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Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.

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Ausschluß jeder männlichen und weiblichen Bekanntschaft, ein Einsiedlerleben, nur die Vertiefung in die Stunden, die ich bei weiblichen Lehrmeistern nehmen mußte, die Woche zwei- oder dreimal würde er selbst, so fing er an, des Abends zu mir kommen und sich nach meinen Fortschritten erkundigen." "Sie glauben nicht", hatte sie ein andermal geschrieben, "was wir Frauen so vernünftig sind, wenn Einer nur vertrauensvoll bei uns Vernunft voraussetzt. Und zeigt er uns dann gar, wie man's anstellen soll, um sich nützlich zu machen, so sind wir wie die Kinder, geborene Sklavinnen, denken nicht an Herrschen! Hier galt es eine Aufgabe für mich. Ich griff sogleich an. Ich sollte einen Schauplatz schmücken, wo Abends mein Vater - Gott im Himmel, verzeih' ihm die vielleicht glücklichste Stunde seines Lebens, die der Verführung meiner Mutter! - erschien, für mich ein höheres Wesen, dem ich mein Räucherwerk von Andacht und Liebe darbringen konnte! Er nahm nur Thee, nur leichte warme Speisen gut zubereitet! Ich war eine Frau, wie ich von den wenigen Leuten, mit denen ich umging, genannt wurde, eine Frau der Fürsorge, der selbstauferlegten Pedanterie. Mein Ehrgeiz war mein Vater. Das war mein Stolz. Alten Bäumen im Park, wenn ich mit einer alten Lehrerin, die sich für Geld dazu hergab, ausfuhr, hätte ich es zurufen mögen, jeder Blume in den

Ausschluß jeder männlichen und weiblichen Bekanntschaft, ein Einsiedlerleben, nur die Vertiefung in die Stunden, die ich bei weiblichen Lehrmeistern nehmen mußte, die Woche zwei- oder dreimal würde er selbst, so fing er an, des Abends zu mir kommen und sich nach meinen Fortschritten erkundigen.“ „Sie glauben nicht“, hatte sie ein andermal geschrieben, „was wir Frauen so vernünftig sind, wenn Einer nur vertrauensvoll bei uns Vernunft voraussetzt. Und zeigt er uns dann gar, wie man’s anstellen soll, um sich nützlich zu machen, so sind wir wie die Kinder, geborene Sklavinnen, denken nicht an Herrschen! Hier galt es eine Aufgabe für mich. Ich griff sogleich an. Ich sollte einen Schauplatz schmücken, wo Abends mein Vater – Gott im Himmel, verzeih’ ihm die vielleicht glücklichste Stunde seines Lebens, die der Verführung meiner Mutter! – erschien, für mich ein höheres Wesen, dem ich mein Räucherwerk von Andacht und Liebe darbringen konnte! Er nahm nur Thee, nur leichte warme Speisen gut zubereitet! Ich war eine Frau, wie ich von den wenigen Leuten, mit denen ich umging, genannt wurde, eine Frau der Fürsorge, der selbstauferlegten Pedanterie. Mein Ehrgeiz war mein Vater. Das war mein Stolz. Alten Bäumen im Park, wenn ich mit einer alten Lehrerin, die sich für Geld dazu hergab, ausfuhr, hätte ich es zurufen mögen, jeder Blume in den

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[62/0068] Ausschluß jeder männlichen und weiblichen Bekanntschaft, ein Einsiedlerleben, nur die Vertiefung in die Stunden, die ich bei weiblichen Lehrmeistern nehmen mußte, die Woche zwei- oder dreimal würde er selbst, so fing er an, des Abends zu mir kommen und sich nach meinen Fortschritten erkundigen.“ „Sie glauben nicht“, hatte sie ein andermal geschrieben, „was wir Frauen so vernünftig sind, wenn Einer nur vertrauensvoll bei uns Vernunft voraussetzt. Und zeigt er uns dann gar, wie man’s anstellen soll, um sich nützlich zu machen, so sind wir wie die Kinder, geborene Sklavinnen, denken nicht an Herrschen! Hier galt es eine Aufgabe für mich. Ich griff sogleich an. Ich sollte einen Schauplatz schmücken, wo Abends mein Vater – Gott im Himmel, verzeih’ ihm die vielleicht glücklichste Stunde seines Lebens, die der Verführung meiner Mutter! – erschien, für mich ein höheres Wesen, dem ich mein Räucherwerk von Andacht und Liebe darbringen konnte! Er nahm nur Thee, nur leichte warme Speisen gut zubereitet! Ich war eine Frau, wie ich von den wenigen Leuten, mit denen ich umging, genannt wurde, eine Frau der Fürsorge, der selbstauferlegten Pedanterie. Mein Ehrgeiz war mein Vater. Das war mein Stolz. Alten Bäumen im Park, wenn ich mit einer alten Lehrerin, die sich für Geld dazu hergab, ausfuhr, hätte ich es zurufen mögen, jeder Blume in den

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/68>, abgerufen am 24.11.2024.