Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.unter den unbewußten Gesetzen der Gefallsucht. Wider Willen war sie eine verführerische Schlange. Sie hatte es von ihrem früh zu Grunde gegangenen Vater. Edwina ist ihr Ebenbild! Es sind schon die Augen allein, die gar nicht anders können als kokettiren! Ihre Mutter büßte ihre Untreue mit dem Leben. Nun hatte ich ein Kind zu erziehen, das ich, warum soll ich es denn nicht gestehen, haßte! Meine Ehre schien mir beschimpft! Ich hätte das Weib während ihrer lange mir verborgen gehaltenen Schwangerschaft - ich ahnte es sogleich und sie verkündete den Thatbestand zuletzt mit beispiellosem Triumphgeschrei - von mir weisen können. Der Tod selbst kam Allem zuvor! O wie gleichgültig sah ich den Menschen zu, die den Wurm, ein schönes Kind, aufhoben und pflegten! Alles geschah heimlich, unter dem Befehl des Grafen, aber gerade seine Einmischung empörte mich. Ich wollte Alles selbst thun, das Kind sollte das meine sein und so bürdete ich mir mit dem Trotz der Ehrliebe Jahre lang, manchmal mit Hülfe meiner alten Schwiegermutter und anderer Menschen, die mit meinem Beruf schwer in Einklang zu bringende Last auf! Ich mußte reisen. Kam ich zurück, so war Alles, was ich angeordnet hatte, vergessen, die Macht der Großmutter war überwunden, listig umgangen, das Kind aus den Augen verloren, bei Fremden, bei alten Freun- unter den unbewußten Gesetzen der Gefallsucht. Wider Willen war sie eine verführerische Schlange. Sie hatte es von ihrem früh zu Grunde gegangenen Vater. Edwina ist ihr Ebenbild! Es sind schon die Augen allein, die gar nicht anders können als kokettiren! Ihre Mutter büßte ihre Untreue mit dem Leben. Nun hatte ich ein Kind zu erziehen, das ich, warum soll ich es denn nicht gestehen, haßte! Meine Ehre schien mir beschimpft! Ich hätte das Weib während ihrer lange mir verborgen gehaltenen Schwangerschaft – ich ahnte es sogleich und sie verkündete den Thatbestand zuletzt mit beispiellosem Triumphgeschrei – von mir weisen können. Der Tod selbst kam Allem zuvor! O wie gleichgültig sah ich den Menschen zu, die den Wurm, ein schönes Kind, aufhoben und pflegten! Alles geschah heimlich, unter dem Befehl des Grafen, aber gerade seine Einmischung empörte mich. Ich wollte Alles selbst thun, das Kind sollte das meine sein und so bürdete ich mir mit dem Trotz der Ehrliebe Jahre lang, manchmal mit Hülfe meiner alten Schwiegermutter und anderer Menschen, die mit meinem Beruf schwer in Einklang zu bringende Last auf! Ich mußte reisen. Kam ich zurück, so war Alles, was ich angeordnet hatte, vergessen, die Macht der Großmutter war überwunden, listig umgangen, das Kind aus den Augen verloren, bei Fremden, bei alten Freun- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0012" n="6"/> unter den unbewußten Gesetzen der Gefallsucht. Wider Willen war sie eine verführerische Schlange. Sie hatte es von ihrem früh zu Grunde gegangenen Vater. Edwina ist ihr Ebenbild! Es sind schon die Augen allein, die gar nicht anders können als kokettiren! Ihre Mutter büßte ihre Untreue mit dem Leben. Nun hatte ich ein Kind zu erziehen, das ich, warum soll ich es denn nicht gestehen, haßte! Meine Ehre schien mir beschimpft! Ich hätte das Weib während ihrer lange mir verborgen gehaltenen Schwangerschaft – ich ahnte es sogleich und sie verkündete den Thatbestand zuletzt mit beispiellosem Triumphgeschrei – von mir weisen können. Der Tod selbst kam Allem zuvor! O wie gleichgültig sah ich den Menschen zu, die den Wurm, ein schönes Kind, aufhoben und pflegten! Alles geschah heimlich, unter dem Befehl des Grafen, aber gerade seine Einmischung empörte mich. Ich wollte Alles selbst thun, das Kind sollte das meine sein und so bürdete ich mir mit dem Trotz der Ehrliebe Jahre lang, manchmal mit Hülfe meiner alten Schwiegermutter und anderer Menschen, die mit meinem Beruf schwer in Einklang zu bringende Last auf! Ich mußte reisen. Kam ich zurück, so war Alles, was ich angeordnet hatte, vergessen, die Macht der Großmutter war überwunden, listig umgangen, das Kind aus den Augen verloren, bei Fremden, bei alten Freun- </p> </div> </body> </text> </TEI> [6/0012]
unter den unbewußten Gesetzen der Gefallsucht. Wider Willen war sie eine verführerische Schlange. Sie hatte es von ihrem früh zu Grunde gegangenen Vater. Edwina ist ihr Ebenbild! Es sind schon die Augen allein, die gar nicht anders können als kokettiren! Ihre Mutter büßte ihre Untreue mit dem Leben. Nun hatte ich ein Kind zu erziehen, das ich, warum soll ich es denn nicht gestehen, haßte! Meine Ehre schien mir beschimpft! Ich hätte das Weib während ihrer lange mir verborgen gehaltenen Schwangerschaft – ich ahnte es sogleich und sie verkündete den Thatbestand zuletzt mit beispiellosem Triumphgeschrei – von mir weisen können. Der Tod selbst kam Allem zuvor! O wie gleichgültig sah ich den Menschen zu, die den Wurm, ein schönes Kind, aufhoben und pflegten! Alles geschah heimlich, unter dem Befehl des Grafen, aber gerade seine Einmischung empörte mich. Ich wollte Alles selbst thun, das Kind sollte das meine sein und so bürdete ich mir mit dem Trotz der Ehrliebe Jahre lang, manchmal mit Hülfe meiner alten Schwiegermutter und anderer Menschen, die mit meinem Beruf schwer in Einklang zu bringende Last auf! Ich mußte reisen. Kam ich zurück, so war Alles, was ich angeordnet hatte, vergessen, die Macht der Großmutter war überwunden, listig umgangen, das Kind aus den Augen verloren, bei Fremden, bei alten Freun-
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