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Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.

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Buben, vor betrügerischen Buchführern, vor aufsätzigen Arbeitern, vor heimlichen Verschleppern der Kundschaft in den Schutz eines - ach! das war mein Fehler! zu sehr geliebten jungen Mannes flüchtete, der der Erzieher ihres Sohnes hatte werden sollen! Sonderbar, fing sie dann zu grübeln an, immer schon hatte Wolny etwas Apartes, etwas, das deiner Spürsucht nicht entging. Aber wie sprach er so sicher, wie handelte er so charakterfest! Bei jeder Unterschrift, wo ich ihn als Wittwe um Rath fragte, zitterte ich vor Verlegenheit! Bei jeder von mir zu empfangenden Zahlung erröthete ich! Ach, wie kann ein Weib lieben, sprach sie in stoßweise vorgebrachten Sätzen, wenn es noch einmal in reiferen Jahren seine ganze Kraft der Empfindung zusammennimmt, alle seine weiblichen Unarten bekämpft, zurückdrängt, alle seine bittern Erfahrungen zur Weisheit ausnutzt und nur gut, nur hülfreich, nur hingebend sein will! Ach! dann baut man der Liebe einen Altar im Herzen nur um der Liebe willen! Dann hat man nicht mehr den Trieb der geschmeichelten Eitelkeit, den Stolz, das liebe, gehätschelte Ich, den Abglanz des Spiegels gewürdigt und gewählt zu sehen - nein -

Ein Hustenanfall erstickte ihre Rede.

Aber wer hätte das gedacht? unterbrach auch Dora plötzlich ganz prosaisch diese aufgeregten Betrachtungen

Buben, vor betrügerischen Buchführern, vor aufsätzigen Arbeitern, vor heimlichen Verschleppern der Kundschaft in den Schutz eines – ach! das war mein Fehler! zu sehr geliebten jungen Mannes flüchtete, der der Erzieher ihres Sohnes hatte werden sollen! Sonderbar, fing sie dann zu grübeln an, immer schon hatte Wolny etwas Apartes, etwas, das deiner Spürsucht nicht entging. Aber wie sprach er so sicher, wie handelte er so charakterfest! Bei jeder Unterschrift, wo ich ihn als Wittwe um Rath fragte, zitterte ich vor Verlegenheit! Bei jeder von mir zu empfangenden Zahlung erröthete ich! Ach, wie kann ein Weib lieben, sprach sie in stoßweise vorgebrachten Sätzen, wenn es noch einmal in reiferen Jahren seine ganze Kraft der Empfindung zusammennimmt, alle seine weiblichen Unarten bekämpft, zurückdrängt, alle seine bittern Erfahrungen zur Weisheit ausnutzt und nur gut, nur hülfreich, nur hingebend sein will! Ach! dann baut man der Liebe einen Altar im Herzen nur um der Liebe willen! Dann hat man nicht mehr den Trieb der geschmeichelten Eitelkeit, den Stolz, das liebe, gehätschelte Ich, den Abglanz des Spiegels gewürdigt und gewählt zu sehen – nein –

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[30/0036] Buben, vor betrügerischen Buchführern, vor aufsätzigen Arbeitern, vor heimlichen Verschleppern der Kundschaft in den Schutz eines – ach! das war mein Fehler! zu sehr geliebten jungen Mannes flüchtete, der der Erzieher ihres Sohnes hatte werden sollen! Sonderbar, fing sie dann zu grübeln an, immer schon hatte Wolny etwas Apartes, etwas, das deiner Spürsucht nicht entging. Aber wie sprach er so sicher, wie handelte er so charakterfest! Bei jeder Unterschrift, wo ich ihn als Wittwe um Rath fragte, zitterte ich vor Verlegenheit! Bei jeder von mir zu empfangenden Zahlung erröthete ich! Ach, wie kann ein Weib lieben, sprach sie in stoßweise vorgebrachten Sätzen, wenn es noch einmal in reiferen Jahren seine ganze Kraft der Empfindung zusammennimmt, alle seine weiblichen Unarten bekämpft, zurückdrängt, alle seine bittern Erfahrungen zur Weisheit ausnutzt und nur gut, nur hülfreich, nur hingebend sein will! Ach! dann baut man der Liebe einen Altar im Herzen nur um der Liebe willen! Dann hat man nicht mehr den Trieb der geschmeichelten Eitelkeit, den Stolz, das liebe, gehätschelte Ich, den Abglanz des Spiegels gewürdigt und gewählt zu sehen – nein – Ein Hustenanfall erstickte ihre Rede. Aber wer hätte das gedacht? unterbrach auch Dora plötzlich ganz prosaisch diese aufgeregten Betrachtungen

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/36>, abgerufen am 21.11.2024.