Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.sollte Wolny lieben! Er sie! O Gott - gab es denn darüber ein Gefühl in ihrer Brust? Sie hätte sich dem alten Wehlisch, dem sie nach dem Tode ihrer Eltern diese Unterkunft hier und die Versorgung, die Ausbildung des Bruders zum Techniker verdankte, schon so oft um den Hals werfen und ausweinen mögen. Aber ein solcher alter weißhaariger Mann denkt an Alles, nur nicht an die Gefühle eines jungen Mädchens. Da stand er schon wieder! Er hatte alle Hände voll Papiere, die von der Commerzienräthin unterschrieben werden sollten. Wolnys Procura war aus Schonung des Sohnes nicht einmal eine ganz vollständige. Wehlisch kam verdrießlich von der Commerzienräthin zurück. Er hatte die Papiere drinnen gelassen, um sie später abzuholen. Polternd wies er Marthas Fragen, was denn vorgefallen wäre, mit den Worten zurück: Ich wollte, ich hätte Euch hier nie in's Haus gebracht! Martha rief: Auch mich nicht? Der Raimund - wich der Alte aus. Er stellt sich unschuldig an dem Streik und schiebt ihn auf den Mahlo, das saubre Subject. Aber seit Wochen schon will er krank sein und kommt nur ab und zu in die Fabrik. Jetzt bleibt er ganz aus und will auf den Congreß nach Leipzig. Dort wird er die Reden seines Principals, seines Wohlthäters, nur noch mehr herunter machen, als er es schon in seinem "Nivellirer" gethan hat. sollte Wolny lieben! Er sie! O Gott – gab es denn darüber ein Gefühl in ihrer Brust? Sie hätte sich dem alten Wehlisch, dem sie nach dem Tode ihrer Eltern diese Unterkunft hier und die Versorgung, die Ausbildung des Bruders zum Techniker verdankte, schon so oft um den Hals werfen und ausweinen mögen. Aber ein solcher alter weißhaariger Mann denkt an Alles, nur nicht an die Gefühle eines jungen Mädchens. Da stand er schon wieder! Er hatte alle Hände voll Papiere, die von der Commerzienräthin unterschrieben werden sollten. Wolnys Procura war aus Schonung des Sohnes nicht einmal eine ganz vollständige. Wehlisch kam verdrießlich von der Commerzienräthin zurück. Er hatte die Papiere drinnen gelassen, um sie später abzuholen. Polternd wies er Marthas Fragen, was denn vorgefallen wäre, mit den Worten zurück: Ich wollte, ich hätte Euch hier nie in’s Haus gebracht! Martha rief: Auch mich nicht? Der Raimund – wich der Alte aus. Er stellt sich unschuldig an dem Streik und schiebt ihn auf den Mahlo, das saubre Subject. Aber seit Wochen schon will er krank sein und kommt nur ab und zu in die Fabrik. Jetzt bleibt er ganz aus und will auf den Congreß nach Leipzig. Dort wird er die Reden seines Principals, seines Wohlthäters, nur noch mehr herunter machen, als er es schon in seinem „Nivellirer“ gethan hat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0156" n="150"/> sollte Wolny lieben! Er sie! O Gott – gab es denn darüber ein Gefühl in ihrer Brust? Sie hätte sich dem alten Wehlisch, dem sie nach dem Tode ihrer Eltern diese Unterkunft hier und die Versorgung, die Ausbildung des Bruders zum Techniker verdankte, schon so oft um den Hals werfen und ausweinen mögen. Aber ein solcher alter weißhaariger Mann denkt an Alles, nur nicht an die Gefühle eines jungen Mädchens. Da stand er schon wieder! Er hatte alle Hände voll Papiere, die von der Commerzienräthin unterschrieben werden sollten. Wolnys <ref xml:id="TEXTProcura" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLProcura">Procura</ref> war aus Schonung des Sohnes nicht einmal eine ganz vollständige. Wehlisch kam verdrießlich von der Commerzienräthin zurück. Er hatte die Papiere drinnen gelassen, um sie später abzuholen. Polternd wies er Marthas Fragen, was denn vorgefallen wäre, mit den Worten zurück: Ich wollte, ich hätte Euch hier nie in’s Haus gebracht! </p> <p>Martha rief: Auch mich nicht? </p> <p>Der Raimund – wich der Alte aus. Er stellt sich unschuldig an dem Streik und schiebt ihn auf den Mahlo, das saubre Subject. Aber seit Wochen schon will er krank sein und kommt nur ab und zu in die Fabrik. Jetzt bleibt er ganz aus und <ref xml:id="TEXTwillaufBISLeipzig" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLwillaufBISLeipzig">will auf den Congreß nach Leipzig</ref>. Dort wird er die Reden seines Principals, seines Wohlthäters, nur noch mehr herunter machen, als er es schon in seinem „Nivellirer“ gethan hat. </p> <p> </p> </div> </body> </text> </TEI> [150/0156]
sollte Wolny lieben! Er sie! O Gott – gab es denn darüber ein Gefühl in ihrer Brust? Sie hätte sich dem alten Wehlisch, dem sie nach dem Tode ihrer Eltern diese Unterkunft hier und die Versorgung, die Ausbildung des Bruders zum Techniker verdankte, schon so oft um den Hals werfen und ausweinen mögen. Aber ein solcher alter weißhaariger Mann denkt an Alles, nur nicht an die Gefühle eines jungen Mädchens. Da stand er schon wieder! Er hatte alle Hände voll Papiere, die von der Commerzienräthin unterschrieben werden sollten. Wolnys Procura war aus Schonung des Sohnes nicht einmal eine ganz vollständige. Wehlisch kam verdrießlich von der Commerzienräthin zurück. Er hatte die Papiere drinnen gelassen, um sie später abzuholen. Polternd wies er Marthas Fragen, was denn vorgefallen wäre, mit den Worten zurück: Ich wollte, ich hätte Euch hier nie in’s Haus gebracht!
Martha rief: Auch mich nicht?
Der Raimund – wich der Alte aus. Er stellt sich unschuldig an dem Streik und schiebt ihn auf den Mahlo, das saubre Subject. Aber seit Wochen schon will er krank sein und kommt nur ab und zu in die Fabrik. Jetzt bleibt er ganz aus und will auf den Congreß nach Leipzig. Dort wird er die Reden seines Principals, seines Wohlthäters, nur noch mehr herunter machen, als er es schon in seinem „Nivellirer“ gethan hat.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/156>, abgerufen am 18.06.2024. |