Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.werden müssen, und das ruchlose Treiben des Assessors auf Umstoßung des väterlichen Testaments, das ihn für abgefunden erklärte, wäre gekrönt worden. Sie hätte den Retter ihres Vermögens, den Erhalter ihres Namens in der gesellschaftlichen und der Geschäftswelt in einem neuen Testamente nur auf ein Pflichttheil der Erbschaft verwiesen und Alles ihrem Sohne zugeschrieben. Muster waren angekommen, über deren Wahl Martha entscheiden sollte. Es war der Staatsanwalt Stracks da, der zu den Gästen des Hauses gehörte und von ihr wegen des Streiks citirt wurde. Der gefürchtete Mann erklärte sich für unfähig, gegen streikende Arbeiter etwas zu thun, da ein Gesetz wegen Contractbruchs fehle. Der Medicinalrath Flink kam, der an den Dorfbarbier in Schenks alter Oper erinnerte. Wie dieser alle Bauern nebeneinander setzt und sie sämmtlich mit einem einzigen großen Pinsel und mit einem Handgriff einseift und beinahe auch mit einem einzigen Messerstrich rasirt, so machte dieser Herr täglich die enorme Zahl von Patienten ab, die bei den colossalen Entfernungen der verschiedenen Wohnstätten dazu gehörten, ihm eine gesellschaftliche Stellung zu geben, Söhne studiren zu lassen, Töchter auszustatten und was außer zwei Bällen zum Kampf um unsre Existenz gehört. Flink hatte eine ihm angeborne Plauderlust. Aber durch die Umstände gezwungen, werden müssen, und das ruchlose Treiben des Assessors auf Umstoßung des väterlichen Testaments, das ihn für abgefunden erklärte, wäre gekrönt worden. Sie hätte den Retter ihres Vermögens, den Erhalter ihres Namens in der gesellschaftlichen und der Geschäftswelt in einem neuen Testamente nur auf ein Pflichttheil der Erbschaft verwiesen und Alles ihrem Sohne zugeschrieben. Muster waren angekommen, über deren Wahl Martha entscheiden sollte. Es war der Staatsanwalt Stracks da, der zu den Gästen des Hauses gehörte und von ihr wegen des Streiks citirt wurde. Der gefürchtete Mann erklärte sich für unfähig, gegen streikende Arbeiter etwas zu thun, da ein Gesetz wegen Contractbruchs fehle. Der Medicinalrath Flink kam, der an den Dorfbarbier in Schenks alter Oper erinnerte. Wie dieser alle Bauern nebeneinander setzt und sie sämmtlich mit einem einzigen großen Pinsel und mit einem Handgriff einseift und beinahe auch mit einem einzigen Messerstrich rasirt, so machte dieser Herr täglich die enorme Zahl von Patienten ab, die bei den colossalen Entfernungen der verschiedenen Wohnstätten dazu gehörten, ihm eine gesellschaftliche Stellung zu geben, Söhne studiren zu lassen, Töchter auszustatten und was außer zwei Bällen zum Kampf um unsre Existenz gehört. Flink hatte eine ihm angeborne Plauderlust. Aber durch die Umstände gezwungen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0150" n="144"/> werden müssen, und das ruchlose Treiben des Assessors auf Umstoßung des väterlichen Testaments, das ihn für abgefunden erklärte, wäre gekrönt worden. Sie hätte den Retter ihres Vermögens, den Erhalter ihres Namens in der gesellschaftlichen und der Geschäftswelt in einem neuen Testamente nur auf ein Pflichttheil der Erbschaft verwiesen und Alles ihrem Sohne zugeschrieben. </p> <p>Muster waren angekommen, über deren Wahl Martha entscheiden sollte. Es war der Staatsanwalt Stracks da, der zu den Gästen des Hauses gehörte und von ihr wegen des Streiks citirt wurde. Der gefürchtete Mann erklärte sich für unfähig, gegen streikende Arbeiter etwas zu thun, da ein Gesetz wegen Contractbruchs fehle. Der Medicinalrath Flink kam, der an den <ref xml:id="TEXTDorfbarbierBISOper" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLDorfbarbierBISOper">Dorfbarbier in Schenks alter Oper</ref> erinnerte. Wie dieser alle Bauern nebeneinander setzt und sie sämmtlich mit einem einzigen großen Pinsel und mit einem Handgriff einseift und beinahe auch mit einem einzigen Messerstrich rasirt, so machte dieser Herr täglich die enorme Zahl von Patienten ab, die bei den colossalen Entfernungen der verschiedenen Wohnstätten dazu gehörten, ihm eine gesellschaftliche Stellung zu geben, Söhne studiren zu lassen, Töchter auszustatten und was außer zwei Bällen zum Kampf um unsre Existenz gehört. Flink hatte eine ihm angeborne Plauderlust. Aber durch die Umstände gezwungen, </p> </div> </body> </text> </TEI> [144/0150]
werden müssen, und das ruchlose Treiben des Assessors auf Umstoßung des väterlichen Testaments, das ihn für abgefunden erklärte, wäre gekrönt worden. Sie hätte den Retter ihres Vermögens, den Erhalter ihres Namens in der gesellschaftlichen und der Geschäftswelt in einem neuen Testamente nur auf ein Pflichttheil der Erbschaft verwiesen und Alles ihrem Sohne zugeschrieben.
Muster waren angekommen, über deren Wahl Martha entscheiden sollte. Es war der Staatsanwalt Stracks da, der zu den Gästen des Hauses gehörte und von ihr wegen des Streiks citirt wurde. Der gefürchtete Mann erklärte sich für unfähig, gegen streikende Arbeiter etwas zu thun, da ein Gesetz wegen Contractbruchs fehle. Der Medicinalrath Flink kam, der an den Dorfbarbier in Schenks alter Oper erinnerte. Wie dieser alle Bauern nebeneinander setzt und sie sämmtlich mit einem einzigen großen Pinsel und mit einem Handgriff einseift und beinahe auch mit einem einzigen Messerstrich rasirt, so machte dieser Herr täglich die enorme Zahl von Patienten ab, die bei den colossalen Entfernungen der verschiedenen Wohnstätten dazu gehörten, ihm eine gesellschaftliche Stellung zu geben, Söhne studiren zu lassen, Töchter auszustatten und was außer zwei Bällen zum Kampf um unsre Existenz gehört. Flink hatte eine ihm angeborne Plauderlust. Aber durch die Umstände gezwungen,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-02-19T12:27:44Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-02-19T12:27:44Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-1<a>)
(2013-07-01T14:33:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |