[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.ein Himmelreich auf Erden gibt, ob es keines gibt, ich weiß es nicht, nur das weiß ich, daß ich es nicht finden darf. Denn eine tiefe Philosophie lehrt, wer einen Engel begreift, ihn erkennt, macht ihn zum Teufel. Es gibt Stunden, wo ich vor der Größe des Weltgeistes andächtig bete, wo ich nach heiligen Gräbern, Lorettohütten, ehrwürdigen Domen pilgere, wo ich heiliges Weihwasser schöpfe und meine brennende Stirn netze. Wenn ich mich aber vergeblich bemüht habe, jene Menschen nicht zu sehen, die die Nimbusstrahlen jedes Heiligenbildes auf ihr hirnleeres Haupt zu sammeln suchen, wenn ich vergebens mich gemüht habe, aus jenem Satze, daß die Menge nur das Nächste, das Sinnliche zu erfassen vermöge, den Wahnwitz wegzuschaffen, so kommt der Spott wie Windeswehen über mich, und ich bin aus meiner seligen Illusion heraus. Welche Verehrung zollt' ich früher der Monarchie! Wenn es sich um Ideen handelte, die die Grundlage der menschlichen Gesellschaft bilden müßten, so schien sie mir für solche die einzige Sicherstellung zu sein. Ein Monarch war mir dabei mehr als der erste Bürger, was Friedrich II. nur sein wollte, selbst noch mehr als die Personification der Gerechtigkeit. Mit der tiefsten Demuth beugt' ich mein Haupt, und fand in ein Himmelreich auf Erden gibt, ob es keines gibt, ich weiß es nicht, nur das weiß ich, daß ich es nicht finden darf. Denn eine tiefe Philosophie lehrt, wer einen Engel begreift, ihn erkennt, macht ihn zum Teufel. Es gibt Stunden, wo ich vor der Größe des Weltgeistes andächtig bete, wo ich nach heiligen Gräbern, Lorettohütten, ehrwürdigen Domen pilgere, wo ich heiliges Weihwasser schöpfe und meine brennende Stirn netze. Wenn ich mich aber vergeblich bemüht habe, jene Menschen nicht zu sehen, die die Nimbusstrahlen jedes Heiligenbildes auf ihr hirnleeres Haupt zu sammeln suchen, wenn ich vergebens mich gemüht habe, aus jenem Satze, daß die Menge nur das Nächste, das Sinnliche zu erfassen vermöge, den Wahnwitz wegzuschaffen, so kommt der Spott wie Windeswehen über mich, und ich bin aus meiner seligen Illusion heraus. Welche Verehrung zollt’ ich früher der Monarchie! Wenn es sich um Ideen handelte, die die Grundlage der menschlichen Gesellschaft bilden müßten, so schien sie mir für solche die einzige Sicherstellung zu sein. Ein Monarch war mir dabei mehr als der erste Bürger, was Friedrich II. nur sein wollte, selbst noch mehr als die Personification der Gerechtigkeit. Mit der tiefsten Demuth beugt’ ich mein Haupt, und fand in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0221" n="208"/> ein Himmelreich auf Erden gibt, ob es keines gibt, ich weiß es nicht, nur das weiß ich, daß ich es nicht finden darf. Denn eine tiefe Philosophie lehrt, wer einen Engel begreift, ihn erkennt, macht ihn zum Teufel.</p> <p>Es gibt Stunden, wo ich vor der Größe des Weltgeistes andächtig bete, wo ich nach heiligen Gräbern, Lorettohütten, ehrwürdigen Domen pilgere, wo ich heiliges Weihwasser schöpfe und meine brennende Stirn netze. Wenn ich mich aber vergeblich bemüht habe, jene Menschen nicht zu sehen, die die Nimbusstrahlen jedes Heiligenbildes auf ihr hirnleeres Haupt zu sammeln suchen, wenn ich vergebens mich gemüht habe, aus jenem Satze, daß die Menge nur das Nächste, das Sinnliche zu erfassen vermöge, den Wahnwitz wegzuschaffen, so kommt der Spott wie Windeswehen über mich, und ich bin aus meiner seligen Illusion heraus.</p> <p>Welche Verehrung zollt’ ich früher der Monarchie! Wenn es sich um Ideen handelte, die die Grundlage der menschlichen Gesellschaft bilden müßten, so schien sie mir für solche die einzige Sicherstellung zu sein. Ein Monarch war mir dabei mehr als der erste Bürger, was Friedrich II. nur sein wollte, selbst noch mehr als die Personification der Gerechtigkeit. Mit der tiefsten Demuth beugt’ ich mein Haupt, und fand in </p> </div> </body> </text> </TEI> [208/0221]
ein Himmelreich auf Erden gibt, ob es keines gibt, ich weiß es nicht, nur das weiß ich, daß ich es nicht finden darf. Denn eine tiefe Philosophie lehrt, wer einen Engel begreift, ihn erkennt, macht ihn zum Teufel.
Es gibt Stunden, wo ich vor der Größe des Weltgeistes andächtig bete, wo ich nach heiligen Gräbern, Lorettohütten, ehrwürdigen Domen pilgere, wo ich heiliges Weihwasser schöpfe und meine brennende Stirn netze. Wenn ich mich aber vergeblich bemüht habe, jene Menschen nicht zu sehen, die die Nimbusstrahlen jedes Heiligenbildes auf ihr hirnleeres Haupt zu sammeln suchen, wenn ich vergebens mich gemüht habe, aus jenem Satze, daß die Menge nur das Nächste, das Sinnliche zu erfassen vermöge, den Wahnwitz wegzuschaffen, so kommt der Spott wie Windeswehen über mich, und ich bin aus meiner seligen Illusion heraus.
Welche Verehrung zollt’ ich früher der Monarchie! Wenn es sich um Ideen handelte, die die Grundlage der menschlichen Gesellschaft bilden müßten, so schien sie mir für solche die einzige Sicherstellung zu sein. Ein Monarch war mir dabei mehr als der erste Bürger, was Friedrich II. nur sein wollte, selbst noch mehr als die Personification der Gerechtigkeit. Mit der tiefsten Demuth beugt’ ich mein Haupt, und fand in
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