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[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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die Thatsache jenes preußischen Radicalübels dadurch leider nicht ungeschehen gemacht werden.

Du kennst den Schaden, aber es ist gut, sich ihn recht deutlich zu machen. Der öffentliche Geist in Preußen bricht sich in drei Fulgurationen: Die Beamten oder die Altpreußen, die Geistreichen oder die Cavaliere und Liebhaber des preußischen Staates und endlich die sogenannten preußischen Liberalen. Der Schlüssel dieses harmonischen Dreiklangs ist die Erziehung, wie sie war und noch ist. Die erste Classe bildet sich durch die vaterländischen Erinnerungen, sie ist die solideste Grundlage des preußischen Systems; fast anziehend, wenn man sie in ihrer Seligkeit gewähren läßt; unerträglich, wenn sie in einen Kampf mit fremden Ansichten geräth. Das Herz dieser Patrioten schlägt für Friedrich Wilhelm so rein, wie es nur eine Braut verlangen könnte. Wenn einem Gliede der königlichen Familie die Nase blutet oder ein Ohr saust, so sind sie traurig, und sehen sich einander bedenklich an. Ließe sich ein Prinz eine Gemahlin aus dem Reiche der Irokesen kommen, die Patrioten kämen zu keinem Gastmahle zusammen, wo nicht der indianischen, schwiegerväterlichen Majestät ein entzücktes Hoch gebracht würde. Es ist liebenswürdig, man möchte Thränen vergießen. Die Schulen erhalten diesen Sinn, vaterländische Er-

die Thatsache jenes preußischen Radicalübels dadurch leider nicht ungeschehen gemacht werden.

Du kennst den Schaden, aber es ist gut, sich ihn recht deutlich zu machen. Der öffentliche Geist in Preußen bricht sich in drei Fulgurationen: Die Beamten oder die Altpreußen, die Geistreichen oder die Cavaliere und Liebhaber des preußischen Staates und endlich die sogenannten preußischen Liberalen. Der Schlüssel dieses harmonischen Dreiklangs ist die Erziehung, wie sie war und noch ist. Die erste Classe bildet sich durch die vaterländischen Erinnerungen, sie ist die solideste Grundlage des preußischen Systems; fast anziehend, wenn man sie in ihrer Seligkeit gewähren läßt; unerträglich, wenn sie in einen Kampf mit fremden Ansichten geräth. Das Herz dieser Patrioten schlägt für Friedrich Wilhelm so rein, wie es nur eine Braut verlangen könnte. Wenn einem Gliede der königlichen Familie die Nase blutet oder ein Ohr saust, so sind sie traurig, und sehen sich einander bedenklich an. Ließe sich ein Prinz eine Gemahlin aus dem Reiche der Irokesen kommen, die Patrioten kämen zu keinem Gastmahle zusammen, wo nicht der indianischen, schwiegerväterlichen Majestät ein entzücktes Hoch gebracht würde. Es ist liebenswürdig, man möchte Thränen vergießen. Die Schulen erhalten diesen Sinn, vaterländische Er-

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[158/0171] die Thatsache jenes preußischen Radicalübels dadurch leider nicht ungeschehen gemacht werden. Du kennst den Schaden, aber es ist gut, sich ihn recht deutlich zu machen. Der öffentliche Geist in Preußen bricht sich in drei Fulgurationen: Die Beamten oder die Altpreußen, die Geistreichen oder die Cavaliere und Liebhaber des preußischen Staates und endlich die sogenannten preußischen Liberalen. Der Schlüssel dieses harmonischen Dreiklangs ist die Erziehung, wie sie war und noch ist. Die erste Classe bildet sich durch die vaterländischen Erinnerungen, sie ist die solideste Grundlage des preußischen Systems; fast anziehend, wenn man sie in ihrer Seligkeit gewähren läßt; unerträglich, wenn sie in einen Kampf mit fremden Ansichten geräth. Das Herz dieser Patrioten schlägt für Friedrich Wilhelm so rein, wie es nur eine Braut verlangen könnte. Wenn einem Gliede der königlichen Familie die Nase blutet oder ein Ohr saust, so sind sie traurig, und sehen sich einander bedenklich an. Ließe sich ein Prinz eine Gemahlin aus dem Reiche der Irokesen kommen, die Patrioten kämen zu keinem Gastmahle zusammen, wo nicht der indianischen, schwiegerväterlichen Majestät ein entzücktes Hoch gebracht würde. Es ist liebenswürdig, man möchte Thränen vergießen. Die Schulen erhalten diesen Sinn, vaterländische Er-

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/171>, abgerufen am 24.11.2024.