[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.das Interesse daran groß zu sein schien. Man war durch einzelne Uebergänge unvermuthet auf eine Debatte gekommen, die eine Ausgleichung der verschiedenen über das Wunderbare gefällten Urtheile bezwecken sollte. "Sie verfahren zu kriegerisch gegen unsern Gegenstand, Herr General, -- sagte eine Dame, die Schwester des Wirths zu einer kräftigen Gestalt, die sich nachlässig den goldstarrenden Rock lüftete -- Sie hauen in die Wunder ein, als gält' es ein Quarre zu zersprengen. Ich mag nicht behaupten, daß Alles, was die Phantasie oder das Vorurtheil für Wunder ausgibt, vor den Richterstuhl eines Unbefangenen treten darf, ohne zu erröthen; aber wir sollten Sorge tragen, die verschiedenartigsten Erscheinungen, nach ihren Ursachen und Absichten zu unterscheiden." "Das Leben selbst -- fuhr ein jüngerer Mann mit lebhaftem Ausdruck fort -- ist ein Räthsel. Obschon es uns zuweilen gelingt, es zu lösen, so wird uns doch der wunderbare Zusammenhang des Willens und der Fügung ewig unerklärlich bleiben. Die Gränze zwischen der Erklärung und dem Erstaunen ist sehr bestimmt abgesteckt. Ich halt' es für eben so unzulässig, das Wunderbare alsbald zu verwerfen, wenn wir jene Gränze nicht auffinden das Interesse daran groß zu sein schien. Man war durch einzelne Uebergänge unvermuthet auf eine Debatte gekommen, die eine Ausgleichung der verschiedenen über das Wunderbare gefällten Urtheile bezwecken sollte. »Sie verfahren zu kriegerisch gegen unsern Gegenstand, Herr General, — sagte eine Dame, die Schwester des Wirths zu einer kräftigen Gestalt, die sich nachlässig den goldstarrenden Rock lüftete — Sie hauen in die Wunder ein, als gält’ es ein Quarré zu zersprengen. Ich mag nicht behaupten, daß Alles, was die Phantasie oder das Vorurtheil für Wunder ausgibt, vor den Richterstuhl eines Unbefangenen treten darf, ohne zu erröthen; aber wir sollten Sorge tragen, die verschiedenartigsten Erscheinungen, nach ihren Ursachen und Absichten zu unterscheiden.« "Das Leben selbst — fuhr ein jüngerer Mann mit lebhaftem Ausdruck fort — ist ein Räthsel. Obschon es uns zuweilen gelingt, es zu lösen, so wird uns doch der wunderbare Zusammenhang des Willens und der Fügung ewig unerklärlich bleiben. Die Gränze zwischen der Erklärung und dem Erstaunen ist sehr bestimmt abgesteckt. Ich halt’ es für eben so unzulässig, das Wunderbare alsbald zu verwerfen, wenn wir jene Gränze nicht auffinden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0306" n="293"/> das Interesse daran groß zu sein schien. Man war durch einzelne Uebergänge unvermuthet auf eine Debatte gekommen, die eine Ausgleichung der verschiedenen über das <hi rendition="#g">Wunderbare</hi> gefällten Urtheile bezwecken sollte.</p> <p>»Sie verfahren zu kriegerisch gegen unsern Gegenstand, Herr General, — sagte eine Dame, die Schwester des Wirths zu einer kräftigen Gestalt, die sich nachlässig den goldstarrenden Rock lüftete — Sie hauen in die Wunder ein, als gält’ es ein Quarré zu zersprengen. Ich mag nicht behaupten, daß Alles, was die Phantasie oder das Vorurtheil für Wunder ausgibt, vor den Richterstuhl eines Unbefangenen treten darf, ohne zu erröthen; aber wir sollten Sorge tragen, die verschiedenartigsten Erscheinungen, nach ihren Ursachen und Absichten zu unterscheiden.«</p> <p>"Das Leben selbst — fuhr ein jüngerer Mann mit lebhaftem Ausdruck fort — ist ein Räthsel. Obschon es uns zuweilen gelingt, es zu lösen, so wird uns doch der wunderbare Zusammenhang des Willens und der Fügung ewig unerklärlich bleiben. Die Gränze zwischen der Erklärung und dem Erstaunen ist sehr bestimmt abgesteckt. Ich halt’ es für eben so unzulässig, das Wunderbare alsbald zu verwerfen, wenn wir jene Gränze nicht auffinden </p> </div> </body> </text> </TEI> [293/0306]
das Interesse daran groß zu sein schien. Man war durch einzelne Uebergänge unvermuthet auf eine Debatte gekommen, die eine Ausgleichung der verschiedenen über das Wunderbare gefällten Urtheile bezwecken sollte.
»Sie verfahren zu kriegerisch gegen unsern Gegenstand, Herr General, — sagte eine Dame, die Schwester des Wirths zu einer kräftigen Gestalt, die sich nachlässig den goldstarrenden Rock lüftete — Sie hauen in die Wunder ein, als gält’ es ein Quarré zu zersprengen. Ich mag nicht behaupten, daß Alles, was die Phantasie oder das Vorurtheil für Wunder ausgibt, vor den Richterstuhl eines Unbefangenen treten darf, ohne zu erröthen; aber wir sollten Sorge tragen, die verschiedenartigsten Erscheinungen, nach ihren Ursachen und Absichten zu unterscheiden.«
"Das Leben selbst — fuhr ein jüngerer Mann mit lebhaftem Ausdruck fort — ist ein Räthsel. Obschon es uns zuweilen gelingt, es zu lösen, so wird uns doch der wunderbare Zusammenhang des Willens und der Fügung ewig unerklärlich bleiben. Die Gränze zwischen der Erklärung und dem Erstaunen ist sehr bestimmt abgesteckt. Ich halt’ es für eben so unzulässig, das Wunderbare alsbald zu verwerfen, wenn wir jene Gränze nicht auffinden
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