Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.gewesen? Scheidung! Habe ich Dich je gehindert, das Testament Deines ersten Gatten umzustoßen und für Dein Theil ein neues zu machen? Denn bei Harry kommt Alles nur darauf hinaus! Laß mich das Wort nicht hören! rief die Commerzienräthin, wie mit den Zähnen einen tiefen Schmerz verbeißend. Ich spreche von Italien und meiner Gesundheit und nicht von Harry - Tante Dora setzte sich bei Seite, zog die Fenstervorhänge des etwas dunkel gelegenen Zimmers zurück, tastete an ihrer Rocktasche und zog einen Leihbibliothekenroman hervor, um zu lesen. Dann seufzte sie und sagte: Ja, ja, Fürst Kaunitz hat doch auch seine Sorgen gehabt! Das aufgeregte Paar kannte schon diese Art, wie sich die seltsame alte Jungfrau der Einmischung in die häuslichen Händel zu entziehen suchte. Siehe, die Scheidung, lieber Mann, fuhr jetzt mit kaum vernehmbarer Stimme die Commerzienräthin fort, muß Motive haben. Man ist jetzt so streng damit! Wo ist der Schlüssel? rief Wolny wild. Fräulein Dora! Wir wollen suchen! Dein Sohn hat also in Deinem Sinne gehandelt? Scheidungsmotive? Schließen wir auf - Wolny sprang an den Secretär. Das Schloß war unverdorben, so geschickt hatte Ehlerdt es gestern behandelt. gewesen? Scheidung! Habe ich Dich je gehindert, das Testament Deines ersten Gatten umzustoßen und für Dein Theil ein neues zu machen? Denn bei Harry kommt Alles nur darauf hinaus! Laß mich das Wort nicht hören! rief die Commerzienräthin, wie mit den Zähnen einen tiefen Schmerz verbeißend. Ich spreche von Italien und meiner Gesundheit und nicht von Harry – Tante Dora setzte sich bei Seite, zog die Fenstervorhänge des etwas dunkel gelegenen Zimmers zurück, tastete an ihrer Rocktasche und zog einen Leihbibliothekenroman hervor, um zu lesen. Dann seufzte sie und sagte: Ja, ja, Fürst Kaunitz hat doch auch seine Sorgen gehabt! Das aufgeregte Paar kannte schon diese Art, wie sich die seltsame alte Jungfrau der Einmischung in die häuslichen Händel zu entziehen suchte. Siehe, die Scheidung, lieber Mann, fuhr jetzt mit kaum vernehmbarer Stimme die Commerzienräthin fort, muß Motive haben. Man ist jetzt so streng damit! Wo ist der Schlüssel? rief Wolny wild. Fräulein Dora! Wir wollen suchen! Dein Sohn hat also in Deinem Sinne gehandelt? Scheidungsmotive? Schließen wir auf – Wolny sprang an den Secretär. Das Schloß war unverdorben, so geschickt hatte Ehlerdt es gestern behandelt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0025" n="19"/> gewesen? Scheidung! Habe ich Dich je gehindert, das Testament Deines ersten Gatten umzustoßen und für Dein Theil ein neues zu machen? Denn bei Harry kommt Alles nur darauf hinaus!</p> <p>Laß mich das Wort nicht hören! rief die Commerzienräthin, wie mit den Zähnen einen tiefen Schmerz verbeißend. Ich spreche von Italien und meiner Gesundheit und nicht von Harry –</p> <p>Tante Dora setzte sich bei Seite, zog die Fenstervorhänge des etwas dunkel gelegenen Zimmers zurück, tastete an ihrer Rocktasche und zog einen <ref xml:id="TEXTLeihbibliotheksroman" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLLeihbibliotheksroman">Leihbibliothekenroman</ref> hervor, um zu lesen. Dann seufzte sie und sagte: Ja, ja, <ref xml:id="TEXTFuerstKaunitz" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLFuerstKaunitz">Fürst Kaunitz</ref> hat doch auch seine Sorgen gehabt!</p> <p>Das aufgeregte Paar kannte schon diese Art, wie sich die seltsame alte Jungfrau der Einmischung in die häuslichen Händel zu entziehen suchte.</p> <p>Siehe, die Scheidung, lieber Mann, fuhr jetzt mit kaum vernehmbarer Stimme die Commerzienräthin fort, muß Motive haben. <ref xml:id="TEXTManistjetztsostrengdamit" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLManistjetztsostrengdamit">Man ist jetzt so streng damit</ref>!</p> <p>Wo ist der Schlüssel? rief Wolny wild. Fräulein Dora! Wir wollen suchen! Dein Sohn hat also in Deinem Sinne gehandelt? Scheidungsmotive? Schließen wir auf –</p> <p>Wolny sprang an den Secretär. Das Schloß war unverdorben, so geschickt hatte Ehlerdt es gestern behandelt. </p> </div> </body> </text> </TEI> [19/0025]
gewesen? Scheidung! Habe ich Dich je gehindert, das Testament Deines ersten Gatten umzustoßen und für Dein Theil ein neues zu machen? Denn bei Harry kommt Alles nur darauf hinaus!
Laß mich das Wort nicht hören! rief die Commerzienräthin, wie mit den Zähnen einen tiefen Schmerz verbeißend. Ich spreche von Italien und meiner Gesundheit und nicht von Harry –
Tante Dora setzte sich bei Seite, zog die Fenstervorhänge des etwas dunkel gelegenen Zimmers zurück, tastete an ihrer Rocktasche und zog einen Leihbibliothekenroman hervor, um zu lesen. Dann seufzte sie und sagte: Ja, ja, Fürst Kaunitz hat doch auch seine Sorgen gehabt!
Das aufgeregte Paar kannte schon diese Art, wie sich die seltsame alte Jungfrau der Einmischung in die häuslichen Händel zu entziehen suchte.
Siehe, die Scheidung, lieber Mann, fuhr jetzt mit kaum vernehmbarer Stimme die Commerzienräthin fort, muß Motive haben. Man ist jetzt so streng damit!
Wo ist der Schlüssel? rief Wolny wild. Fräulein Dora! Wir wollen suchen! Dein Sohn hat also in Deinem Sinne gehandelt? Scheidungsmotive? Schließen wir auf –
Wolny sprang an den Secretär. Das Schloß war unverdorben, so geschickt hatte Ehlerdt es gestern behandelt.
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