Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

nichts mehr sein, als Freimaurer. Du erlaubst, Gute, daß ich an dieser Stelle einige Thränen rinnen lasse, denn ich habe sämmtliche Schriften von Henrik Steffens gelesen, habe in alle Bäume, die im Thiergarten der Rousseausinsel nahe stehen, die verschlungenen Buchstaben K und R eingeritzt, und dabei Gedichte gemacht an Sie! Aber dennoch, würd' es nicht thöricht sein, einen Zustand, den uns die flache, kahle Zukunft schon zurecht fegt, dadurch noch betrübter zu machen, daß man das Schöne in ihm nur durch die Vergleichung der Vergangenheit nicht bemerkt, das Wahre und Nothwendige gar nicht anerkennt? Gewiß, die Maurer sind in ihrer Art auch poetisch; sie haben so schöne, dunkle Laubengänge, so nette Partien hinter ihren heimlichen Clausen, und ich kenne viele geheime und wirkliche Räthe, die ordentlich schwermüthig sind, wenn sie einmal am Besuch der Loge verhindert werden. Wenn ich nur erst das gesetzliche Alter, einen ehrlichen Nahrungszweig und soviel damit erübrigt habe, daß ich die Rechnungen des Bruder Speisewirths und Armenpflegers honoriren kann, so laß' ich mich in Royal York oder in die große Landesmutterloge zu den drei Weltkugeln einschreiben, und magst Du mir tagelang zu Füssen liegen und nach Deiner Anhänglichkeit an den alten Volksglauben mich vom Bunde mit

nichts mehr sein, als Freimaurer. Du erlaubst, Gute, daß ich an dieser Stelle einige Thränen rinnen lasse, denn ich habe sämmtliche Schriften von Henrik Steffens gelesen, habe in alle Bäume, die im Thiergarten der Rousseausinsel nahe stehen, die verschlungenen Buchstaben K und R eingeritzt, und dabei Gedichte gemacht an Sie! Aber dennoch, würd’ es nicht thöricht sein, einen Zustand, den uns die flache, kahle Zukunft schon zurecht fegt, dadurch noch betrübter zu machen, daß man das Schöne in ihm nur durch die Vergleichung der Vergangenheit nicht bemerkt, das Wahre und Nothwendige gar nicht anerkennt? Gewiß, die Maurer sind in ihrer Art auch poetisch; sie haben so schöne, dunkle Laubengänge, so nette Partien hinter ihren heimlichen Clausen, und ich kenne viele geheime und wirkliche Räthe, die ordentlich schwermüthig sind, wenn sie einmal am Besuch der Loge verhindert werden. Wenn ich nur erst das gesetzliche Alter, einen ehrlichen Nahrungszweig und soviel damit erübrigt habe, daß ich die Rechnungen des Bruder Speisewirths und Armenpflegers honoriren kann, so laß’ ich mich in Royal York oder in die große Landesmutterloge zu den drei Weltkugeln einschreiben, und magst Du mir tagelang zu Füssen liegen und nach Deiner Anhänglichkeit an den alten Volksglauben mich vom Bunde mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0253" n="240"/>
nichts mehr sein, als Freimaurer. Du erlaubst, Gute, daß ich an dieser Stelle einige Thränen rinnen lasse, denn ich habe sämmtliche Schriften von <hi rendition="#g">Henrik</hi> Steffens gelesen, habe in alle Bäume, die im Thiergarten der Rousseausinsel nahe stehen, die verschlungenen Buchstaben K und R eingeritzt, und dabei Gedichte gemacht <hi rendition="#g">an Sie!</hi> Aber dennoch, würd&#x2019; es nicht thöricht sein, einen Zustand, den uns die flache, kahle Zukunft schon zurecht fegt, dadurch noch betrübter zu machen, daß man das Schöne in ihm nur durch die Vergleichung der Vergangenheit nicht bemerkt, das Wahre und Nothwendige gar nicht anerkennt? Gewiß, die Maurer sind in ihrer Art auch poetisch; sie haben so schöne, dunkle Laubengänge, so nette Partien hinter ihren heimlichen Clausen, und ich kenne viele geheime und wirkliche Räthe, die ordentlich schwermüthig sind, wenn sie einmal am Besuch der Loge verhindert werden. Wenn ich nur erst das gesetzliche Alter, einen ehrlichen Nahrungszweig und soviel damit erübrigt habe, daß ich die Rechnungen des Bruder Speisewirths und Armenpflegers honoriren kann, so laß&#x2019; ich mich in Royal York oder in die große Landesmutterloge zu den drei Weltkugeln einschreiben, und magst Du mir tagelang zu Füssen liegen und nach Deiner Anhänglichkeit an den alten Volksglauben mich vom Bunde mit
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0253] nichts mehr sein, als Freimaurer. Du erlaubst, Gute, daß ich an dieser Stelle einige Thränen rinnen lasse, denn ich habe sämmtliche Schriften von Henrik Steffens gelesen, habe in alle Bäume, die im Thiergarten der Rousseausinsel nahe stehen, die verschlungenen Buchstaben K und R eingeritzt, und dabei Gedichte gemacht an Sie! Aber dennoch, würd’ es nicht thöricht sein, einen Zustand, den uns die flache, kahle Zukunft schon zurecht fegt, dadurch noch betrübter zu machen, daß man das Schöne in ihm nur durch die Vergleichung der Vergangenheit nicht bemerkt, das Wahre und Nothwendige gar nicht anerkennt? Gewiß, die Maurer sind in ihrer Art auch poetisch; sie haben so schöne, dunkle Laubengänge, so nette Partien hinter ihren heimlichen Clausen, und ich kenne viele geheime und wirkliche Räthe, die ordentlich schwermüthig sind, wenn sie einmal am Besuch der Loge verhindert werden. Wenn ich nur erst das gesetzliche Alter, einen ehrlichen Nahrungszweig und soviel damit erübrigt habe, daß ich die Rechnungen des Bruder Speisewirths und Armenpflegers honoriren kann, so laß’ ich mich in Royal York oder in die große Landesmutterloge zu den drei Weltkugeln einschreiben, und magst Du mir tagelang zu Füssen liegen und nach Deiner Anhänglichkeit an den alten Volksglauben mich vom Bunde mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/253
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/253>, abgerufen am 22.11.2024.