Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Wolny stutzte über diese Frechheit. Sie conspiriren wohl - entfuhr ihm, aber er sagte nicht: Mit meinem Stiefsohn! sondern er setzte den Versuch, sich zu beruhigen, fort: Ich habe eine Wittwe geheirathet, die ich in einer schwierigen Lebensstellung fand und die mir erklärte, nicht ohne mich leben zu können. Ich fand, daß ihre Jahre nicht den Eindruck ihrer Anmuth störten. Ich entdeckte ein reines edles Herz bei ihr und habe ihr Jahre lang meinen Beistand geleistet. Aber ihre Tage sind gezählt. Sie ist unheilbar krank. Der Sohn darf nimmermehr die Fabrik übernehmen. Dafür habe ich das Testament seines Vaters in meiner Verwahrung. Alle kennen den Inhalt! Ich liquidire und denke den Kampf mit dem Unverstand und dem bösen Willen nicht länger fortzusetzen. Nachdem Sie zum zweiten Mal geheirathet haben werden - setzte Raimund boshaft und mit den Augen scharf blinzelnd hinzu. Wolny fühlte den Abgrund unter sich. Wie unbewußt kam ihm der Gedanke, die Züge im hämisch verzerrten, lauernden Antlitz zu vergleichen mit denen seiner Schwester, auf welche die Worte gemünzt waren. Er mußte sich sagen, es fanden sich Spuren der Aehnlichkeit. Er hätte darüber weinen mögen. Er liebte wirklich Martha - Wolny stutzte über diese Frechheit. Sie conspiriren wohl – entfuhr ihm, aber er sagte nicht: Mit meinem Stiefsohn! sondern er setzte den Versuch, sich zu beruhigen, fort: Ich habe eine Wittwe geheirathet, die ich in einer schwierigen Lebensstellung fand und die mir erklärte, nicht ohne mich leben zu können. Ich fand, daß ihre Jahre nicht den Eindruck ihrer Anmuth störten. Ich entdeckte ein reines edles Herz bei ihr und habe ihr Jahre lang meinen Beistand geleistet. Aber ihre Tage sind gezählt. Sie ist unheilbar krank. Der Sohn darf nimmermehr die Fabrik übernehmen. Dafür habe ich das Testament seines Vaters in meiner Verwahrung. Alle kennen den Inhalt! Ich liquidire und denke den Kampf mit dem Unverstand und dem bösen Willen nicht länger fortzusetzen. Nachdem Sie zum zweiten Mal geheirathet haben werden – setzte Raimund boshaft und mit den Augen scharf blinzelnd hinzu. Wolny fühlte den Abgrund unter sich. Wie unbewußt kam ihm der Gedanke, die Züge im hämisch verzerrten, lauernden Antlitz zu vergleichen mit denen seiner Schwester, auf welche die Worte gemünzt waren. Er mußte sich sagen, es fanden sich Spuren der Aehnlichkeit. Er hätte darüber weinen mögen. Er liebte wirklich Martha – <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0179" n="173"/> Wolny stutzte über diese Frechheit. Sie conspiriren wohl – entfuhr ihm, aber er sagte nicht: Mit meinem Stiefsohn! sondern er setzte den Versuch, sich zu beruhigen, fort: Ich habe eine Wittwe geheirathet, die ich in einer schwierigen Lebensstellung fand und die mir erklärte, nicht ohne mich leben zu können. Ich fand, daß ihre Jahre nicht den Eindruck ihrer Anmuth störten. Ich entdeckte ein reines edles Herz bei ihr und habe ihr Jahre lang meinen Beistand geleistet. Aber ihre Tage sind gezählt. Sie ist unheilbar krank. Der Sohn darf nimmermehr die Fabrik übernehmen. Dafür habe ich das Testament seines Vaters in meiner Verwahrung. Alle kennen den Inhalt! Ich liquidire und denke den Kampf mit dem Unverstand und dem bösen Willen nicht länger fortzusetzen. </p> <p>Nachdem Sie zum zweiten Mal geheirathet haben werden – setzte Raimund boshaft und mit den Augen scharf blinzelnd hinzu. </p> <p>Wolny fühlte den Abgrund unter sich. Wie unbewußt kam ihm der Gedanke, die Züge im hämisch verzerrten, lauernden Antlitz zu vergleichen mit denen seiner Schwester, auf welche die Worte gemünzt waren. Er mußte sich sagen, es fanden sich Spuren der Aehnlichkeit. Er hätte darüber weinen mögen. Er liebte wirklich Martha –</p> <p> </p> </div> </body> </text> </TEI> [173/0179]
Wolny stutzte über diese Frechheit. Sie conspiriren wohl – entfuhr ihm, aber er sagte nicht: Mit meinem Stiefsohn! sondern er setzte den Versuch, sich zu beruhigen, fort: Ich habe eine Wittwe geheirathet, die ich in einer schwierigen Lebensstellung fand und die mir erklärte, nicht ohne mich leben zu können. Ich fand, daß ihre Jahre nicht den Eindruck ihrer Anmuth störten. Ich entdeckte ein reines edles Herz bei ihr und habe ihr Jahre lang meinen Beistand geleistet. Aber ihre Tage sind gezählt. Sie ist unheilbar krank. Der Sohn darf nimmermehr die Fabrik übernehmen. Dafür habe ich das Testament seines Vaters in meiner Verwahrung. Alle kennen den Inhalt! Ich liquidire und denke den Kampf mit dem Unverstand und dem bösen Willen nicht länger fortzusetzen.
Nachdem Sie zum zweiten Mal geheirathet haben werden – setzte Raimund boshaft und mit den Augen scharf blinzelnd hinzu.
Wolny fühlte den Abgrund unter sich. Wie unbewußt kam ihm der Gedanke, die Züge im hämisch verzerrten, lauernden Antlitz zu vergleichen mit denen seiner Schwester, auf welche die Worte gemünzt waren. Er mußte sich sagen, es fanden sich Spuren der Aehnlichkeit. Er hätte darüber weinen mögen. Er liebte wirklich Martha –
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-02-19T12:27:44Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-02-19T12:27:44Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-1<a>)
(2013-07-01T14:33:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |