Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.die der Bruder endlich abzuholen kam. Nicht die junge Gräfin Ada, sondern der Graf hatte in seinem Briefwechsel die Bitte, daß er endlich, endlich kommen sollte, so oft wiederholt, daß er beleidigt und gekränkt haben würde, wenn er nicht endlich folgte. Das Monument für den Grafen Wilhelm war noch weit über die bedungene Summe in anständigster Form honorirt worden. Die würdige Matrone, die Besitzerin des stattlichen Schlosses Hochlinden, war das Haupt dieser an Aufmerksamkeit und Zartsinn sich übertreffenden Gesellschaft. Die Matrone hatte ihre besonderen Neigungen, besondere Bedürfnisse, die man schonte und in der Ordnung fand. Bald fiel ihr die Schule des Ortes, bald die Kirche als ihrer Protection bedürftig ein. Bald hörte sie von der Entbindung einer armen Tagelöhnerin und machte sich eine Gewissenssache daraus, daß sich die stöhnende Wöchnerin nicht schon wieder am Tage nach ihrer Wehestunde an die mühevolle Feldarbeit schleppen mußte. War es aber die Frau des reichen Müllers, die Gott gesegnet hatte, so schickte die Gräfin ihre Domestiken mit einem passenden Geschenk, einem frommen Briefchen. Es war die wahre Vornehmheit, die von ihr entwickelt wurde. Diese liegt ja auch allein in einem guten Herzen. Alle Stammbäume, alle Ehrentitel, aller Hochmuth der Welt können die Wirkung nicht hervorbringen, die dem feingebildeten die der Bruder endlich abzuholen kam. Nicht die junge Gräfin Ada, sondern der Graf hatte in seinem Briefwechsel die Bitte, daß er endlich, endlich kommen sollte, so oft wiederholt, daß er beleidigt und gekränkt haben würde, wenn er nicht endlich folgte. Das Monument für den Grafen Wilhelm war noch weit über die bedungene Summe in anständigster Form honorirt worden. Die würdige Matrone, die Besitzerin des stattlichen Schlosses Hochlinden, war das Haupt dieser an Aufmerksamkeit und Zartsinn sich übertreffenden Gesellschaft. Die Matrone hatte ihre besonderen Neigungen, besondere Bedürfnisse, die man schonte und in der Ordnung fand. Bald fiel ihr die Schule des Ortes, bald die Kirche als ihrer Protection bedürftig ein. Bald hörte sie von der Entbindung einer armen Tagelöhnerin und machte sich eine Gewissenssache daraus, daß sich die stöhnende Wöchnerin nicht schon wieder am Tage nach ihrer Wehestunde an die mühevolle Feldarbeit schleppen mußte. War es aber die Frau des reichen Müllers, die Gott gesegnet hatte, so schickte die Gräfin ihre Domestiken mit einem passenden Geschenk, einem frommen Briefchen. Es war die wahre Vornehmheit, die von ihr entwickelt wurde. Diese liegt ja auch allein in einem guten Herzen. Alle Stammbäume, alle Ehrentitel, aller Hochmuth der Welt können die Wirkung nicht hervorbringen, die dem feingebildeten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0279" n="273"/> die der Bruder endlich abzuholen kam. Nicht die junge Gräfin Ada, sondern der Graf hatte in seinem Briefwechsel die Bitte, daß er endlich, endlich kommen sollte, so oft wiederholt, daß er beleidigt und gekränkt haben würde, wenn er nicht endlich folgte. Das Monument für den Grafen Wilhelm war noch weit über die bedungene Summe in anständigster Form honorirt worden.</p> <p>Die würdige Matrone, die Besitzerin des stattlichen Schlosses Hochlinden, war das Haupt dieser an Aufmerksamkeit und Zartsinn sich übertreffenden Gesellschaft. Die Matrone hatte ihre besonderen Neigungen, besondere Bedürfnisse, die man schonte und in der Ordnung fand. Bald fiel ihr die Schule des Ortes, bald die Kirche als ihrer Protection bedürftig ein. Bald hörte sie von der Entbindung einer armen Tagelöhnerin und machte sich eine Gewissenssache daraus, daß sich die stöhnende Wöchnerin nicht schon wieder am Tage nach ihrer Wehestunde an die mühevolle Feldarbeit schleppen mußte. War es aber die Frau des reichen Müllers, die Gott gesegnet hatte, so schickte die Gräfin ihre Domestiken mit einem passenden Geschenk, einem frommen Briefchen. Es war die wahre Vornehmheit, die von ihr entwickelt wurde. Diese liegt ja auch allein in einem guten Herzen. Alle Stammbäume, alle Ehrentitel, aller Hochmuth der Welt können die Wirkung nicht hervorbringen, die dem feingebildeten </p> </div> </body> </text> </TEI> [273/0279]
die der Bruder endlich abzuholen kam. Nicht die junge Gräfin Ada, sondern der Graf hatte in seinem Briefwechsel die Bitte, daß er endlich, endlich kommen sollte, so oft wiederholt, daß er beleidigt und gekränkt haben würde, wenn er nicht endlich folgte. Das Monument für den Grafen Wilhelm war noch weit über die bedungene Summe in anständigster Form honorirt worden.
Die würdige Matrone, die Besitzerin des stattlichen Schlosses Hochlinden, war das Haupt dieser an Aufmerksamkeit und Zartsinn sich übertreffenden Gesellschaft. Die Matrone hatte ihre besonderen Neigungen, besondere Bedürfnisse, die man schonte und in der Ordnung fand. Bald fiel ihr die Schule des Ortes, bald die Kirche als ihrer Protection bedürftig ein. Bald hörte sie von der Entbindung einer armen Tagelöhnerin und machte sich eine Gewissenssache daraus, daß sich die stöhnende Wöchnerin nicht schon wieder am Tage nach ihrer Wehestunde an die mühevolle Feldarbeit schleppen mußte. War es aber die Frau des reichen Müllers, die Gott gesegnet hatte, so schickte die Gräfin ihre Domestiken mit einem passenden Geschenk, einem frommen Briefchen. Es war die wahre Vornehmheit, die von ihr entwickelt wurde. Diese liegt ja auch allein in einem guten Herzen. Alle Stammbäume, alle Ehrentitel, aller Hochmuth der Welt können die Wirkung nicht hervorbringen, die dem feingebildeten
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