunder, daß eine solche Lehre, wie die christliche, sich nach Jahrhunderten noch habe erhalten können. Diese letzte Ausflucht erinnert mich an einen Historiker, -- thue doch Etwas in Berlin für den Mann, der an sich selbst unschuldig ist: sie wollen ihm da jetzt arg zu Leibe! -- der seine christliche Gesinnung nicht für die kleinste Tugend seiner Geschichtsauffassung hält. Er soll erklären, wie es mit des heiligen Bernhard von Clairvaux auffallenden Wundern stände. Dafür replicirt er, das sei eben das Wunder, wie ein so unscheinbarer Mann auf die Höchsten seiner Zeit mit solchem Einfluß habe wirken können, wie er ihn besaß. Ich kehre zu den Theologen zurück. Eine andere Classe, ordentlich eine Schule, die sich weit bis in die Schweiz, selbst auf die protestantischen Institute Frankreichs verbreitet hat, umgibt sich gern mit dem köstlichen Dufte evangelischer Salbung. Sie hat die Entdeckung gemacht, daß man das Christliche unter jeder Gestalt verehren müsse. Ihr ganzes Geschäft ist, fremden Glaubenseifer mit Andacht zu beschreiben, Ersatz für die Forderung, den eignen zu zeigen. Sie sind duldend, eigentlich nicht gemeint gewesen, die Bibel gäb’ ein religiöses Epos ab, das nach richtiger Kunsttheorie ohne Wunder nicht sein könne, und vor Allem sei das das Wunder, daß eine solche Lehre, wie die christliche, sich nach Jahrhunderten noch habe erhalten können. Diese letzte Ausflucht erinnert mich an einen Historiker, — thue doch Etwas in Berlin für den Mann, der an sich selbst unschuldig ist: sie wollen ihm da jetzt arg zu Leibe! — der seine christliche Gesinnung nicht für die kleinste Tugend seiner Geschichtsauffassung hält. Er soll erklären, wie es mit des heiligen Bernhard von Clairvaux auffallenden Wundern stände. Dafür replicirt er, das sei eben das Wunder, wie ein so unscheinbarer Mann auf die Höchsten seiner Zeit mit solchem Einfluß habe wirken können, wie er ihn besaß. Ich kehre zu den Theologen zurück. Eine andere Classe, ordentlich eine Schule, die sich weit bis in die Schweiz, selbst auf die protestantischen Institute Frankreichs verbreitet hat, umgibt sich gern mit dem köstlichen Dufte evangelischer Salbung. Sie hat die Entdeckung gemacht, daß man das Christliche unter jeder Gestalt verehren müsse. Ihr ganzes Geschäft ist, fremden Glaubenseifer mit Andacht zu beschreiben, Ersatz für die Forderung, den eignen zu zeigen. Sie sind duldend, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0146" n="133"/> eigentlich nicht gemeint gewesen, die Bibel gäb’ ein religiöses Epos ab, das nach richtiger Kunsttheorie ohne Wunder nicht sein könne, und vor Allem sei das das Wunder, daß eine solche Lehre, wie die christliche, sich nach Jahrhunderten noch habe erhalten können. Diese letzte Ausflucht erinnert mich an einen Historiker, — thue doch Etwas in Berlin für den Mann, der an sich selbst unschuldig ist: sie wollen ihm da jetzt arg zu Leibe! — der seine christliche Gesinnung nicht für die kleinste Tugend seiner Geschichtsauffassung hält. Er soll erklären, wie es mit des heiligen Bernhard von Clairvaux auffallenden Wundern stände. Dafür replicirt er, das sei eben das Wunder, wie ein so unscheinbarer Mann auf die Höchsten seiner Zeit mit solchem Einfluß habe wirken können, wie er ihn besaß.</p> <p>Ich kehre zu den Theologen zurück. Eine andere Classe, ordentlich eine Schule, die sich weit bis in die Schweiz, selbst auf die protestantischen Institute Frankreichs verbreitet hat, umgibt sich gern mit dem köstlichen Dufte evangelischer Salbung. Sie hat die Entdeckung gemacht, daß man das Christliche unter jeder Gestalt verehren müsse. Ihr ganzes Geschäft ist, fremden Glaubenseifer mit Andacht zu beschreiben, Ersatz für die Forderung, den eignen zu zeigen. Sie sind duldend, </p> </div> </body> </text> </TEI> [133/0146]
eigentlich nicht gemeint gewesen, die Bibel gäb’ ein religiöses Epos ab, das nach richtiger Kunsttheorie ohne Wunder nicht sein könne, und vor Allem sei das das Wunder, daß eine solche Lehre, wie die christliche, sich nach Jahrhunderten noch habe erhalten können. Diese letzte Ausflucht erinnert mich an einen Historiker, — thue doch Etwas in Berlin für den Mann, der an sich selbst unschuldig ist: sie wollen ihm da jetzt arg zu Leibe! — der seine christliche Gesinnung nicht für die kleinste Tugend seiner Geschichtsauffassung hält. Er soll erklären, wie es mit des heiligen Bernhard von Clairvaux auffallenden Wundern stände. Dafür replicirt er, das sei eben das Wunder, wie ein so unscheinbarer Mann auf die Höchsten seiner Zeit mit solchem Einfluß habe wirken können, wie er ihn besaß.
Ich kehre zu den Theologen zurück. Eine andere Classe, ordentlich eine Schule, die sich weit bis in die Schweiz, selbst auf die protestantischen Institute Frankreichs verbreitet hat, umgibt sich gern mit dem köstlichen Dufte evangelischer Salbung. Sie hat die Entdeckung gemacht, daß man das Christliche unter jeder Gestalt verehren müsse. Ihr ganzes Geschäft ist, fremden Glaubenseifer mit Andacht zu beschreiben, Ersatz für die Forderung, den eignen zu zeigen. Sie sind duldend,
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