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[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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Die Traumbilder schönerer, glücklicherer Zeiten, die Hoffnungen für Menschenwohl und Völkerglück spiegeln sich nie reiner, als in den klaren, unverdorbenen Gemüthern der Jugend. Welcher für das hohe Ideal der Menschheit Begeisterte hätte seine Lehren und Ermahnungen den schwachen, gefangennehmenden Vorurtheilen des Alters gepredigt? Von Lykurg bis Pestalozzi ließen sie Alle die Kinder zu sich kommen, denen die Verheißung des Himmelreiches schon auf Erden gewiß schien. Als Erzieher lernt auch der ärgste Pedant schwärmen. Man hat oft solche Bildner wie Kirchenräuber betrachtet, die aus den jugendlichen Heiligthümern durch ihr methodisches Einprägen und Eindrücken die schönsten Gefäße, Natürlichkeit, ungekünstelte Empfindung stehlen, und oft mit Recht. Aber Fichte suchte der jugendlichen Seele auch das Treiben der äußern Welt verständlich zu machen, und diese Absicht rechtfertigt ihn, wenn aus den kleinen Stämmen der großen preußischen Baumschule freilich nur die Enthusiasten des preußischen Cocardennationalismus geworden sind. Konnten die Anhänger seines Systems ahnen, daß die Zeiten und Interessen der Befreiungskriege von den Forderungen des Zeitgeistes funfzehn Jahre später so sehr verschieden sein würden? Der Grundsatz der öffentlichen Erziehung bleibt richtig, nur kann

Die Traumbilder schönerer, glücklicherer Zeiten, die Hoffnungen für Menschenwohl und Völkerglück spiegeln sich nie reiner, als in den klaren, unverdorbenen Gemüthern der Jugend. Welcher für das hohe Ideal der Menschheit Begeisterte hätte seine Lehren und Ermahnungen den schwachen, gefangennehmenden Vorurtheilen des Alters gepredigt? Von Lykurg bis Pestalozzi ließen sie Alle die Kinder zu sich kommen, denen die Verheißung des Himmelreiches schon auf Erden gewiß schien. Als Erzieher lernt auch der ärgste Pedant schwärmen. Man hat oft solche Bildner wie Kirchenräuber betrachtet, die aus den jugendlichen Heiligthümern durch ihr methodisches Einprägen und Eindrücken die schönsten Gefäße, Natürlichkeit, ungekünstelte Empfindung stehlen, und oft mit Recht. Aber Fichte suchte der jugendlichen Seele auch das Treiben der äußern Welt verständlich zu machen, und diese Absicht rechtfertigt ihn, wenn aus den kleinen Stämmen der großen preußischen Baumschule freilich nur die Enthusiasten des preußischen Cocardennationalismus geworden sind. Konnten die Anhänger seines Systems ahnen, daß die Zeiten und Interessen der Befreiungskriege von den Forderungen des Zeitgeistes funfzehn Jahre später so sehr verschieden sein würden? Der Grundsatz der öffentlichen Erziehung bleibt richtig, nur kann

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[157/0170] Die Traumbilder schönerer, glücklicherer Zeiten, die Hoffnungen für Menschenwohl und Völkerglück spiegeln sich nie reiner, als in den klaren, unverdorbenen Gemüthern der Jugend. Welcher für das hohe Ideal der Menschheit Begeisterte hätte seine Lehren und Ermahnungen den schwachen, gefangennehmenden Vorurtheilen des Alters gepredigt? Von Lykurg bis Pestalozzi ließen sie Alle die Kinder zu sich kommen, denen die Verheißung des Himmelreiches schon auf Erden gewiß schien. Als Erzieher lernt auch der ärgste Pedant schwärmen. Man hat oft solche Bildner wie Kirchenräuber betrachtet, die aus den jugendlichen Heiligthümern durch ihr methodisches Einprägen und Eindrücken die schönsten Gefäße, Natürlichkeit, ungekünstelte Empfindung stehlen, und oft mit Recht. Aber Fichte suchte der jugendlichen Seele auch das Treiben der äußern Welt verständlich zu machen, und diese Absicht rechtfertigt ihn, wenn aus den kleinen Stämmen der großen preußischen Baumschule freilich nur die Enthusiasten des preußischen Cocardennationalismus geworden sind. Konnten die Anhänger seines Systems ahnen, daß die Zeiten und Interessen der Befreiungskriege von den Forderungen des Zeitgeistes funfzehn Jahre später so sehr verschieden sein würden? Der Grundsatz der öffentlichen Erziehung bleibt richtig, nur kann

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/170>, abgerufen am 24.11.2024.