Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.sich der Prinz, am liebsten im Licht immer umdämmert, bald da-, bald dorthin. In jedem von drei in einandergehenden Zimmern hatte er einen Flügel stehen. Die halbe Note, wenn sie ihm in den Kopf sprang, konnte ihm wie der Katze die Maus entschlüpfen. Die "endlose Melodie" mußte er von Zimmer zu Zimmer schleppen, wie Kakadu sein Schneidermaß. Husch! hatte er manchmal ein Stück der gefährlichen Klapperschlange an ihrem glitzernd glatten Leibe gefaßt und in's Piano gesperrt und noch ehe der Tisch mit Notenpapier und Bleistift zurecht gerichtet, war ihm doch in der Regel das tückische Reptil schon wieder aus der Hand. Heinrich Heine hat in seiner bekannten Gutmüthigkeit die Verzweiflung der Componisten geschildert. Meyerbeer hätte beim Componiren immer Leibschmerzen gehabt, und nach jedem Dutzend Takte, schreibt er, die Giacomo gemacht, hätte der Maestro an einen gewissen Ort gehen müssen. Dem Fürsten Rauden war's im höchsten Schwunge ähnlich zu Muthe, nur daß seine mehr weibliche Natur, die Edwina noch schärfer zu charakterisiren verstand, ihm eher das Gefühl brachte, als sollte er entbunden werden. Immer sah er reizende, schreiende, eben zur Welt kommende Kinder, die ihm unter Schmerzen die Hebeamme glückwünschend entgegentrug, und sie waren doch nicht da! Sie waren erst im Kommen begriffen! Es war so sich der Prinz, am liebsten im Licht immer umdämmert, bald da-, bald dorthin. In jedem von drei in einandergehenden Zimmern hatte er einen Flügel stehen. Die halbe Note, wenn sie ihm in den Kopf sprang, konnte ihm wie der Katze die Maus entschlüpfen. Die „endlose Melodie“ mußte er von Zimmer zu Zimmer schleppen, wie Kakadu sein Schneidermaß. Husch! hatte er manchmal ein Stück der gefährlichen Klapperschlange an ihrem glitzernd glatten Leibe gefaßt und in’s Piano gesperrt und noch ehe der Tisch mit Notenpapier und Bleistift zurecht gerichtet, war ihm doch in der Regel das tückische Reptil schon wieder aus der Hand. Heinrich Heine hat in seiner bekannten Gutmüthigkeit die Verzweiflung der Componisten geschildert. Meyerbeer hätte beim Componiren immer Leibschmerzen gehabt, und nach jedem Dutzend Takte, schreibt er, die Giacomo gemacht, hätte der Maestro an einen gewissen Ort gehen müssen. Dem Fürsten Rauden war’s im höchsten Schwunge ähnlich zu Muthe, nur daß seine mehr weibliche Natur, die Edwina noch schärfer zu charakterisiren verstand, ihm eher das Gefühl brachte, als sollte er entbunden werden. Immer sah er reizende, schreiende, eben zur Welt kommende Kinder, die ihm unter Schmerzen die Hebeamme glückwünschend entgegentrug, und sie waren doch nicht da! Sie waren erst im Kommen begriffen! Es war so <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0216" n="210"/> sich der Prinz, am liebsten im Licht immer umdämmert, bald da-, bald dorthin. In jedem von drei in einandergehenden Zimmern hatte er einen Flügel stehen. Die halbe Note, wenn sie ihm in den Kopf sprang, konnte ihm wie der Katze die Maus entschlüpfen. Die „endlose Melodie“ mußte er von Zimmer zu Zimmer schleppen, wie <ref xml:id="TEXTKakaduseinSchneidermass" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLKakaduseinSchneidermass">Kakadu sein Schneidermaß</ref>. Husch! hatte er manchmal ein Stück der gefährlichen Klapperschlange an ihrem glitzernd glatten Leibe gefaßt und in’s Piano gesperrt und noch ehe der Tisch mit Notenpapier und Bleistift zurecht gerichtet, war ihm doch in der Regel das tückische Reptil schon wieder aus der Hand. <ref xml:id="TEXTHeinrichBISgeschildert" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLHeinrichBISgeschildert">Heinrich Heine hat in seiner bekannten Gutmüthigkeit die Verzweiflung der Componisten geschildert. </ref> Meyerbeer hätte beim Componiren immer Leibschmerzen gehabt, und nach jedem Dutzend Takte, schreibt er, die Giacomo gemacht, hätte der Maestro an einen gewissen Ort gehen müssen. Dem Fürsten Rauden war’s im höchsten Schwunge ähnlich zu Muthe, nur daß seine mehr weibliche Natur, die Edwina noch schärfer zu charakterisiren verstand, ihm eher das Gefühl brachte, als sollte er entbunden werden. Immer sah er reizende, schreiende, eben zur Welt kommende Kinder, die ihm unter Schmerzen die Hebeamme glückwünschend entgegentrug, und sie waren doch nicht da! Sie waren erst im Kommen begriffen! Es war so </p> </div> </body> </text> </TEI> [210/0216]
sich der Prinz, am liebsten im Licht immer umdämmert, bald da-, bald dorthin. In jedem von drei in einandergehenden Zimmern hatte er einen Flügel stehen. Die halbe Note, wenn sie ihm in den Kopf sprang, konnte ihm wie der Katze die Maus entschlüpfen. Die „endlose Melodie“ mußte er von Zimmer zu Zimmer schleppen, wie Kakadu sein Schneidermaß. Husch! hatte er manchmal ein Stück der gefährlichen Klapperschlange an ihrem glitzernd glatten Leibe gefaßt und in’s Piano gesperrt und noch ehe der Tisch mit Notenpapier und Bleistift zurecht gerichtet, war ihm doch in der Regel das tückische Reptil schon wieder aus der Hand. Heinrich Heine hat in seiner bekannten Gutmüthigkeit die Verzweiflung der Componisten geschildert. Meyerbeer hätte beim Componiren immer Leibschmerzen gehabt, und nach jedem Dutzend Takte, schreibt er, die Giacomo gemacht, hätte der Maestro an einen gewissen Ort gehen müssen. Dem Fürsten Rauden war’s im höchsten Schwunge ähnlich zu Muthe, nur daß seine mehr weibliche Natur, die Edwina noch schärfer zu charakterisiren verstand, ihm eher das Gefühl brachte, als sollte er entbunden werden. Immer sah er reizende, schreiende, eben zur Welt kommende Kinder, die ihm unter Schmerzen die Hebeamme glückwünschend entgegentrug, und sie waren doch nicht da! Sie waren erst im Kommen begriffen! Es war so
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