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[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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innerungsfeste beleben ihn, die Frauen machen ihn poetisch. Wir haben hier ein Gedicht, ein Epos der Ueberzeugung. Welche Stellung dazu Fichte einnimmt, könnt' ich aus meinem eignen Leben beweisen. Meine erste Jugend fällt in jene Zeit, wo die preußische Regierung so sehr Kind wurde, sich vor Kindern zu fürchten. Wenn wir einst auf dem Exercierplatze bei Berlin vor Hoheiten und Majestäten Uhren und dergleichen Habseligkeiten von weit über hundert Fuß hohen geschälten Fichten herunterbrachten, wie konnten wir da gefährlich werden? Es ist wahr, wir glaubten an ein freies, unabhängiges Leben, aber die Jugend ist nie folgsamer, als wenn sie unter dem Schein vollkommener Willensfreiheit erzogen wird. Ich kenn' einen jungen Seiltänzer, der sein Gewerbe längst verflucht hat und vergebens den Schutz der Obrigkeit gegen die Tyrannei seines zwingenden Vaters nachsucht, aber er ist der beste Freund seines Despoten und seines halsgefährlichen Gewerbes, wenn ihm der rauschende Beifall einer versammelten Menge gezollt wird. Es ist noch mehr wahr, wir traten in die Burschenschaft, substituirten in unsern Liedern statt Landesvater Vaterland, wir declamirten viel vom Nibelungenhorde, der im Rhein läge, von der deutschen Kaiserkrone, aber wer unter uns hätte sie nicht Friedrich Wilhelm dem Ge-

innerungsfeste beleben ihn, die Frauen machen ihn poetisch. Wir haben hier ein Gedicht, ein Epos der Ueberzeugung. Welche Stellung dazu Fichte einnimmt, könnt’ ich aus meinem eignen Leben beweisen. Meine erste Jugend fällt in jene Zeit, wo die preußische Regierung so sehr Kind wurde, sich vor Kindern zu fürchten. Wenn wir einst auf dem Exercierplatze bei Berlin vor Hoheiten und Majestäten Uhren und dergleichen Habseligkeiten von weit über hundert Fuß hohen geschälten Fichten herunterbrachten, wie konnten wir da gefährlich werden? Es ist wahr, wir glaubten an ein freies, unabhängiges Leben, aber die Jugend ist nie folgsamer, als wenn sie unter dem Schein vollkommener Willensfreiheit erzogen wird. Ich kenn’ einen jungen Seiltänzer, der sein Gewerbe längst verflucht hat und vergebens den Schutz der Obrigkeit gegen die Tyrannei seines zwingenden Vaters nachsucht, aber er ist der beste Freund seines Despoten und seines halsgefährlichen Gewerbes, wenn ihm der rauschende Beifall einer versammelten Menge gezollt wird. Es ist noch mehr wahr, wir traten in die Burschenschaft, substituirten in unsern Liedern statt Landesvater Vaterland, wir declamirten viel vom Nibelungenhorde, der im Rhein läge, von der deutschen Kaiserkrone, aber wer unter uns hätte sie nicht Friedrich Wilhelm dem Ge-

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[159/0172] innerungsfeste beleben ihn, die Frauen machen ihn poetisch. Wir haben hier ein Gedicht, ein Epos der Ueberzeugung. Welche Stellung dazu Fichte einnimmt, könnt’ ich aus meinem eignen Leben beweisen. Meine erste Jugend fällt in jene Zeit, wo die preußische Regierung so sehr Kind wurde, sich vor Kindern zu fürchten. Wenn wir einst auf dem Exercierplatze bei Berlin vor Hoheiten und Majestäten Uhren und dergleichen Habseligkeiten von weit über hundert Fuß hohen geschälten Fichten herunterbrachten, wie konnten wir da gefährlich werden? Es ist wahr, wir glaubten an ein freies, unabhängiges Leben, aber die Jugend ist nie folgsamer, als wenn sie unter dem Schein vollkommener Willensfreiheit erzogen wird. Ich kenn’ einen jungen Seiltänzer, der sein Gewerbe längst verflucht hat und vergebens den Schutz der Obrigkeit gegen die Tyrannei seines zwingenden Vaters nachsucht, aber er ist der beste Freund seines Despoten und seines halsgefährlichen Gewerbes, wenn ihm der rauschende Beifall einer versammelten Menge gezollt wird. Es ist noch mehr wahr, wir traten in die Burschenschaft, substituirten in unsern Liedern statt Landesvater Vaterland, wir declamirten viel vom Nibelungenhorde, der im Rhein läge, von der deutschen Kaiserkrone, aber wer unter uns hätte sie nicht Friedrich Wilhelm dem Ge-

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/172>, abgerufen am 24.11.2024.