[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.leise Andeutungen, deren Ausführung ich Andern überlasse. Die südlichen Völker tanzen häufiger als die nördlichen. Unter einer Pinie ist im Campanerthale des Abends bald eine Partie arrangirt, während unsere Bauern immer bis auf den Sonntag und die Ankunft des Stadtpfeifers warten müssen. In Italien findet man die Blüthe des Ballets, die hier so gereift ist, daß der Ausländer gern von Extravaganzen spricht. Eine Reisende sah in Neapel ein Ballet aufführen, das die Geschichte Heinrichs des Vierten vorstellte. Dieser große König hielt es verträglich mit seiner Würde, seine Schritte nach den Touren des Balletmeisters einzurichten, und mit Sülly ein Pas de deux zu tanzen. Dieselbe Dame, von der ich diese Notiz entlehne, wie sehr sie den Widerwillen gegen diese Art des historischen Ballets nicht zu unterdrücken vermochte, mußte doch eingestehen, daß ein junger Italiener ihr zur Seite ausrief: "Bei Gott, Heinrich war ein großer Fürst! Wie glücklich mußten die Franzosen sein, einen König zu haben, der ein so großer Tänzer war!" Ein italienischer Balletmeister war in dem Grade von seiner Kunst ergriffen, daß er jeden Kampf mit der Musik wagen wollte. Lange genug schien ihm das Vorurtheil, daß man Worte und leise Andeutungen, deren Ausführung ich Andern überlasse. Die südlichen Völker tanzen häufiger als die nördlichen. Unter einer Pinie ist im Campanerthale des Abends bald eine Partie arrangirt, während unsere Bauern immer bis auf den Sonntag und die Ankunft des Stadtpfeifers warten müssen. In Italien findet man die Blüthe des Ballets, die hier so gereift ist, daß der Ausländer gern von Extravaganzen spricht. Eine Reisende sah in Neapel ein Ballet aufführen, das die Geschichte Heinrichs des Vierten vorstellte. Dieser große König hielt es verträglich mit seiner Würde, seine Schritte nach den Touren des Balletmeisters einzurichten, und mit Sülly ein Pas de deux zu tanzen. Dieselbe Dame, von der ich diese Notiz entlehne, wie sehr sie den Widerwillen gegen diese Art des historischen Ballets nicht zu unterdrücken vermochte, mußte doch eingestehen, daß ein junger Italiener ihr zur Seite ausrief: »Bei Gott, Heinrich war ein großer Fürst! Wie glücklich mußten die Franzosen sein, einen König zu haben, der ein so großer Tänzer war!« Ein italienischer Balletmeister war in dem Grade von seiner Kunst ergriffen, daß er jeden Kampf mit der Musik wagen wollte. Lange genug schien ihm das Vorurtheil, daß man Worte und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0265" n="252"/> leise Andeutungen, deren Ausführung ich Andern überlasse.</p> <p>Die südlichen Völker tanzen häufiger als die nördlichen. Unter einer Pinie ist im Campanerthale des Abends bald eine Partie arrangirt, während unsere Bauern immer bis auf den Sonntag und die Ankunft des Stadtpfeifers warten müssen. In Italien findet man die Blüthe des Ballets, die hier so gereift ist, daß der Ausländer gern von Extravaganzen spricht. Eine Reisende sah in Neapel ein Ballet aufführen, das die Geschichte Heinrichs des Vierten vorstellte. Dieser große König hielt es verträglich mit seiner Würde, seine Schritte nach den Touren des Balletmeisters einzurichten, und mit Sülly ein Pas de deux zu tanzen. Dieselbe Dame, von der ich diese Notiz entlehne, wie sehr sie den Widerwillen gegen diese Art des historischen Ballets nicht zu unterdrücken vermochte, mußte doch eingestehen, daß ein junger Italiener ihr zur Seite ausrief: »Bei Gott, Heinrich war ein großer Fürst! Wie glücklich mußten die Franzosen sein, einen König zu haben, der ein so großer Tänzer war!«</p> <p>Ein italienischer Balletmeister war in dem Grade von seiner Kunst ergriffen, daß er jeden Kampf mit der Musik wagen wollte. Lange genug schien ihm das Vorurtheil, daß man Worte und </p> </div> </body> </text> </TEI> [252/0265]
leise Andeutungen, deren Ausführung ich Andern überlasse.
Die südlichen Völker tanzen häufiger als die nördlichen. Unter einer Pinie ist im Campanerthale des Abends bald eine Partie arrangirt, während unsere Bauern immer bis auf den Sonntag und die Ankunft des Stadtpfeifers warten müssen. In Italien findet man die Blüthe des Ballets, die hier so gereift ist, daß der Ausländer gern von Extravaganzen spricht. Eine Reisende sah in Neapel ein Ballet aufführen, das die Geschichte Heinrichs des Vierten vorstellte. Dieser große König hielt es verträglich mit seiner Würde, seine Schritte nach den Touren des Balletmeisters einzurichten, und mit Sülly ein Pas de deux zu tanzen. Dieselbe Dame, von der ich diese Notiz entlehne, wie sehr sie den Widerwillen gegen diese Art des historischen Ballets nicht zu unterdrücken vermochte, mußte doch eingestehen, daß ein junger Italiener ihr zur Seite ausrief: »Bei Gott, Heinrich war ein großer Fürst! Wie glücklich mußten die Franzosen sein, einen König zu haben, der ein so großer Tänzer war!«
Ein italienischer Balletmeister war in dem Grade von seiner Kunst ergriffen, daß er jeden Kampf mit der Musik wagen wollte. Lange genug schien ihm das Vorurtheil, daß man Worte und
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