[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.Umgebung, daß sie mir Gesetze vorschreiben könnte, wenn sie nur wüßte, daß ich ihr gehorchen, oder daß ihr die Kraft nicht fehlen würde, mich dazu zu zwingen. Daß dem nicht so ist, muß wohl eine weise Anordnung sein, die uns zugleich aber auch bestimmen kann, das Heil der Welt von keinem Einzelnen zu erwarten! Nicht durch die Riesenpläne eines Eroberers oder die Träume eines Staatsweisen wird die Welt regiert, sondern durch die zufällige Begegnung verschiedener Entwürfe, durch die Macht der kleinen Umstände. Die Züge Alexanders sind vielleicht der Menschheit zu einem Segen gewesen, wenigstens behaupten es die Philologen, weil man in Alexandria seither anfing, die Alten zu tractiren; aber wahrlich, nicht zu dem, den der junge Eroberer beabsichtigte. Brachten Cäsars Legionen auf ihren Triumphzügen jene Güter heim, nach denen sich das römische Volk sehnte? Ist Napoleon darum groß, weil er das Wohl der Völker wollte, oder weil er so außerordentliche Fähigkeiten entwickelte, um es zu zerstören? Das große Gebiet der Geschichte ist nur ein falscher Schein der wahren Fortschritte der Gesellschaft. Stellen die Historiker nicht immer das Krampfhafteste in den Bewegungen der Völker als Umgebung, daß sie mir Gesetze vorschreiben könnte, wenn sie nur wüßte, daß ich ihr gehorchen, oder daß ihr die Kraft nicht fehlen würde, mich dazu zu zwingen. Daß dem nicht so ist, muß wohl eine weise Anordnung sein, die uns zugleich aber auch bestimmen kann, das Heil der Welt von keinem Einzelnen zu erwarten! Nicht durch die Riesenpläne eines Eroberers oder die Träume eines Staatsweisen wird die Welt regiert, sondern durch die zufällige Begegnung verschiedener Entwürfe, durch die Macht der kleinen Umstände. Die Züge Alexanders sind vielleicht der Menschheit zu einem Segen gewesen, wenigstens behaupten es die Philologen, weil man in Alexandria seither anfing, die Alten zu tractiren; aber wahrlich, nicht zu dem, den der junge Eroberer beabsichtigte. Brachten Cäsars Legionen auf ihren Triumphzügen jene Güter heim, nach denen sich das römische Volk sehnte? Ist Napoleon darum groß, weil er das Wohl der Völker wollte, oder weil er so außerordentliche Fähigkeiten entwickelte, um es zu zerstören? Das große Gebiet der Geschichte ist nur ein falscher Schein der wahren Fortschritte der Gesellschaft. Stellen die Historiker nicht immer das Krampfhafteste in den Bewegungen der Völker als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0296" n="283"/> Umgebung, daß sie mir Gesetze vorschreiben könnte, wenn sie nur wüßte, daß ich ihr gehorchen, oder daß ihr die Kraft nicht fehlen würde, mich dazu zu zwingen.</p> <p>Daß dem nicht so ist, muß wohl eine weise Anordnung sein, die uns zugleich aber auch bestimmen kann, das Heil der Welt von keinem Einzelnen zu erwarten! Nicht durch die Riesenpläne eines Eroberers oder die Träume eines Staatsweisen wird die Welt regiert, sondern durch die zufällige Begegnung verschiedener Entwürfe, durch die Macht der kleinen Umstände.</p> <p>Die Züge Alexanders sind vielleicht der Menschheit zu einem Segen gewesen, wenigstens behaupten es die Philologen, weil man in Alexandria seither anfing, die Alten zu tractiren; aber wahrlich, nicht zu dem, den der junge Eroberer beabsichtigte. Brachten Cäsars Legionen auf ihren Triumphzügen jene Güter heim, nach denen sich das römische Volk sehnte? Ist Napoleon darum groß, weil er das Wohl der Völker wollte, oder weil er so außerordentliche Fähigkeiten entwickelte, um es zu zerstören?</p> <p>Das große Gebiet der Geschichte ist nur ein falscher Schein der wahren Fortschritte der Gesellschaft. Stellen die Historiker nicht immer das Krampfhafteste in den Bewegungen der Völker als </p> </div> </body> </text> </TEI> [283/0296]
Umgebung, daß sie mir Gesetze vorschreiben könnte, wenn sie nur wüßte, daß ich ihr gehorchen, oder daß ihr die Kraft nicht fehlen würde, mich dazu zu zwingen.
Daß dem nicht so ist, muß wohl eine weise Anordnung sein, die uns zugleich aber auch bestimmen kann, das Heil der Welt von keinem Einzelnen zu erwarten! Nicht durch die Riesenpläne eines Eroberers oder die Träume eines Staatsweisen wird die Welt regiert, sondern durch die zufällige Begegnung verschiedener Entwürfe, durch die Macht der kleinen Umstände.
Die Züge Alexanders sind vielleicht der Menschheit zu einem Segen gewesen, wenigstens behaupten es die Philologen, weil man in Alexandria seither anfing, die Alten zu tractiren; aber wahrlich, nicht zu dem, den der junge Eroberer beabsichtigte. Brachten Cäsars Legionen auf ihren Triumphzügen jene Güter heim, nach denen sich das römische Volk sehnte? Ist Napoleon darum groß, weil er das Wohl der Völker wollte, oder weil er so außerordentliche Fähigkeiten entwickelte, um es zu zerstören?
Das große Gebiet der Geschichte ist nur ein falscher Schein der wahren Fortschritte der Gesellschaft. Stellen die Historiker nicht immer das Krampfhafteste in den Bewegungen der Völker als
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