Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Ottomar klopfte. Er wartete auf ein Herein! Niemand antwortete. Er wiederholte sein Klopfen. Endlich klinkte er die Thür nieder und sah in's Zimmer. Noch war Niemand in dem freundlichen saubern Raume. Treten Sie nur näher! hörte er eine von Husten und Athmungsbeschwerden unterbrochene Stimme. Fräulein Ehlerdt wird sogleich kommen! Das war die Schwägerin von vorhin. Sie mußte hinter einer Mauerecke gestanden haben. Martha kam. Ottomar behielt nicht viel Zeit, sich im Zimmer umzusehen, wo er fast die Einrichtung seiner Schwester wiederfand, Kleiderschränke, Nähmaschine, Bücherbrett, eine Kommode mit Nippsachen, für deren Aufbewahrung nur die Pietät, das Andenken an die Kinderjahre sprechen konnte. Wenn Ottomar seiner Schwester auch nur das Geringste an diesen blauen mit Goldsternchen geschmückten Gläschen oder Büchschen störte, war für diese gewöhnlich die Welt aus den Fugen. Eben kommt die Commerzienräthin! sagte Martha und deutete auf das von Ottomar unbeachtet gebliebene Anrollen eines Wagens. Martha schien in der größten Aufregung zu sein. Es war, als wenn eine Königin bedient sein wollte! Ottomar klopfte. Er wartete auf ein Herein! Niemand antwortete. Er wiederholte sein Klopfen. Endlich klinkte er die Thür nieder und sah in’s Zimmer. Noch war Niemand in dem freundlichen saubern Raume. Treten Sie nur näher! hörte er eine von Husten und Athmungsbeschwerden unterbrochene Stimme. Fräulein Ehlerdt wird sogleich kommen! Das war die Schwägerin von vorhin. Sie mußte hinter einer Mauerecke gestanden haben. Martha kam. Ottomar behielt nicht viel Zeit, sich im Zimmer umzusehen, wo er fast die Einrichtung seiner Schwester wiederfand, Kleiderschränke, Nähmaschine, Bücherbrett, eine Kommode mit Nippsachen, für deren Aufbewahrung nur die Pietät, das Andenken an die Kinderjahre sprechen konnte. Wenn Ottomar seiner Schwester auch nur das Geringste an diesen blauen mit Goldsternchen geschmückten Gläschen oder Büchschen störte, war für diese gewöhnlich die Welt aus den Fugen. Eben kommt die Commerzienräthin! sagte Martha und deutete auf das von Ottomar unbeachtet gebliebene Anrollen eines Wagens. Martha schien in der größten Aufregung zu sein. Es war, als wenn eine Königin bedient sein wollte! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0146" n="140"/> Ottomar klopfte. Er wartete auf ein Herein! Niemand antwortete. Er wiederholte sein Klopfen. Endlich klinkte er die Thür nieder und sah in’s Zimmer. </p> <p>Noch war Niemand in dem freundlichen saubern Raume. </p> <p>Treten Sie nur näher! hörte er eine von Husten und Athmungsbeschwerden unterbrochene Stimme. Fräulein Ehlerdt wird sogleich kommen! </p> <p>Das war die Schwägerin von vorhin. Sie mußte hinter einer Mauerecke gestanden haben. </p> <p>Martha kam. </p> <p>Ottomar behielt nicht viel Zeit, sich im Zimmer umzusehen, wo er fast die Einrichtung seiner Schwester wiederfand, Kleiderschränke, Nähmaschine, Bücherbrett, eine Kommode mit Nippsachen, für deren Aufbewahrung nur die Pietät, das Andenken an die Kinderjahre sprechen konnte. Wenn Ottomar seiner Schwester auch nur das Geringste an diesen blauen mit Goldsternchen geschmückten Gläschen oder Büchschen störte, war für diese gewöhnlich die Welt aus den Fugen. </p> <p>Eben kommt die Commerzienräthin! sagte Martha und deutete auf das von Ottomar unbeachtet gebliebene Anrollen eines Wagens. Martha schien in der größten Aufregung zu sein. Es war, als wenn eine Königin bedient sein wollte! </p> <p> </p> </div> </body> </text> </TEI> [140/0146]
Ottomar klopfte. Er wartete auf ein Herein! Niemand antwortete. Er wiederholte sein Klopfen. Endlich klinkte er die Thür nieder und sah in’s Zimmer.
Noch war Niemand in dem freundlichen saubern Raume.
Treten Sie nur näher! hörte er eine von Husten und Athmungsbeschwerden unterbrochene Stimme. Fräulein Ehlerdt wird sogleich kommen!
Das war die Schwägerin von vorhin. Sie mußte hinter einer Mauerecke gestanden haben.
Martha kam.
Ottomar behielt nicht viel Zeit, sich im Zimmer umzusehen, wo er fast die Einrichtung seiner Schwester wiederfand, Kleiderschränke, Nähmaschine, Bücherbrett, eine Kommode mit Nippsachen, für deren Aufbewahrung nur die Pietät, das Andenken an die Kinderjahre sprechen konnte. Wenn Ottomar seiner Schwester auch nur das Geringste an diesen blauen mit Goldsternchen geschmückten Gläschen oder Büchschen störte, war für diese gewöhnlich die Welt aus den Fugen.
Eben kommt die Commerzienräthin! sagte Martha und deutete auf das von Ottomar unbeachtet gebliebene Anrollen eines Wagens. Martha schien in der größten Aufregung zu sein. Es war, als wenn eine Königin bedient sein wollte!
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