Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Durchlaucht, die gnädige Frau sind ganz allein zu Hause. - Das sprach Josefa Ziporovius und hielt die Thür in der Hand. Nicht einmal der Corridor war wie immer erleuchtet. Es war wie mit Absicht. Der bestürzte Fürst ahnte etwas wieder von einer "Scene". Die zugeschlossenen Fenster, die Todtenstille - er erschrak bis in die entferntesten Verästelungen seines Nervensystems und wäre am Liebsten gleich wieder umgekehrt. Denn diese ihm zugeschleuderte "Mannesseele", dieser "Musikschwelger", dieser "Thatenfeigling" saßen ihm von neulich noch in allen Gliedern. Wer weiß, es erwartete ihn vielleicht heute ein noch heftigerer Sturm! Und er hatte nicht einmal den Muth, ganz offen heraus zu dem bezaubernden Mädchen zu sagen: Eine Vermählung, liebes Kind, ist für meine Stellung zum Leben unmöglich und macht Dich für eine greise Matrone gradezu zur Mörderin! Inzwischen stand er schon vor Edwinen. Im Halbdunkel des Zimmers erschien sie ihm wie eine aus dem Rahmen getretene Gestalt Watteaus. Mit dem leicht gepuderten Haar, dem viereckigen Ausschnitt, den halblangen Aermeln des mit Spitzen besetzten hellrosaseidnen Kleides glaubte man ein Bild der Rococozeit vor sich zu sehen. Die goldne Spange fehlte an ihrem halbentblößten Arm. Schwarze Sammetbänder dienten als Ersatz und Durchlaucht, die gnädige Frau sind ganz allein zu Hause. – Das sprach Josefa Ziporovius und hielt die Thür in der Hand. Nicht einmal der Corridor war wie immer erleuchtet. Es war wie mit Absicht. Der bestürzte Fürst ahnte etwas wieder von einer „Scene“. Die zugeschlossenen Fenster, die Todtenstille – er erschrak bis in die entferntesten Verästelungen seines Nervensystems und wäre am Liebsten gleich wieder umgekehrt. Denn diese ihm zugeschleuderte „Mannesseele“, dieser „Musikschwelger“, dieser „Thatenfeigling“ saßen ihm von neulich noch in allen Gliedern. Wer weiß, es erwartete ihn vielleicht heute ein noch heftigerer Sturm! Und er hatte nicht einmal den Muth, ganz offen heraus zu dem bezaubernden Mädchen zu sagen: Eine Vermählung, liebes Kind, ist für meine Stellung zum Leben unmöglich und macht Dich für eine greise Matrone gradezu zur Mörderin! Inzwischen stand er schon vor Edwinen. Im Halbdunkel des Zimmers erschien sie ihm wie eine aus dem Rahmen getretene Gestalt Watteaus. Mit dem leicht gepuderten Haar, dem viereckigen Ausschnitt, den halblangen Aermeln des mit Spitzen besetzten hellrosaseidnen Kleides glaubte man ein Bild der Rococozeit vor sich zu sehen. Die goldne Spange fehlte an ihrem halbentblößten Arm. Schwarze Sammetbänder dienten als Ersatz und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0240" n="234"/> <p> Durchlaucht, die gnädige Frau sind ganz allein zu Hause. –</p> <p>Das sprach Josefa Ziporovius und hielt die Thür in der Hand. Nicht einmal der Corridor war wie immer erleuchtet. Es war wie mit Absicht. Der bestürzte Fürst ahnte etwas wieder von einer „Scene“. Die zugeschlossenen Fenster, die Todtenstille – er erschrak bis in die entferntesten Verästelungen seines Nervensystems und wäre am Liebsten gleich wieder umgekehrt. Denn diese ihm zugeschleuderte „Mannesseele“, dieser „Musikschwelger“, dieser „Thatenfeigling“ saßen ihm von neulich noch in allen Gliedern. Wer weiß, es erwartete ihn vielleicht heute ein noch heftigerer Sturm! Und er hatte nicht einmal den Muth, ganz offen heraus zu dem bezaubernden Mädchen zu sagen: Eine Vermählung, liebes Kind, ist für meine Stellung zum Leben unmöglich und macht Dich für eine greise Matrone gradezu zur Mörderin!</p> <p>Inzwischen stand er schon vor Edwinen. Im Halbdunkel des Zimmers erschien sie ihm wie eine aus dem Rahmen getretene Gestalt Watteaus. Mit dem leicht gepuderten Haar, dem viereckigen Ausschnitt, den halblangen Aermeln des mit Spitzen besetzten hellrosaseidnen Kleides glaubte man ein Bild der Rococozeit vor sich zu sehen. Die goldne Spange fehlte an ihrem halbentblößten Arm. Schwarze Sammetbänder dienten als Ersatz und </p> </div> </body> </text> </TEI> [234/0240]
Durchlaucht, die gnädige Frau sind ganz allein zu Hause. –
Das sprach Josefa Ziporovius und hielt die Thür in der Hand. Nicht einmal der Corridor war wie immer erleuchtet. Es war wie mit Absicht. Der bestürzte Fürst ahnte etwas wieder von einer „Scene“. Die zugeschlossenen Fenster, die Todtenstille – er erschrak bis in die entferntesten Verästelungen seines Nervensystems und wäre am Liebsten gleich wieder umgekehrt. Denn diese ihm zugeschleuderte „Mannesseele“, dieser „Musikschwelger“, dieser „Thatenfeigling“ saßen ihm von neulich noch in allen Gliedern. Wer weiß, es erwartete ihn vielleicht heute ein noch heftigerer Sturm! Und er hatte nicht einmal den Muth, ganz offen heraus zu dem bezaubernden Mädchen zu sagen: Eine Vermählung, liebes Kind, ist für meine Stellung zum Leben unmöglich und macht Dich für eine greise Matrone gradezu zur Mörderin!
Inzwischen stand er schon vor Edwinen. Im Halbdunkel des Zimmers erschien sie ihm wie eine aus dem Rahmen getretene Gestalt Watteaus. Mit dem leicht gepuderten Haar, dem viereckigen Ausschnitt, den halblangen Aermeln des mit Spitzen besetzten hellrosaseidnen Kleides glaubte man ein Bild der Rococozeit vor sich zu sehen. Die goldne Spange fehlte an ihrem halbentblößten Arm. Schwarze Sammetbänder dienten als Ersatz und
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