Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Baronin Ugarti, eine Person, die in Hoffmanns Märchen gepaßt haben würde, Alles an ihr war Kunst, Schminke, Stahlfeder, Guttapercha (sie log mit 60 Jahren eine Jugend von 30), schien Edwina ganz anders dirigiren zu wollen, als die Brenna. Am Abend besuchte der Fürst erst mit Gustav Holl ein kleines Volkstheater, wo eine brochelüsterne Soubrette eines seiner Lieder mit einem jener wunderbaren Uebergänge, wie die Couplets eingeführt zu werden pflegen, in eine Cancanrolle einzuschmuggeln verstanden hatte. Aber außer ihm selbst war aus den Kreisen der Aristokratie auch nicht eine einzige Persönlichkeit erschienen! Mißmuthig und durch den bestellten Beifall keineswegs befriedigt, verdrießlich über die aus seinem Brochenvorrath entschwindende, zwanzig Thaler kostende Herrlichkeit, war er beim Vorfahren bei Edwinens Hause nicht wenig erstaunt, in den Zimmern Alles stockdunkel zu finden. Keine Gesellschaft! flüsterte er Gustav Holl zu, der den Bescheid bekam, etwas zu warten und, wenn er nicht sofort wiederkäme, nach Hause zu fahren. Die Pferde durften nicht stehen bleiben, der Wagen nicht lange halten. In einigen Stunden holte den Fürsten sein Dienstpersonal wieder ab. Holl fing an, diese Stellung ernster zu bedenken. Baronin Ugarti, eine Person, die in Hoffmanns Märchen gepaßt haben würde, Alles an ihr war Kunst, Schminke, Stahlfeder, Guttapercha (sie log mit 60 Jahren eine Jugend von 30), schien Edwina ganz anders dirigiren zu wollen, als die Brenna. Am Abend besuchte der Fürst erst mit Gustav Holl ein kleines Volkstheater, wo eine brochelüsterne Soubrette eines seiner Lieder mit einem jener wunderbaren Uebergänge, wie die Couplets eingeführt zu werden pflegen, in eine Cancanrolle einzuschmuggeln verstanden hatte. Aber außer ihm selbst war aus den Kreisen der Aristokratie auch nicht eine einzige Persönlichkeit erschienen! Mißmuthig und durch den bestellten Beifall keineswegs befriedigt, verdrießlich über die aus seinem Brochenvorrath entschwindende, zwanzig Thaler kostende Herrlichkeit, war er beim Vorfahren bei Edwinens Hause nicht wenig erstaunt, in den Zimmern Alles stockdunkel zu finden. Keine Gesellschaft! flüsterte er Gustav Holl zu, der den Bescheid bekam, etwas zu warten und, wenn er nicht sofort wiederkäme, nach Hause zu fahren. Die Pferde durften nicht stehen bleiben, der Wagen nicht lange halten. In einigen Stunden holte den Fürsten sein Dienstpersonal wieder ab. Holl fing an, diese Stellung ernster zu bedenken. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0239" n="233"/> Baronin Ugarti, eine Person, die in Hoffmanns Märchen gepaßt haben würde, Alles an ihr war Kunst, Schminke, Stahlfeder, <ref xml:id="TEXTGuttapercha" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLGuttapercha">Guttapercha</ref> (sie log mit 60 Jahren eine Jugend von 30), schien Edwina ganz anders dirigiren zu wollen, als die Brenna.</p> <p>Am Abend besuchte der Fürst erst mit Gustav Holl ein <ref xml:id="TEXTkleinesVolkstheater" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLkleinesVolkstheater">kleines Volkstheater, </ref> wo eine brochelüsterne Soubrette eines seiner Lieder mit einem jener wunderbaren Uebergänge, <ref xml:id="TEXTwiedieBISCancanrolle" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLwiedieBISCancanrolle">wie die Couplets eingeführt zu werden pflegen, in eine Cancanrolle</ref> einzuschmuggeln verstanden hatte. Aber außer ihm selbst war aus den Kreisen der Aristokratie auch nicht eine einzige Persönlichkeit erschienen! Mißmuthig und durch den bestellten Beifall keineswegs befriedigt, verdrießlich über die aus seinem Brochenvorrath entschwindende, zwanzig Thaler kostende Herrlichkeit, war er beim Vorfahren bei Edwinens Hause nicht wenig erstaunt, in den Zimmern Alles stockdunkel zu finden.</p> <p>Keine Gesellschaft! flüsterte er Gustav Holl zu, der den Bescheid bekam, etwas zu warten und, wenn er nicht sofort wiederkäme, nach Hause zu fahren. Die Pferde durften nicht stehen bleiben, der Wagen nicht lange halten. In einigen Stunden holte den Fürsten sein Dienstpersonal wieder ab. Holl fing an, diese Stellung ernster zu bedenken.</p> </div> </body> </text> </TEI> [233/0239]
Baronin Ugarti, eine Person, die in Hoffmanns Märchen gepaßt haben würde, Alles an ihr war Kunst, Schminke, Stahlfeder, Guttapercha (sie log mit 60 Jahren eine Jugend von 30), schien Edwina ganz anders dirigiren zu wollen, als die Brenna.
Am Abend besuchte der Fürst erst mit Gustav Holl ein kleines Volkstheater, wo eine brochelüsterne Soubrette eines seiner Lieder mit einem jener wunderbaren Uebergänge, wie die Couplets eingeführt zu werden pflegen, in eine Cancanrolle einzuschmuggeln verstanden hatte. Aber außer ihm selbst war aus den Kreisen der Aristokratie auch nicht eine einzige Persönlichkeit erschienen! Mißmuthig und durch den bestellten Beifall keineswegs befriedigt, verdrießlich über die aus seinem Brochenvorrath entschwindende, zwanzig Thaler kostende Herrlichkeit, war er beim Vorfahren bei Edwinens Hause nicht wenig erstaunt, in den Zimmern Alles stockdunkel zu finden.
Keine Gesellschaft! flüsterte er Gustav Holl zu, der den Bescheid bekam, etwas zu warten und, wenn er nicht sofort wiederkäme, nach Hause zu fahren. Die Pferde durften nicht stehen bleiben, der Wagen nicht lange halten. In einigen Stunden holte den Fürsten sein Dienstpersonal wieder ab. Holl fing an, diese Stellung ernster zu bedenken.
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