Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

Tante Dora reichte den Schlüssel wie mechanisch und murmelte: Die Reformen Josephs - ja, ja, die haben den bösen Migazzi geärgert -

Dieser Gedanke kommt von ihm! ließ sich Wolny nicht unterbrechen. Eine Scheidung ist nicht möglich, ohne den Schuldigen auf ein Pflichttheil zu setzen! fuhr er fort. Ich werde der Schuldige sein müssen, der Ungetreue, der Held dieser anonymen Briefe!

Das freiwillige Herausreißen aller Papiere, der Blechkapsel wurde unterbrochen, als Wolny etwas von seiner Frau hörte, das ihn vollends empörte.

Heute in aller Frühe schon, sagte die Kranke, habe ich Martha gefragt, sie sollte mir auf ihr Gewissen und vor Gott als Zeugen aufrichtig bekennen, ob sie Dich liebte!

Wolny war über diese Mittheilung außer sich. Nun verstand er Marthas jähen Abschied. Sie hatte einfach das Haus verlassen. Und auf's Gerathewohl, nur mit Hut und Mantel. Alles, was ihr gehörte, war liegen geblieben. Ich stehe wie wurzellos! rief er erblassend, und kann kaum den Boden unter mir fühlen! Eine Knospe künstlich zum Aufbrechen zwingen! rief er aus. Eine Geburt der Seele, die in Gottes Schooß schlummerte, die vielleicht noch nicht einmal der keusche Mond, den die Sterne noch nicht erfuhren, so künstlich gefördert,

Tante Dora reichte den Schlüssel wie mechanisch und murmelte: Die Reformen Josephs – ja, ja, die haben den bösen Migazzi geärgert –

Dieser Gedanke kommt von ihm! ließ sich Wolny nicht unterbrechen. Eine Scheidung ist nicht möglich, ohne den Schuldigen auf ein Pflichttheil zu setzen! fuhr er fort. Ich werde der Schuldige sein müssen, der Ungetreue, der Held dieser anonymen Briefe!

Das freiwillige Herausreißen aller Papiere, der Blechkapsel wurde unterbrochen, als Wolny etwas von seiner Frau hörte, das ihn vollends empörte.

Heute in aller Frühe schon, sagte die Kranke, habe ich Martha gefragt, sie sollte mir auf ihr Gewissen und vor Gott als Zeugen aufrichtig bekennen, ob sie Dich liebte!

Wolny war über diese Mittheilung außer sich. Nun verstand er Marthas jähen Abschied. Sie hatte einfach das Haus verlassen. Und auf’s Gerathewohl, nur mit Hut und Mantel. Alles, was ihr gehörte, war liegen geblieben. Ich stehe wie wurzellos! rief er erblassend, und kann kaum den Boden unter mir fühlen! Eine Knospe künstlich zum Aufbrechen zwingen! rief er aus. Eine Geburt der Seele, die in Gottes Schooß schlummerte, die vielleicht noch nicht einmal der keusche Mond, den die Sterne noch nicht erfuhren, so künstlich gefördert,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0026" n="20"/>
Tante Dora reichte den Schlüssel wie mechanisch und murmelte: <ref xml:id="TEXT" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERL">Die Reformen Josephs &#x2013; ja, ja, die haben den bösen Migazzi</ref> geärgert &#x2013;</p>
        <p>Dieser Gedanke kommt von ihm! ließ sich Wolny nicht unterbrechen. Eine Scheidung ist nicht möglich, ohne den Schuldigen auf ein Pflichttheil zu setzen! fuhr er fort. Ich werde der Schuldige sein müssen, der Ungetreue, der Held dieser anonymen Briefe!</p>
        <p>Das freiwillige Herausreißen aller Papiere, der Blechkapsel wurde unterbrochen, als Wolny etwas von seiner Frau hörte, das ihn vollends empörte.</p>
        <p>Heute in aller Frühe schon, sagte die Kranke, habe ich Martha gefragt, sie sollte mir auf ihr Gewissen und vor Gott als Zeugen aufrichtig bekennen, ob sie Dich liebte!</p>
        <p>Wolny war über diese Mittheilung außer sich. Nun verstand er Marthas jähen Abschied. Sie hatte einfach das Haus verlassen. Und auf&#x2019;s Gerathewohl, nur mit Hut und Mantel. Alles, was ihr gehörte, war liegen geblieben. Ich stehe wie wurzellos! rief er erblassend, und kann kaum den Boden unter mir fühlen! Eine Knospe künstlich zum Aufbrechen zwingen! rief er aus. Eine Geburt der Seele, die in Gottes Schooß schlummerte, die vielleicht noch nicht einmal der keusche Mond, den die Sterne noch nicht erfuhren, so künstlich gefördert,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0026] Tante Dora reichte den Schlüssel wie mechanisch und murmelte: Die Reformen Josephs – ja, ja, die haben den bösen Migazzi geärgert – Dieser Gedanke kommt von ihm! ließ sich Wolny nicht unterbrechen. Eine Scheidung ist nicht möglich, ohne den Schuldigen auf ein Pflichttheil zu setzen! fuhr er fort. Ich werde der Schuldige sein müssen, der Ungetreue, der Held dieser anonymen Briefe! Das freiwillige Herausreißen aller Papiere, der Blechkapsel wurde unterbrochen, als Wolny etwas von seiner Frau hörte, das ihn vollends empörte. Heute in aller Frühe schon, sagte die Kranke, habe ich Martha gefragt, sie sollte mir auf ihr Gewissen und vor Gott als Zeugen aufrichtig bekennen, ob sie Dich liebte! Wolny war über diese Mittheilung außer sich. Nun verstand er Marthas jähen Abschied. Sie hatte einfach das Haus verlassen. Und auf’s Gerathewohl, nur mit Hut und Mantel. Alles, was ihr gehörte, war liegen geblieben. Ich stehe wie wurzellos! rief er erblassend, und kann kaum den Boden unter mir fühlen! Eine Knospe künstlich zum Aufbrechen zwingen! rief er aus. Eine Geburt der Seele, die in Gottes Schooß schlummerte, die vielleicht noch nicht einmal der keusche Mond, den die Sterne noch nicht erfuhren, so künstlich gefördert,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-02-19T12:40:43Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-02-19T12:40:43Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-2<a>) (2014-02-19T12:40:43Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/26
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/26>, abgerufen am 21.11.2024.